Jonas Weller aus Ratzeburg, startet beim Iroman auf Hawaii. © privat

Aus der Nachtschicht nach Hawaii: Jonas Weller überrascht beim Debüt

Stand: 07.10.2022 08:45 Uhr

Erst im Juni hat sich der frühere Ruderer Jonas Weller aus Ratzeburg das Ticket für Hawaii gesichert - bei seinem ersten Ironman überhaupt. Und das, obwohl der 27-Jährige in seinem Beruf jede Nacht durcharbeiten muss. Nun startete er in der Altersklasse 25 bis 29 Jahren.

von Finn-Ole Martins

Jonas Weller steht vor einem riesigen Plakat auf Big Island, der größten der Hawaii-Inseln. Mit einem Kugelschreiber kritzelt er seinen Namen auf eine der noch übrigen weißen Flächen auf dem riesigen Papier. Hier unterschreiben vor dem Start alle Teilnehmenden des Ironman 2022 - es sind mit über 5.000 doppelt so viele als üblich. "Meine Handschrift hat sich nicht verändert seit ich sechs war", schreibt Weller auf Social Media, wo er seine Vorbereitungen in kurzen Videos festgehalten hat. "Glücklicherweise habe ich mich aber seitdem im Schwimmen, Radfahren und Laufen verbessert."

Hawaii ist das Traumziel aller Triathleten

Für Triathleten ist Hawaii das, was für Tennisspieler Wimbledon ist. Jeder will einmal die 3,8 Kilometer im Pazifik schwimmen und sich anschließend 180 Kilometer auf dem Rad quälen, um dann noch einen Marathon zwischen den Vulkanfeldern zu absolvieren. "Der Mythos Hawaii lebt durch die Bedingungen vor Ort", hatte Weller im Vorfeld des Starts gesagt. Die hohe Luftfeuchtigkeit, die Hitze, die nicht nur von oben, sondern auch von unten durch die Vulkane links und rechts vom Asphalt drückt. "Man braucht einen perfekten Tag in allen drei Disziplinen. Ich kann mir auch vorstellen, dass ich mit der Hitze nicht klarkomme. Ich weiß aber, dass ich mental drauf vorbereitet sein werde." Und das konnte Weller bei seinem Ironman-Debüt zeigen: Er lieferte ein fast schon souveränes Rennen, kam nach 9 Stunden, 27 Minuten und 51 Sekunden ins Ziel. Das macht Platz 25 (von 195) in seiner Altersklasse (M 25-29) bei seinem Hawaii-Debüt. "Mal schauen, was nach vorn so geht", hatte er als Parole ausgegeben und wollte die Strecke nicht nur genießen, sondern auch unter zehn Stunden bleiben - Ziel erreicht.

Im Element Wasser kennt sich der frühere Ruderer aus

Jonas Weller aus Ratzeburg, beim Iroman auf Hawaii. © privat
Jonas Weller aus Ratzeburg hat sich intensiv auf seinen ersten Ironman auf Hawaii vorbereitet.

Sportlich war Weller schon immer. Früh begann er zu rudern - erst in der Schule, dann im Studium. Er studierte an der Ostküste in den USA, dann in London. Er wurde U23-Vizeweltmeister im Leichtgewichtsdoppelvierer. "Davon profitiere ich jetzt", sagt Weller - und meint damit vor allem den Kopf. "Der spielt sowohl im Boot als auch beim Triathlon eine große Rolle. Beim Rudern war er meine Stärke, im Wettkampf konnte ich mich immer mehr quälen als andere." Beim Rudern sei es jedoch nur ein kurzer sehr intensiver Schmerz gewesen. "Beim Ironman ist es ja viel, viel länger. Da gibt es nur das Motto: immer weitermachen, Kilometer für Kilometer." Das gilt bereits für die erste Disziplin, das Schwimmen. "Das war schon eine Umstellung, wenn man die Technik nicht von Kleinauf beherrscht. Aber durch das Rudern habe ich bereits ein Verständnis für das Element Wasser."

Nachts arbeiten, tagsüber schlafen und trainieren

Nach dem Studium hat er gemerkt, dass neben der Arbeit nicht mehr genügend Zeit für das Rudern auf hohem Niveau bleibt. "Aber ich wollte weiter die Herausforderung suchen - und bin beim Triathlon gelandet, den ich früher schon in der Sommerpause absolviert hatte." Doch auch das Training für einen Triathlon ist zeit- und kraftintensiv. Umso bemerkenswerter ist Wellers Tagesablauf. "Kurz nach Mitternacht stehe ich auf, um um ein Uhr auf der Arbeit zu sein." Er arbeitet in der Nachtschicht bei einem Paketzusteller - bis morgens um zehn. "Dann geht er ins Bett, um dann gegen 18 Uhr mit dem Training zu beginnen. Seit zwei Jahren laufe sein Alltag so ab, erklärt Weller. Wenn man so will, lebt er schon seitdem in hawaiianischer Zeit. Denn einen Jetlag nach der Ankunft hatte er nicht: "Ich habe nach dem Flug durchgeschlafen und war dann topfit."

