Schleswig-Holstein stoppt Abschiebungen aus Kliniken

Stand: 10.08.2023 17:11 Uhr

In Schleswig-Holstein werden keine Menschen mehr abgeschoben, wenn sie stationär in einer Klinik unterbracht worden sind. Das hat Sozialministerin Aminata Touré entschieden.

Der sogenannte Rückführungserlass, der die Abschiebung illegaler Einwanderer oder abgelehnter Asylbewerber regelt, wurde angepasst und trat am Donnerstag in Kraft. Anlass ist ein Fall aus dem Kreis Segeberg. Eine Frau aus Tunesien wurde mitten in der Nacht aus einer psychiatrischen Klinik in Rickling geholt und nach Schweden abgeschoben, weil die dortigen Behörden für sie zuständig sind. Die Frau wurde in Rickling behandelt, nachdem sie versucht hatte, sich das Leben zu nehmen. Der Vorfall hatte viel Kritik ausgelöst. Der Flüchtlingsbeauftragte des Landes Schleswig-Holstein und die Flüchtlingsbeauftragte der Nordkirche hatten gefordert, Abschiebungen aus Krankenhäusern zu verbieten. Nachdem Schleswig-Holsteins Sozialministerium zunächst betont hatte, dass bei der Abschiebung rechtlich nichts schiefgelaufen sei, folgte nun die Erlassänderung - zumindest auf Landesebene.

Abschiebung lässt sich dennoch nicht vermeiden

"Das, was wir tun können - als Landesebene - ist, den Zeitpunkt zu verschieben", erklärt Sozialministerin Aminata Touré (Grüne) gegenüber NDR Schleswig-Holstein. Die Abschiebung würde dadurch zu einem späteren Zeitpunkt stattfinden. Grundsätzlich lasse sie sich aber nicht verhindern, da die Frage der Rückführung wegen der Zuständigkeit Schwedens europäisches Recht sei, so die Ministerin weiter. "Wenn man sozusagen, die grundsätzliche Rückführung verhindern möchte, dann muss man europäisches Recht ändern."

Ausnahmen weiterhin möglich

Laut Sozialministerium wird ab sofort in Abschiebungsfällen zunächst die Entlassung aus dem Krankenhaus abgewartet. Anschließend werde die Reisefähigkeit erneut durch einen Arzt festgestellt.

In Schleswig-Holstein sind laut Sozialministerium in diesem Jahr insgesamt drei Menschen direkt aus Krankenhäusern abgeschoben worden, im vergangenen Jahr ging es um einen abgelehnten Asylbewerber. Ausnahmen bei der Rückführung könne es nach wie vor geben - diese müssten aber gut begründet sein.

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Auf einem Schild einer Klinik steht: Aufnahmestation Haus 3A, Interkulturelle Psychiatrie Haus 3B © NDR Foto: NDR Screenshots

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NDR 1 Welle Nord | Nachrichten für Schleswig-Holstein | 10.08.2023 | 17:00 Uhr

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