DTB-Präsident Dietloff von Arnim (l.), Turnierdirektorin Sandra Reichel und Veranstalter Peter-Michael Reichel

Harte Zeiten am Rothenbaum: Was wird aus dem Tennis-Turnier?

Stand: 13.07.2022 09:51 Uhr

Im Wandel der weltweiten Turnierlandschaft droht dem Hamburger Rothenbaum Ungemach. Wieder einmal muss sich die Traditionsveranstaltung der Konkurrenz auch aus dem eigenen Land erwehren. Kann der Deutsche Tennis Bund den Standort retten?

von Andreas Bellinger

Ungetrübt ist die Vorfreude nicht auf das Comeback am Hamburger Rothenbaum. 44 Jahre ist es her, dass Tennisspielerinnen und Tennisspieler auf den Sandplätzen an der Hallerstraße zuletzt zeitgleich aufgeschlagen haben. Nun ist es wieder so weit. Doch wie lange es die Veranstaltung in dieser außergewöhnlichen Konstellation geben wird, steht in den Sternen.

Zu unterschiedlich sind offenbar die Vorstellungen der ausrichtenden Sandra und Peter Michael Reichel auf der einen und dem Deutschen Tennis Bund (DTB) auf der anderen Seite. Nur in einem Punkt sind sich die "Streithähne" einig: Statements zu dem brisanten Thema sind momentan tabu; über die Zukunft am Rothenbaum soll dem Vernehmen nach erst nach dem Event (16. bis 24. Juli) geredet werden.

Weitere Informationen
Boris Becker kniet 1992 auf dem Center Court am Rothenbaum. © picture-alliance / Sven Simon Foto: Sven Simon

Mythos Rothenbaum: Ruhm und Dramen auf rotem Sand

Seit 130 Jahren wird am Hamburger Rothenbaum Tennis gespielt. Triumphale Siege, ewiger Ruhm und große Dramen: Ein Rückblick auf bewegte Zeiten in einer Multimedia-Doku. mehr

Vertrag mit Reichel Group endet 2023

Querelen sind am Rothenbaum offenbar so traditionell wie das Turnier selbst, das erstmals im Jahr 1892 gespielt wurde. Auch 2018, als die Reichel Business Group die Ausrichtung des einstmals zur zweithöchsten Turnier-Kategorie im Welttennis gehörenden Herren-Wettbewerbs übernahm, gab es böses Blut. Der frühere Wimbledonsieger Michael Stich, der das kriselnde und von der ATP 2008 herabgestufte 500er Turnier vor dem Aus gerettet hatte, fühlte sich nach zehn Jahren konsolidierender Arbeit ausgebootet. Auch jetzt will der DTB als Inhaber der Lizenz einen neuen Ausrichter ins Boot holen, wenn der bestehende Fünfjahres-Vertrag mit den Reichels 2023 endet. Duplizität der Ereignisse?

DTB-Präsident: "Wollen in Hamburg bleiben"

"Unsere Aufgabe als DTB ist es, die beste Lösung für den Verband zu finden", so der seit eineinhalb Jahren amtierende DTB-Präsident Dietloff von Arnim im "Hamburger Abendblatt". Aber was ist die beste Lösung für den Rothenbaum? Konzepte liegen in den Schubladen, wie es heißt. Konkrete Vorhaben, Pläne oder bereits getroffene Vereinbarungen bleiben, wenn es sie denn gibt, allerdings hüben wie drüben unter Verschluss. Kein Kommentar!

Die am Sonnabend mit der Qualifikation startende Veranstaltung soll nicht beschädigt werden. Klar scheint im Gespräch mit von Arnim aber, dass es einen Wandel geben wird. Und: "Dass wir in Hamburg bleiben wollen."

Weitere Informationen
Der spanische Tennis-Profi Carlos Alcaraz © IMAGO / Hasenkopf

Tennis am Rothenbaum: Alcaraz kommt - Turnier-Zukunft offen

Der spanische Senkrechtstarter ist der Favorit in Hamburg. Wer die Sandplatzveranstaltung nach 2023 ausrichtet, ist offen. mehr

Zwei Turniere, zwei Ausrichter?

"Im schönsten Tennis-Stadion der Welt", so von Arnim, das vor zwei Jahren dank maßgeblicher privater Investitionen für rund zehn Millionen Euro renoviert worden ist. Der Corona-Pandemie zum Trotz sollen nun die Fans wieder für Stimmung auf den Rängen sorgen. Ungeachtet der sich rankenden Spekulationen und Gerüchte, die den Rothenbaum wieder einmal vor dem Fallen sehen.