Training per WhatsApp und in der Badewanne

Um das Training perfekt auf seinen Körper abzustimmen, holte er sich einen Trainer aus Österreich dazu. "Wir haben uns bis heute noch nicht in echt gesehen", lacht Weller. Die Einheiten werden per WhatsApp-Nachrichten vorbereitet. "Und das läuft wirklich gut. In Amerika hat man beim Rudern in jeder Einheit draufgehauen, das war unfassbar intensiv. Jetzt ist mein Training viel kontrollierter. Es gibt viele entspannte Einheiten, die manchmal sogar so langsam sind, dass es mir fast unangenehm ist."

Die Abwechslung, die dadurch geschaffen wird, bringe ihm aber ein besseres Gefühl: "Dadurch fühlt man sich besser in den harten Abläufen, weil man frischer ist. Deswegen genieße ich die langsamen Läufe jetzt sogar auch und kann den Kopf abschalten." Um sich auf die Hitze und die Luftfeuchtigkeit einzustellen, ging es nach dem Training oft in die über 40 Grad heiße Badewanne. Damit versuchte er, seinen Körper auf alles so gut wie möglich einzustellen.

Der erste Ironman: Erst der Sieg, dann der Kollaps

Dass es so gut beim ersten Start laufen würde, hätte er trotzdem nicht für möglich gehalten. "Vor einem Jahr noch war Hawaii ein großer Traum. Ich wusste ja gar nicht, wie gut ich unter Wettbewerbsbedingungen bin. Ich wollte immer nur nach Hamburg." Dort fand im Juni der Ironman statt, auf den Weller hintrainiert hatte. Es war sein erster überhaupt - und direkt erfolgreich: Er kam als Dritter ins Ziel und wurde Erster in seiner Altersklasse. Das war das Entscheidende, denn über die Altersklasse qualifiziert man sich für Hawaii. Er hätte sogar noch schneller sein können. "Doch auf den letzten Kilometern des Marathons merkte ich, dass ich vorn fast überfalle. Da musste ich mich im Tempo zurücknehmen, um es ins Ziel zu schaffen. Dort bin ich dann kurz zusammengeklappt." Der Grund: Er hatte zu wenig Salz zu sich genommen, sodass sein Körper kein Wasser aufnehmen konnte.

Organisation und Equipment sind alles

Die kurzfristige Qualifikation nur drei Monate vor dem großen Wettkampf am anderen Ende der Welt zwang Weller zwar, vieles kurzfristig und spontan zu organisieren. Schon im Vorfeld hatte er selbst Sponsoren angesprochen, die ihn unterstützen. "Um eine gute Platzierung zu erreichen, musst du topfit sein, brauchst aber auch das entsprechende Equipment." Allein das Fahrrad, das ihm gesponsert werde, sei so teuer wie die gesamte Reise. Für die rechnet er mit einem Kostenrahmen von um die 10.000 Euro - mehr als 1.000 Euro kostet schon die Startgebühr. Für die Sponsoren hat er seine Bekleidung noch schnell umdesignen lassen, um sie vor Ort zu präsentieren.

Probleme vor Ort - die Übernachtung im Auto

Teilnehmer des Ironman auf Hawaii kurz bevor sie ihre Schwimmdistanz absolvieren müssen © World Triathlon Corporation - Ironman Foto: World Triathlon Corporation - Ironman
Für Triathleten ist Hawaii das, was für Tennisspieler Wimbledon ist.

Doch problemlos verlief nicht alles - vor allem die Anreise: Bei der Ankunft im Flughafen fehlte zunächst das Fahrrad, das einen Tag später hinterherkam. "Das muss bei der Border Control am Flughafen kontrolliert worden und dann einfach nur noch hineingeworfen sein. Meine angebauten Polsterungen waren wertlos. Aber zum Glück hat es nur ein paar Kratzer abbekommen." Auch, dass die gemietete Wohnung noch nicht wie abgesprochen einzugsbereit war, ließ ihn nicht aus dem Tritt bringen. "Wir haben die erste Nacht mit Blick auf den Ozean geschlafen, das war auch schön", sagt er. Die Tage darauf wurde regeneriert, nur kurz trainiert - und dann ging es am Donnerstagabend deutscher Zeit auf die Strecke.

Reise als Belohnung

Um den Körper zu regenerieren und Hawaii nun zu genießen, bleibt Jonas Weller mit seiner Freundin noch bis Montag vor Ort, will dann noch die Westküste bereisen und kurz in Boston vorbeischauen. Es dürfte eine Reise sein, die er nicht wieder vergisst - und die ihm in ein paar Wochen vielleicht doch als Traum erscheint, wenn es wieder in die Nachtschicht geht. Doch klar ist auch: Es soll nicht das letzte Mal gewesen sein, damit er vielleicht schon im nächsten Jahr wieder seine Unterschrift auf ein großes Plakat auf Hawaii schreiben kann.

Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Welle Nord | Nachrichten für Schleswig-Holstein | 07.10.2022 | 15:40 Uhr

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