Der Tankrabatt und die Ölkonzerne: Was kann das Kartellrecht leisten?
Weil der Tankrabatt nicht ausreichend bei den Verbrauchern ankommt, erwägt Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) eine Verschärfung des Kartellrechts. Ein Kieler Jurist ist skeptisch, ob das der richtige Weg ist.
Trotz des Tankrabatts ist der Sprit vielerorts nicht viel günstiger geworden als noch vor einigen Wochen, jedenfalls nicht im vollen Umfang der Steuersenkung auf Kraftstoffe. Da liegt der Verdacht nahe: Die Mineralölkonzerne geben die Steuerersparnis nicht weiter, wirtschaften in die eigene Tasche.
Um das künftig besser überprüfen und gegebenenfalls bestrafen zu können, stellte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) am Sonntag eine mögliche Verschärfung des Kartellrechts in den Raum.
Preisabsprachen nicht nachweisbar
Doch warum kann nicht bereits jetzt rechtlich eingegriffen werden? Nach der aktuellen Gesetzeslage gibt es derzeit zwei große Verbote im Kartellrecht, erklärt Joachim Jickeli, Jurist und Professor an der Christian-Albrechts-Universität (CAU) in Kiel:
- Zum einen dürfen Unternehmen ihre Preise nicht untereinander abstimmen. Die Preise ohne gegenseitige Absprache an den Markt anzupassen, ist aber erlaubt. Demnach sei es nahezu unmöglich, nachzuweisen, dass es illegale Preisabsprachen gegeben hat, so Jickeli. "Das Problem ist auch, dass die Beweislast beim Staat oder bei den geschädigten Verbrauchern liegt."
- Das zweite Verbot besagt, das Unternehmen eine Vormachtstellung am Markt nicht ausnutzen dürfen, um zum Beispiel Preise vorzugeben. Im Bereich der Kraftstoffe und Tankstellen gibt es in Deutschland laut Jickeli aber keinen Anbieter, der allein den Markt bestimmt.
Kein Verstoß, keine Strafe
Wäre den Mineralölkonzernen tatsächlich ein Verstoß gegen eines der beiden Verbote nachweisbar, wäre es laut dem Juristen durchaus möglich, dass der Tankrabatt sozusagen von den Unternehmen zurückgeholt werden könnte. Aktuell ist das aber nahezu ausgeschlossen: "Wir scheitern schon am Tatbestand, deshalb stellt sich im Moment gar nicht die Frage nach möglichen Rechtsfolgen", sagt der CAU-Experte.
Mit einer möglichen Verschärfung des Kartellrechts könnte das in Zukunft anders aussehen. Denkbar ist etwa, dass das Kartellamt mehr Rechte bei der Missbrauchsaufsicht bekommt oder dass die Beweispflicht für illegale Preisabsprachen entfällt. In letzter Konsequenz droht Habeck mit der Zerschlagung von Unternehmen.
Jickeli: Zerschlagung nicht die Lösung
Es sei noch unklar, wie die Veränderungen des Kartellrechts genau aussehen könnte, betont Jickeli. Dennoch hält er insbesondere die Drohung einer Zerschlagung von Unternehmen für "sehr diskutabel". Es sei fraglich, ob kleinteilige Strukturen nicht für höhere Preise sorgen. Auch hätten bisherige Versuche, über das Kartellrecht die Spritpreise zu senken, nicht zum erhofften Effekt geführt.
Hätte der Tankrabatt dann von Anfang an anders gestaltet werden können? Ja, meint Jickeli, aber es sei völlig unklar, welche anderen Probleme sich dann ergeben hätten - wie zum Beispiel ein hoher bürokratischer Aufwand.
Tankrabatt als politischer Kompromiss
Christian Martin, Politikwissenschaftler und ebenfalls an der CAU, sieht die Entscheidung zum Tankrabatt als "klassischen Kompromiss in einer Koalition". Die Grünen hätten das Neun-Euro-Ticket gewollt, die FDP den Tankrabatt. Der Streit darum sei noch nicht ausgestanden, meint Martin, besonders nachdem Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) kürzlich angekündigt hatte, dass es keine Verlängerung für das Neun-Euro-Ticket geben werde. "Ich kann mir vorstellen, dass es da noch Diskussionen gibt, nach dem Motto: ‚Lasst uns beim Tankrabatt in Ruhe, dann können wir nochmal über das Neun-Euro-Ticket reden‘", sagt Martin.
Buchholz: Grundsätzlich nicht falsch, aber schwer umsetzbar
Schleswig-Holsteins Wirtschaftsminister Buchholz (FDP) sagte am Montag, dass der Tankrabatt ursprünglich gar keine Steuersenkung sein sollte. Unter anderem wegen des bürokratischen Aufwands habe man sich gegen eine andere Lösung entschieden. Zu einem Teil seien die Steuerersparnisse durchaus an die Verbraucher weitergegeben worden, so seien die Spritpreise vor Pfingsten zunächst gesunken. Der neuerliche Anstieg hänge unter anderem mit den Rohölpreisen zusammen. Er könne den Unmut der Bevölkerung verstehen, sagte Buchholz: "Grundsätzlich finde ich es nicht ganz falsch, dass das Kartellamt da draufschaut und guckt, was es für Möglichkeiten gibt." Es sei aber rechtlich schwer umzusetzen, etwa die Beweispflicht für einen Missbrauch abzuschaffen.