Ignorieren oder kooperieren? Welcher Umgang mit der AfD ist richtig?

Stand: 30.06.2023 17:58 Uhr

Bei der Kommunalwahl in Schleswig-Holstein im vergangenen Mai hat die AfD deutlich Stimmen dazu gewonnen. Die Kreistage stellt das einmal mehr vor die Frage, wie sie jetzt mit den Abgeordneten umgehen sollen. Im Land gibt es unterschiedliche Wege.

von Julia Schumacher

Was gerade bundesweit diskutiert wird - die AfD aus dem politischen Alltag ausschließen oder zusammenzuarbeiten - hat der Kreistag Segeberg bereits seit fünf Jahren für sich beantwortet: Mit Julian Flak ist seit 2018 ein AfD-Abgeordneter Vorsitzender des Bauausschusses. Gerade wurde er im Amt bestätigt, nachdem die AfD im Kreis Segeberg 10,3 Prozent der Stimmen bekommen hatte.

AfD-Mann sitzt Bauausschuss vor - seit fünf Jahren

Torsten Kowitz im Interview. © NDR
Der CDU-Fraktionsvorsitzende im Kreistag Segeberg, Torsten Kowitz, sagt, man habe gute Erfahrungen mit AfD-Mann Flak als Ausschussvorsitzendem gemacht.

Von den 68 Abgeordneten im Kreistag stimmten 20 gegen Flak. Bei der CDU - der stärksten Kraft im Kreistag - waren alle bis auf eine Enthaltung für den AfD-Mann als Ausschussvorsitzenden. Als Bekenntnis für eine Zusammenarbeit will die CDU das Ergebnis aber nicht verstanden wissen: "Die CDU Segeberg hat sich nicht dazu entschlossen, mit der AfD zusammenzuarbeiten, sondern die AfD ihr Recht auf Ausschussvorsitz wahrnehmen zu lassen", sagt der CDU-Kreistagsabgeordnete Torsten Kowitz. Seit fünf Jahren hätten sie gute Erfahrungen mit dem Bauausschussvorsitzenden gemacht. "Herr Flak hat nun mal den Ausschuss souverän, neutral und fachkundig geleitet."

"Aufpassen, dass wir Gesetze nicht nur für uns auslegen"

Die AfD zu ignorieren, helfe nicht weiter, meint Kowitz: "Wir müssen ins Arbeiten kommen. Wir müssen die Krisen, die Probleme, die vorhanden sind, lösen." Und dafür habe die CDU im Kreis Segeberg von den Wählern den Auftrag erhalten. "Natürlich ist die AfD nicht das, was eine lupenreine Demokratie ausmacht. Aber wir müssen aufpassen, dass wir Gesetze nicht nur für uns auslegen, sondern für alle." Inhaltlich sei im Bauausschuss wenig Sprengstoff in den einzelnen Themen, so Kowitz. Die AfD im Segeberger Kreistag sei vor allem im ewigen Kampf gegen das Gender-Sternchen im Gedächtnis geblieben: "Ansonsten bestimmen wir als CDU die Politik, weil wir natürlich auch die einzige Fraktion sind, die in allen Gemeinden und Kommunen des Kreises vernetzt sind." Anträge der AfD sind laut Kowitz keine umgesetzt worden.

"Im Kreis Segeberg ist alles so, wie es sein sollte."

Julian Flak im Interview. © NDR
In vielen Kreistagen finde ein normales Miteinander nicht statt, kritisiert der Vorsitzende des Bauausschusses im Kreistag Segeberg, Julian Flak.

Dass andere Kreistage im Umgang mit der AfD andere Wege gehen als in Segeberg, kritisiert Bauausschuss-Vorsitzender Flak: "Es gibt viele Kreistage, viele Gemeindevertretungen, in denen ein normales Miteinander aktuell nicht stattfindet." Dadurch würden der AfD demokratische Rechte verwehrt werden. Der normale Umgang in Gemeindevertretungen und Kreistagen sei aufgekündigt. "Das ist aber in der Tat und nicht überall der Fall. Bei uns im Kreis Segeberg beispielsweise ist alles so, wie es sein sollte", so Flak.

