Stand: 10.06.2020 05:00 Uhr

"BeStra"-Bericht sorgt für unruhige Zeiten in Kiel

Der WhatsApp-Verkehr zieht indes weitere Kreise im Kieler Regierungsviertel und sorgt keine zwei Wochen nach dem Rücktritt von Grote für weitere Brisanz. Im Zuge der Ermittlungen gegen den Ex-Gewerkschafter Nommensen erfolgt am 6. Mai 2020 eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die Polizeibeauftragte Samiah el Samadoni. Ihr wird vorgeworfen, ihre Amtsverschwiegenheit verletzt zu haben und Inhalte eines vertraulichen Gespräches mit der Leiterin der Polizeischule Eutin Maren Freyher an den Gewerkschafter Nommensen weiter gegeben zu haben. Freyher, so wird es in der Dienstaufsichtsbeschwerde von ihr beschrieben, wurde als Zeugin in Zusammenhang mit dem Ermittlungsverfahren gegen Nommensen am 20. April 2020 mit dem WhatsApp-Verkehr zwischen dem Journalisten und Nommensen konfrontiert. In der Beschwerde heißt es: "Diesem Verlauf war zu entnehmen, dass ich Kontakt zu Frau El Samadoni hatte und diese ihm erzählt habe, dass ich als Petentin bei ihr vorstellig gewesen sei, weil ich mich durch diverse Presseartikel des Journalisten der KN geschädigt fühle. Dieser Aspekt wurde zwischen den beiden in einer Art und Weise ausgetauscht, die ich als respektlos, ehrverletztend, hämisch und beleidigend werte."

Staatsanwaltschaft: Strafantrag gegen Unbekannt eingegangen

Wie aus der Dienstaufsichtsbeschwerde vorgeht, sollen Freyher und El Samadoni am 26. Juni 2019 ein vertrauliches Gespräch geführt haben. Inhalte des Gespräches - so Freyhers Vorwurf - soll die Polizeibeauftragte an den früheren stellvertretenden Landesvorsitzenden der Deutschen Polizeigewerkschaft, Nommensen, weitergegeben haben. Die Staatsanwaltschaft bestätigte auf Anfrage von NDR Schleswig-Holstein, dass auch ein Strafantrag gegen Unbekannt in dieser Sache von Frau Freyher eingegangen sei. Es sei eine Vorprüfung eingeleitet worden.

Umstritten ist unterdessen, ob die Staatsanwaltschaft diese Chats, die bei den Ermittlungen gegen Nommensen in anderem Zusammenhang ausgewertet wurden, überhaupt in dieser Form hätte nutzen dürfen. El Samadoni lässt sich in dieser Angelegenheit nun von dem renommierten Hamburger Strafverteidiger Gerhard Strate verteidigen. Sie selbst sagte dem NDR Schleswig-Holstein, sie wolle sich mit Blick auf die aktuellen Ermittlungen nicht äußern.

 Ärger über Indiskretionen im Kieler Regierungsviertel

Im Kieler Regierungsviertel sorgt unterdessen auch die Tatsache für Ärger, dass die Dienstaufsichtsbeschwerde, die an den Landtagspräsidenten Klaus Schlie (CDU) gerichtet und den Mitgliedern des Ältestenrates ebenfalls zugeleitet worden war, offenbar gezielt an Medien weitergereicht wurde. Fraktionsübergreifend wurde es verurteilt, dass derartige Interna an die Öffentlichkeit gelangen konnten. Landtagspräsident Schlie hat Anzeige gegen Unbekannt wegen der Weitergabe vertraulicher landtagsinterner Dokumente erstattet.

Für die Opposition im schleswig-holsteinischen Landtag sind der Grote-Rücktritt und der an die Öffentlichkeit geratene "BeStra"-Bericht ein gefundenes Fressen. Oppositionsführer Ralf Stegner von der SPD spricht öffentlich von einer "ruppigen Kabinettsumbildung" und von einem "Dunkelfeld zwischen Staatskanzlei, Kabinett, CDU, Medien und der Staatsanwaltschaft Kiel", welches es aufzuklären gelte.

Ex-Gewerkschafter äußert sich öffentlich kritisch über mögliche Ermittlungsfehler

Seines Erachtens liegen die Gründe für den Grote-Rücktritt unter anderem auch in dessen Reformkurs bei der Landespolizei. Sowohl Grote als auch Nommensen und der "KN"-Journalist befürworteten diesen. Ex-Ressortchef Grote löste nur wenige Monate nach Amtsantritt Ende 2017 die Polizeispitze im Land ab - zuvor hatte es immer wieder Kritik an deren Führungsstil gegeben. Ex-Gewerkschafter Nommensen hatte sich mehrfach öffentlich kritisch über mögliche Ermittlungsfehler in der sogenannten Rockeraffäre geäußert, zu der zurzeit ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss (PUA) im Landtag läuft. Der "KN"-Journalist hatte wiederholt kritisch über die Landespolizei berichtet.

"Schleswig-Holstein muss langsam wirklich aufpassen, nicht wieder zu einem politischen Sumpfgebiet wie in den Achtzigern und auch Neunzigern zu werden." FDP-Fraktionschef Christopher Vogt

Auch innerhalb der Jamaika-Koalition gibt es kritische Stimmen zu den Vorgängen im Kieler Regierungsviertel. Der Abgeordnete der Grünen, Burkhardt Peters, warnte vor einer Politisierung der Strafverfolgung. Der FDP-Fraktionschef Christopher Vogt schrieb in einer Mitteilung am 12. Mai 2020 angesichts der Dienstaufsichtsbeschwerde gegen El Samadoni, das sei erneut ein sehr "unschöner Vorgang", der aufgeklärt werden müsse. Es gelte auch hier die Unschuldsvermutung. Und Vogt fügte hinzu: "Schleswig-Holstein muss langsam wirklich aufpassen, nicht wieder zu einem politischen Sumpfgebiet wie in den Achtzigern und auch Neunzigern zu werden."

Um ein besseres Bild über die Abläufe zu bekommen, haben die Vertreter des Innen- und Rechtsausschusses im Schleswig-Holsteinischen Landtag Akteneinsicht beantragt. Das Kabinett hat diese am Dienstag (9.6.2020) freigegeben.

Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Welle Nord | Nachrichten für Schleswig-Holstein | 09.06.2020 | 18:00 Uhr

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