Die deutsche Nationalspielerin Merle Frohms © IMAGO/Karina Hessland

Wolfsburgs Torfrau Merle Frohms: Mit mentaler Stärke zum Triple?

Stand: 24.10.2022 10:38 Uhr

Nationaltorhüterin Merle Frohms hat Almuth Schult auch beim VfL Wolfsburg abgelöst. Dass nach dem EM-Hype auch in der Fußball-Bundesliga die Zuschauer in Scharen kommen, "haben wir uns mit qualitativ hochwertigen Spielen verdient", so die Vize-Europameisterin.

von Andreas Bellinger

Es war einer dieser Tage zum Genießen - und das sah man Merle Frohms auch an. Den ewigen Widersacher Bayern München im Topspiel der Fußball-Bundesliga der Frauen mit 2:1 geschlagen, den Sieg trotz "unnötig spannend gemachter" Schlussphase festgehalten und schließlich von der großen Kulisse in der Wolfsburger Arena begeistert gefeiert. "Das haben wir uns verdient", so die Vize-Europameisterin im NDR Sportclub, die nach einigen Umwegen die Nummer eins der Nationalmannschaft und seit dieser Saison auch des VfL Wolfsburg ist.

Sieg gegen die Bayern vor großer Kulisse

"Wir haben bestätigt, dass es sich lohnt, zu uns ins Stadion zu kommen", sagt die 27-Jährige, und die Zufriedenheit, dass der EM-Hype nicht verflogen ist, steht ihr ins Gesicht geschrieben. Im Stadion, in dem üblicherweise nur die "Wölfe" von Trainer Niko Kovac auflaufen, spielten die VfL-Frauen erstmals in der Meisterschaft vor mehr als 20.000 Zuschauern. Genau 21.287 Fans kamen - der Bundesligarekord vom Spiel zwischen Eintracht Frankfurt und dem FC Bayern (23.200) wurde damit zwar verpasst, aber es habe sich gezeigt, dass die Zuschauer nicht nur wegen des EM- Booms kommen, so Frohms, "sondern auch weil wir qualitativ hochwertige Spiele bieten".

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Kellermann über TV-Vertrag: "Absprunghöhe war nicht marktgerecht"

"Aber wir müssen weiter dranbleiben und Werbung betreiben", mahnt Torjägerin Alexandra Popp und bekommt sogleich Unterstützung von ihrer Teamkollegin: "Wir müssen unsere Leistung auf dem Platz bringen; und dann ist es Sache der Vereine und der Liga, den entsprechenden Rahmen zu schaffen." Ein neuer TV-Vertrag ist schon mal unter Dach und Fach gebracht. Die Einnahmen der zwölf Vereine steigen ab der Saison 2023/2024 um das 16-Fache auf 5,175 Millionen Euro pro Jahr. Es sei wirtschaftlich und für die Sichtbarkeit ein tolles Ergebnis, aber er sei weit davon entfernt, sich dafür feiern zu lassen, relativiert Wolfsburgs Sportlicher Leiter Ralf Kellermann im NDR, denn: "Die Absprunghöhe war wirklich nicht mehr marktgerecht."

Die Bundesliga der Frauen, deren Clubs sich noch über den Verteilungsschlüssel einigen müssen, rangiert damit hinter der englischen Women's Super League (neun Millionen Euro pro Jahr) und der spanischen Liga (acht Millionen Euro) auf Platz drei der Top-Ligen. Aber natürlich erlaubt der Kontrakt nicht annähernd einen Vergleich mit dem der Bundesliga der Männer, der mit 930 Millionen Euro dotiert ist - dem 180-Fachen.

Wenig Gefallen an Montagspielen

Eine Kröte gilt es überdies zu schlucken: Es gibt künftig ein Montagspiel um 19.30 Uhr im Free-TV, obwohl das bei den Männern nach vielfachen Protesten - gerade auch der Fans - wieder abgeschafft wurde. "Es geht nicht nur um die Zuschauer", so Almuth Schult, die während der WM in Katar als Expertin für die ARD arbeitet, bevor sie im Frühjahr voraussichtlich wieder in Los Angeles für den Angel City FC in der amerikanischen National Women's Soccer League (NWSL) spielen wird. "Wir haben in der Bundesliga doch das Problem, dass immer noch viele Spielerinnen neben dem Fußball arbeiten müssen."