Tatsächlich könnte sich einiges ändern. Denkbar wäre zum Beispiel auch, dass es in zwei Jahren zwei Tennis-Turniere mit zwei unterschiedlichen Veranstaltern in Hamburg gibt. Die Österreicher sind nämlich alleinige Inhaber der Lizenz für das Damen-Turnier. "Grundsätzlich wäre das kein Problem", so Hamburgs Sportstaatsrat Christoph Holstein im "Abendblatt".

Halle bewirbt sich um Rasen-Masters

Was aber passiert, wenn der Turnierkalender im Welt-Tennis bis spätestens 2025 grundlegend reformiert wird? Wenn es der ATP gelingt, zwischen den Grand-Slam-Turnieren in Paris (French Open) und Wimbledon ein zusätzliches Masters-Event einzuführen, das auf Rasen gespielt werden müsste?

Beste Aussichten, diese Lücke zu schließen, dürften sich aus deutscher Sicht wohl die Macher in Halle/Westfalen ausrechnen. Das Rasen-Turnier, das im kommenden Jahr 30. Jubiläum feiert, hat sich seit Jahren als Vorbereitung auf die All England Championships im Londoner Südwesten etabliert und gerade eine offizielle Bewerbung bei der ATP hinterlegt.

Weitere Informationen
Der Centre Court am Hamburger Rothenbaum © Witters

Davis Cup in Hamburg: Zverev und Co. gegen Frankreich

Außerdem trifft die deutsche Auswahl vom 14. bis 18. September im Tennis-Stadion am Rothenbaum auf Belgien und Australien. mehr

Hamburgs Pläne auf Sand gebaut?

"Wir werden für die anvisierte Höherstufung weitere, sehr umfangreiche Investitionen auf der gesamten Anlage vornehmen“, so Turnierchef Ralf Weber, der sich eigenen Angaben zufolge der notwendigen Unterstützung der Stadt Halle insbesondere in puncto Infrastruktur gewiss sein kann. Der Rothenbaum dürfte es als Alternative schwer haben; könnte mit seinen Sandplätzen ohnehin ins Hintertreffen geraten, weil die Veranstaltungen in Rom und Madrid im Vorfeld der French Open als gesetzt gelten.

Von Arnim über Masters-Chance: Alles daransetzen

"Wenn wir die Chance haben, ein Masters-Turnier nach Deutschland zu holen, sollten wir alles daransetzen, es zu versuchen", sagt von Arnim. Die Hoffnungen am Rothenbaum dürften sich derweil in Grenzen halten. Schon das ein oder andere Mal wurden Pläne und Überlegungen in Richtung höhere Kategorie geprüft und dann doch wieder verworfen.

Allein der Aschebelag, die räumlichen Gegebenheiten im Wohngebiet nahe der Alster und die rechtlichen Hindernisse bereiten Probleme. Erinnert sei an die nach langen Auseinandersetzungen mit den Anwohnern genehmigte Nutzung der Anlage an nur wenigen Tagen pro Jahr. Ein Dauerthema in Variationen - auch wenn DTB-Chef von Arnim im Gespräch mit dem NDR meint: "Wir würden gerne in Hamburg wieder ein Masters-Turnier ausrichten."

Weitere Informationen
Monica Seles (M.) nach der Messerattacke 1993 am Rothenbaum © Witters

Vor 30 Jahren: Das Messerattentat auf Monica Seles am Rothenbaum

Der 30. April 1993 verändert die Tennis-Welt. Seles wird in Hamburg von einem psychisch gestörten Mann niedergestochen. Sie hat noch Glück im Unglück. mehr

Dieses Thema im Programm:

Hamburg Journal | 14.07.2022 | 19:30 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Tennis

Mehr Sport-Meldungen

Hamburgs Ransford-Yeboah Königsdörffer (l.) und Kiels Steven Skrzybski © picture alliance / DPA

HSV gegen Kiel: Hält Holsteins Volkspark-Serie, ist der Aufstieg nah

Die KSV ist in der Hamburger Arena in der 2. Liga unbesiegt. Bleibt das so, wäre das ein weiterer Schritt in Richtung Aufstieg - und der HSV nah am K.o. mehr