Corona: Experten trotz Infektionswelle in Schleswig-Holstein unbesorgt
Die Zahl der Corona-Infektionen in Schleswig-Holstein ist zuletzt wieder deutlich gestiegen. Experten sehen das jedoch als unproblematisch an. Sie betonen, dass man anstatt auf Infektionsraten besser auf die im Vergleich zu den Vorjahren niedrige Anzahl schwerer Erkrankungen und Todesfälle schauen solle.
Allein am Dienstag wurden in Schleswig-Holstein rund 4.000 neue Corona-Fälle gemeldet und auch die Anzahl an Menschen, die mit einer Corona-Infektion im Krankenhaus behandelt werden, steigt. Die Hospitalisierungsrate verdoppelte sich innerhalb einer Woche von 7,15 auf 14,03. Infektiologen der Universität Kiel sind dennoch unbesorgt.
Schwere Erkrankungen und Todesfälle nur noch selten
Prof. Dr. Helmut Fickenscher vom Institut für Infektionsmedizin der Universität Kiel empfindet die Lage als recht entspannt und unproblematisch: "Es handelt sich momentan sicher um eine Welle", sagt der Infektiologe. Doch es sei in einer Übergangsphase von Pandemie zu Endemie normal, dass es Phasen mit geringeren und höheren Inzidenzen gäbe, erklärt er. Anstatt nach den Fallzahlen zu schauen, solle das Augenmerk auf den schweren Erkrankungen und Todesfällen liegen, die momentan trotz der höheren Anzahl nur "mäßiggradig erhöht" seien, wie er sagt. Aus diesem Grund sei es auch kein Grund zur Sorge, dass es mutmaßlich eine hohe Dunkelziffer von Corona-Erkrankten gibt, die aufgrund fehlender PCR-Testungen nicht in die Statistik zählten.
Hohe Impfquoten und viele Genesene sorgen für gute Infektionslage
Fickenschers Kollege, Infektiologe Dr. Stephan Ott, sieht das ähnlich: "Für mich als Infektiologe sind die Infektionen auch gar nicht so entscheidend. Ob das nun zehn Prozent der erfassten Infektionen sind oder mehr. Wichtig ist tatsächlich, dass wir gucken: Wie ist die Anzahl der schweren Verläufe? Wie ist die Todesrate? Wie sieht es in den Kliniken aus?" Aktuell befinden sich mehr als 700 Menschen mit einer Corona-Infektion im Krankenhaus. Das Gesundheitsministerium Schleswig-Holstein erklärt aber, dass viele Krankheitsverläufe relativ mild seien und viele Infektionen mit wenig oder gar keinen Symptomen einhergingen. Das liege auch an den hohen Impfquoten und den fast 1.000.000 Genesenen im Land. Die Maßnahmen zu verschärfen, sei aktuell nicht geplant.
Maskenpflicht sinnvoll?
Das Gesundheitsministerium weist weiterhin auf die empfohlenen Impfungen sowie Vorsichts- und Hygienemaßnahmen hin. Eine davon ist das Tragen einer Maske. Stephan Ott denkt, dass wahrscheinlich bald wieder über die Wiedereinführung der Maskenpflicht in bestimmten Bereichen des öffentlichen Lebens diskutiert wird. Er selbst schätzt die Maskenpflicht als sanfte und somit vertretbare Maßnahme ein. Helmut Fickenscher sieht das anders: "Ich denke, es ist eine gute Möglichkeit in Erkältungszeiten, wenn man sich eng mit vielen anderen Personen zusammen aufhält, eine Maske zu tragen, wie es zum Beispiel in Südostasien schon lange üblich ist." Dennoch betont er: "Das kann jeder machen, wie er oder sie will. Strikte Vorschriften finde ich nicht mehr verhältnismäßig."
Schnupfenplan soll nach Herbstferien enden
Das Bildungsministerium kündigte derweil am Mittwoch an, dass der sogenannte Schnupfenplan für Kitas und Schulen in Schleswig-Holstein nach den Herbstferien nicht weitergeführt werden soll. Die Richtlinie hatte Eltern bisher Hinweise gegeben, bei welchen Symptomen ihr Kind zu Hause bleiben muss. Jetzt sei der Plan nicht mehr mit dem neuen Infektionsschutzgesetz vereinbar, so eine Sprecherin des Ministeriums. Die Eltern seien - wie vor der Corona-Pandemie - selbst verantwortlich zu entscheiden, ob und wann ihr Kind in die Schule oder in den Kindergarten geht.
Positiver Blick in die Zukunft
Die Bedrohung durch Corona sei nicht mehr so groß wie in den vergangenen Jahren, meint Infektiologe Fickenscher. Dabei bezieht er sich auf die Todesraten: Im Jahr 2020 seien knapp 3 Prozent der Infizierten in Schleswig-Holstein an Covid-19 verstorben, im Jahre 2022 nur noch 0,05 Prozent. Deshalb könne man jetzt damit "ganz gut leben", sagt der Mediziner. In die Zukunft blickt er optimistisch: "Wenn diese Endemie in der Bevölkerung weiter so aktiv ist, heißt es ja, dass wir alle immer wieder mal so eine Infektion durchmachen, häufig wahrscheinlich ganz ohne Symptome. Ein leichtes Jucken in der Nase oder drei Mal husten müssen - über diesen Weg wird unser Immunsystem immer wieder aktiviert", so Fickenscher. "So schaffen wir es dann, diese Coronaviren in den Griff zu kriegen, wie wir es ja auch mit den anderen Atemwegserregern schaffen."