Niederlage für AfD-Kandidaten in Stormarn

Andere Kommunen setzen auf Ablehnung - wie vor einigen Tagen im Kreis Stormarn: Bei der Wahl zum Vorsitz des Hauptausschusses kassierte der AfD-Kandidat dreimal eine Niederlage. Normalerweise werden laut Kreistagsabgeordneten im Kreis Stormarn alle Ausschussvertreter gemeinsam in einer Blockabstimmung per Handzeichen gewählt. Über den Posten des AfD-Kandidaten Arnulf Fröhlich sollte hingegen auf Antrag einzeln und geheim abgestimmt werden, denn es gibt Vorbehalte gegen ihn.

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Vergleich mit Ermächtigungsgesetz der NSDAP

In den 1990er-Jahren nahm Fröhlich an einem Kongress des mehrfach verurteilten Holocaust-Leugners David Irving teil. "Als Jugendlicher will man erst mal Informationen bekommen", sagt Fröhlich heute zu seiner Teilnahme an dem Kongress. Dass dort auch Hitlers Geburtstag gefeiert worden sein soll, will er erst hinterher mitbekommen haben. Die Wahl im Stormarner Kreistag - bei der er in allen drei Wahlgängen keine Mehrheit bekam - bewertet Fröhlich als undemokratisch. Er vergleicht sie mit dem Ermächtigungsgesetz der NSDAP.

2018 schrieb Fröhlichs damaliger AfD-Kreisverband in Herzogtum-Lauenburg, man stünde überzeugt zur Demokratie. Gegen Mitglieder, die dagegen verstoßen, würde man entschlossen vorgehen. Damals wollte der Kreisverband Arnulf Fröhlich aus der Partei ausschließen lassen.

Ablehnung oder Kooperation - beides keine guten Lösungen

Arnulf Fröhlich (AfD) gibt einen Stimmzettel ab. © NDR
Arnulf Fröhlich ist selbst in der eigenen Partei umstritten.

Wie also umgehen mit einer Partei, die zwar in Schleswig-Holstein kein Beobachtungsobjekt des Verfassungsschutzes ist, in Teilen Deutschlands aber als rechtsextrem eingestuft wird? Die Kommunen gehen ihre eigenen Wege, obwohl von den Chefs der Landesparteien eine klare Empfehlung ausgeht: In einem gemeinsamen Positionspapier schreiben CDU, Grüne, SPD, FDP und SSW, vor Abstimmungen oder Gremienbesetzungen solle stets ein gemeinsames Vorgehen besprochen und festgelegt werden. Und sie empfehlen, keine Vertreter der AfD in den Kommunen in führende Positionen zu wählen.

Blockade: Demokratieregeln missachten

Politikwissenschaftlerin Paula Diehl der Christian-Albrechts-Universität (CAU) zu Kiel, die unter anderem zu Populismus forscht, sieht in beiden Strategien Risiken für die Demokratie. So könnte man bei einer Blockadehaltung zu Recht kritisieren, dass demokratischen Regeln nicht beachtet werden. "Bei der Strategie der Blockade kann man vorwerfen, man isoliert mit Methoden, die eigentlich nicht angewendet werden sollten."

Kooperation: Bühne für die AfD

Die andere Strategie - also mit der AfD zu kooperieren - sei allerdings auch problematisch, sagt Diehl: Man gebe der AfD dadurch eine Bühne, die eben nicht nur eine lokale, sondern auch eine bundespolitische Rolle spiele. "Selbst wenn ich es mit einem Akteur zu tun habe, der sich nicht antidemokratisch verhält, verweist er auf eine andere Ebene, bei der die Partei an sich antidemokratische Position vertritt." Bekommen diese viel Raum, normalisiere man diese Personen und die Partei.

Das, was der Kreistag Segeberg entschieden hat, stärkt also die Bundespartei der AfD. Den Vorsitz wie in Stormarn zu verwehren, hinterlässt aus demokratischer Sicht einen schalen Beigeschmack. "Das ist jetzt natürlich ein Dilemma. Es gibt Pro und Contra, und keine der beiden Lösung ist eine sehr gute", so die Politikwissenschaftlerin.

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Dieses Thema im Programm:

Schleswig-Holstein Magazin | 09.06.2023 | 19:30 Uhr

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