Rosalin Kuiper an Bord der Malizia - Seaexplorer © Team Malizia / Antoine Auriol

Ocean Race: Malizia ohne Herrmann, aber selbstbewusst in 4. Etappe

Stand: 23.04.2023 07:01 Uhr

Die fünf Imoca-Yachten starten beim Ocean Race heute (18.10 Uhr MESZ) in die vierte Etappe von Itajai/Brasilien ins Segel-Mekka Newport/USA. Die Flotte kehrt auf dem zweitlängsten Abschnitt der Weltumseglung auf die Nordhalbkugel zurück.

von Bettina Lenner

5.500 Seemeilen liegen vor den Crews. Klingt machbar nach den über 14.000 gesegelten Seemeilen auf der vergangenen Königsetappe durch das raue Südpolarmeer, die das Team Malizia mit Skipper Boris Herrmann spektakulär für sich entschied. Doch der Abschnitt birgt andere Tücken, weiß auch Nico Lunven.

"Der Weg nach Newport ist etwas paradox. Das wird ganz anders als die dritte Etappe", so der Malizia-Navigator, dessen Qualitäten besonders gefordert sein werden. "Im Vergleich zur Südozean-Etappe werden wir mit Sicherheit viel schöneres Wetter haben, mit warmem Meer und warmer Luft, fast tropisch. Auf der anderen Seite gibt es viele entscheidende Eckpunkte bezüglich Strategie und Wetter, das wird eine ziemliche Herausforderung." Bei der letzten großen Süd-Nord-Passage des Rennens verlassen die Teams Brasilien im Herbst und werden rund zweieinhalb Wochen später im Frühjahr in den USA ankommen.

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Jede Menge Unwägbarkeiten - bis zum Schluss

Im Südatlantik lauert das St.-Helena-Hoch mit seinen Leichtwindzonen, dem die Flotte schon auf der zweiten Etappe von den Kapverden nach Kapstadt begegnet ist, und schon beim Start wird voraussichtlich ein massives Hoch über der Ostküste Brasiliens die erste Hürde sein. Die Navigatoren müssen sich zudem entscheiden, ob sie die direkte Route entlang der Küste nehmen oder sich auf der Suche nach stärkerem Wind mehr davon entfernen.

Bereits auf der zweiten Etappe hatten die Doldrums, ein Tiefdruckgebiet in unmittelbarer Nähe des Äquators, mit ihren schwachen Winden und Flauten das Feld geteilt. Weiter nördlich könnte dann nach der Überquerung des Äquators im Nordost-Passat die Stunde der Malizia mit ihren guten Starkwind-Eigenschaften schlagen.

Entlang der US-Ostküste dürfte der Golfstrom ein Faktor werden. Und auch kurz vor dem Ziel muss noch längst nichts entschieden sein, sollten in Newport Flaute und Nebel herrschen. So wie im Mai 2018, als sich die Boote beim damaligen Ocean Race einen Finalthriller in Zeitlupe lieferten. Das spanische Team Mapfre verwandelte seinen fünften Rang am Tag vor der Zieldurchfahrt noch in einen Etappensieg.

Aber vielleicht kommt ja auch alles anders. Sicher ist, dass auf dieser Etappe vieles kaum vorhersehbar ist - bis zum Schluss. "Die letzten zwei Tage vor Newport können mit nordatlantischen Bedingungen, starken Winden und kaltem Wasser ziemlich schwierig sein", so Lunven, der vor fünf Jahren die Etappe als Navigator des Teams "Turn the Tide on Plastic" als Fünfter beendete.

Herrmann pausiert - "Beste Entscheidung für das Team"

Diesmal soll mehr herausspringen. Schwer genug. "Es wird eine Menge Wechsel und Übergänge geben auf dieser Etappe", prognostiziert auch Malizia-Skipper Will Harris, der wie schon auf der zweiten Etappe das Kommando vom diesmal planmäßig pausierenden Boris Herrmann übernimmt. Für den Hamburger ist der erfahrene Franzose Christopher Pratt neu an Bord.

"Ich glaube nicht, dass das Segelteam dadurch einen Nachteil hat. Ich würde nicht aussetzen, wenn ich das Gefühl hätte, sie könnten es mit mir besser machen." Boris Herrmann

Co-Skipperin Rosalin Kuiper, von ihrer Gehirnerschütterung "sehr gut erholt", lobte Herrmann für seine Entscheidung und freut sich über den Vertrauensbeweis. "Das spornt uns zusätzlich an. Wir haben dadurch alle ein bisschen mehr Verantwortung, das Boot in einem Stück nach Newport zu bringen. Er hat Chris ermöglicht, ins Team zu kommen und damit uns, von seiner Erfahrung zu profitieren. Und wir treffen in Newport einen frischen, gut erholten Boris wieder. Ich denke, es war die beste Entscheidung für das Team, zu diesem Zeitpunkt auszusetzen."

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Harris: "Perfekt vorbereitet und selbstbewusst"

Die Malizia - Seaexplorer sei ein "beeindruckendes Boot", sagte Pratt. Man könne damit extrem "aggressiv und präzise" segeln. "Ich freue mich auf diese knifflige Etappe. Wir müssen uns auf strategische Details konzentrieren und unsere Geschwindigkeit bei leichteren Windbedingungen verbessern, was wir ziemlich viel mit der Crew besprechen."

Nach drei von sieben Etappen liegt das Team Malizia mit 14 Punkten auf Platz zwei hinter dem Schweizer Team Holcim - PRB (19) und vor dem US-Team 11th Hour Racing (13). Insgesamt sind noch 38 Prozent der Rennstrecke zu absolvieren, aber fast 60 Prozent der Punkte zu vergeben. "Wir fühlen uns perfekt vorbereitet und gehen sehr selbstbewusst in diese vierte Etappe", betonte Harris. "Wir haben bewiesen, dass wir schnell sein können und ein tolles Team sind."

Guyot will bei Comeback "abliefern"

Nach dem bitteren Aus auf Etappe drei ist auch Team Guyot mit repariertem Boot und dem Berliner Co-Skipper Robert Stanjek wieder im Einsatz. Die deutsch-französische Mannschaft hatte die dritte Etappe mit schwerem Rumpfschaden aufgeben müssen. "Die Reparatur ist grundsolide. Die Punktelücke zu den anderen Teams wurmt uns. Wir wollen jetzt mal abliefern und vielleicht in Richtung Podium", kündigte Stanjek vor dem Comeback an.

Herrmann, der das Renngeschehen aus der Ferne intensiv verfolgen wird, hält alles für möglich: "Alle fünf Teams können gewinnen. Das Tolle am Ocean Race ist, dass alle fünf Konkurrenten gleich stark sind. Mit dem großen Unterschied, dass wir natürlich im Süden einen Vorteil haben."

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