Ein Fan beim Public Viewing zur Fußball-WM 2018 © IMAGO / foto2press

Fußball-WM in Katar: Kein Public Viewing im Norden

Stand: 20.11.2022 11:31 Uhr

Am Sonntag startet die umstrittene Fußball-Weltmeisterschaft in Katar. Vorfreude will wegen der zahlreichen Menschenrechtsverstöße im Gastgeberland nicht recht aufkommen. Viele Veranstalter und Kneipen-Besitzer in Deutschland verzichten auf Public Viewing. Aber bleibt das auch so?

Den DFB-Adler auf der Brust, die schwarz-rot-goldene Perücke auf dem Kopf - das waren alle vier Jahre die gewohnten Bilder. Zehntausende Fans fieberten freudetrunken vor großen Leinwänden oder kleineren Kneipen-Bildschirmen mit der DFB-Elf mit. Doch in diesem Jahr ist alles anders. Die Fußball-WM findet im Winter (20. November bis 18. Dezember) in Katar statt. In einem Land, dem massive Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen werden.

Wolfsburg macht Rückzieher: Doch kein Public Viewing

Boykott oder Public Viewing? Das ist die große Frage, wenn für die deutsche Nationalmannschaft am 23. November mit dem ersten Gruppenspiel gegen Japan der WM-Startschuss fällt. In Wolfsburg waren die Verantwortlichen hin- und hergerissen. Die Stadt wollte zunächst Fanfest und Glühwein verbinden und die deutschen Spiele auf dem Weihnachtsmarkt öffentlich zeigen. Man wolle nicht die Fans und Sportler bestrafen. Dann aber machte die Stadt doch einen Rückzieher.

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Die aufwändigen FIFA-Regelungen für Public Viewing dürften eine Rolle spielen. Aber "auch die Hintergründe zum Ausrichterort Katar, die absolut nicht mit unseren Werten vereinbar sind", sagte Wolfsburgs Wirtschafts- und Marketing-Geschäftsführer Jens Hofschöer dem NDR.

Andere norddeutsche Städte wie Hamburg, Hannover, Rostock oder Kiel hatten sich schon frühzeitig gegen ein Public Viewing entschieden. Auch in der Hauptstadt Berlin oder in München sind aktuell keine Fanfeste mit großen Leinwänden geplant.

Gesamtgesellschaftliche Debatte nötig

In Kiel hatte die Ratsversammlung bereits Anfang 2022 beschlossen, Public-Viewing-Pläne nicht zu unterstützen. "Die Kieler Ratsversammlung schließt sich der vielfach geäußerten Kritik an, dass die Fußball-Weltmeisterschaft nicht nach Katar hätte vergeben werden sollen", heißt es in dem Beschluss vom Februar. Es sei eine gesamtgesellschaftliche Debatte nötig, welche Ansprüche an die Wahrung von Menschenrechten sowie die Achtung von demokratischen Grundregeln und Prinzipien der Nachhaltigkeit bei der Ausrichtung von internationalen Sportveranstaltungen gelten müssten.

"Wenn die WM beginnt, steht das Sportliche im Mittelpunkt. Aber wir müssen klar sein in der Positionierung, wenn es um gesellschaftliche und politische Verhältnisse in Katar geht." DFB-Präsident Bernd Neuendorf

Die Hamburger Veranstalter Bergmanngruppe, die zuletzt zur Weltmeisterschaft 2018 das Fanfest auf dem Heiligengeistfeld organisiert hatte, plant ebenfalls kein Public Viewing. "Sich im Rahmen dieser doch sehr kontroversen Winter-WM als Veranstalter zu präsentieren, kommt für uns nicht infrage", sagte eine Sprecherin.

"Es geht auch darum, ein Statement zu setzen"

Das Treffen der weltbesten Kicker in Katar hat etwas Toxisches, auch für viele Fußballfans, die sich vorgenommen haben, die WM in Katar zu boykottieren. Manch einer findet drastische Worte: "Ich finde, der WM sollte keinerlei Aufmerksamkeit gegeben werden. Jeder, der da zuschaut, hat selbst ein bisschen Blut an den Händen", sagte beispielsweise ein Anhänger dem NDR.

Bundesweit haben sich rund 100 Gaststätten dem Aufruf der Fan-Initiative "#BoycottQatar2022" angeschlossen, bei ihnen ist während der WM Sendepause. "Es geht auch darum, ein Statement zu setzen", sagt Fabian Spannhut, Wirt der Hamburger Kneipe "Grete". "Der ganze Rummel lebt davon, dass die Leute zuschauen. Dann lässt man es eben dieses Jahr einfach und sagt: 'Wir sind kurz vor der Weihnachtszeit, lass uns doch lieber am Glühweinstand treffen.'"

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"Viele merken erst jetzt, was für ein Land die WM ausrichtet"

Journalist Ronny Blaschke, der seit über 15 Jahren Sportgroßveranstaltungen beobachtet und darüber berichtet, glaubt ohnehin nicht, dass die Fanfeste gut besucht gewesen wären: "Bei vielen habe ich den Eindruck, dass sie jetzt erst merken, was für ein Land die WM ausrichtet." In seinen Augen ist der Kardinalfehler schon vor zwölf Jahren gemacht worden, als die WM 2022 in das viel kritisierte Katar vergeben wurde. "Hätte man diese Energie ein paar Jahre früher gehabt, dann hätte man diese WM vielleicht tatsächlich boykottieren können. Aber dafür ist jetzt natürlich viel zu spät", so der Buchautor.

Entfacht die DFB-Elf ein winterliches WM-Fieber?

Immerhin: Mit dem Verzicht auf Public Viewings oder Fanfeste zeigen Veranstalter Haltung. Es bleibt allerdings abzuwarten, wie standhaft Kneipen-Besitzer oder Städte und Kommunen bleiben, wenn Niclas Füllkrug und Co. in der Wüste womöglich ins Viertel- oder Halbfinale vorstoßen und ein winterliches WM-Fieber entfachen.

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