Torhüterin wegen der bunten Trikots

Frohms gehört nicht dazu. Sie kann bei geschätzten 40.000 Euro per anno von ihrem Sport leben, wenn auch im Vergleich zu den Männern einigermaßen bescheiden. Dass sie einmal Fußballerin werden würde, stand eigentlich schon fest, als sie gerade laufen konnte. "Jede freie Minute haben wir im Garten gekickt", erzählt Bruder Lasse und verschweigt nicht, dass die kleine Schwester immer mittendrin sein wollte. "Aber sie musste ins Tor; ich durfte draufschießen." Als Fünfjährige startete Frohms ihre Karriere bei Fortuna Celle. Natürlich im Tor. "Die Feldspieler hatten so langweilige Trikots, das der Torhüter war komplett bunt. Das fand ich so schön und wollte es anziehen."

Und schon stand sie im Kasten. Zwei Jungs hatten das Nachsehen gegen die einzige Fußballerin im Verein, erinnert sich ihr erster Trainer, Heinrich Fuchs. Bis 2011 blieb das so, auch in der Bezirksliga spielte sie nur mit Jungs. Dann meldete sich Kellermann, der damals noch Trainer des VfL Wolfsburg war, und holte die 16-Jährige ins Bundesliga-Team. "Sie war athletisch und hatte eine sehr gute Sprungkraft. Da passte alles."

Über Umwege zurück nach Wolfsburg

Wenn nicht Schult ein unüberwindliches Hindernis gewesen wäre. Zwar wurde Frohms auch als Nummer zwei DFB-Pokalsiegerin, deutsche Meisterin und Champions-League-Gewinnerin, aber spielen durfte sie fast nie. "Soll das ewig so bleiben?", fragte sich die damals 23-Jährige und wechselte, obschon sie sich in der Auto-Stadt, nur ein paar Kilometer entfernt von ihrem Geburtsort Celle, pudelwohl fühlte, nach sieben Jahren beim VfL im Jahr 2018 zum SC Freiburg und zwei Jahre später zu Eintracht Frankfurt. Dort entwickelte sie sich zur Top-Torfrau, die nebenher im Fernstudium BWL paukt und auch den Trainerschein vorweisen kann.

Kellermann "zutiefst beeindruckt"

In der Nationalmannschaft nutzte sie schließlich Schults Babypause und profilierte sich durch herausragende Leistungen nicht erst bei der Europameisterschaft endgültig als Nummer eins im Team von Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg. "Ich hatte die volle Rückendeckung des Trainerteams und wollte das Vertrauen natürlich zurückgeben", beschreibt sie ihre Motivation, in der Angst vor Versagen keine Rolle spielt. "Dabei war Almuth Schult immer gegenwärtig", so Kellermann. "Viele haben nur darauf gewartet, dass Merle patzt. Wie sie diesem mentalen Druck standgehalten hat, hat mich zutiefst beeindruckt."

Frohms: "Auch international angreifen"

Dass sie nun in dieser Saison auch im Wolfsburger Tor Schult ablösen würde, stand schon vor ihrer glanzvollen EM fest. Die Arbeit mit einem Mentaltrainer habe ihr geholfen, "bei mir zu bleiben", nennt sie ein Erfolgsrezept, denn "beeinflussen kann ich nur, was in meiner Macht steht", sagt die als eher zurückhaltend und introvertiert geltende Frohms. "Aber sie weiß ganz genau, was sie will", sagt Kellermann. Das Triple aus Pokal, Meisterschaft und Champions League zum Beispiel: "An das Double vom Vorjahr wollen wir anknüpfen", sagt sie, "und auch international angreifen."

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