Tödliche Schüsse in Oldenburg: Wann darf die Polizei schießen?
Der 21-jährige Lorenz A. ist in Oldenburg bei einem Polizeieinsatz erschossen worden. Nun laufen die Ermittlungen. Doch wann dürfen Polizistinnen und Polizisten überhaupt auf Menschen schießen?
Regeln hierzu gibt es unter anderem im Niedersächsischen Polizei- und Ordnungsbehördengesetz. Geregelt ist der Schusswaffengebrauch gegen Menschen in Paragraph 77. Darin werden mehrere Fälle erfasst, in denen es den Beamtinnen und Beamten erlaubt ist, ihre Dienstwaffe gegen Menschen einzusetzen.
In diesen Fällen darf die Polizei schießen
- Einer dieser Fälle: Besteht die Gefahr, dass jemand mindestens schwer oder auch tödlich verletzt wird, darf diese Gefahr durch den Schusswaffengebrauch abgewendet werden.
- Erlaubt ist der Gebrauch der Dienstwaffe laut dem Paragraphen weiterhin, wenn jemand dabei ist, eine Straftat zu verüben, bei der Schusswaffen oder Sprengstoff zum Einsatz kommen.
- Flieht jemand vor der Polizei, um etwa einer Festnahme zu entkommen, und wird zugleich "dringend verdächtigt", ein Verbrechen begangen zu haben, darf die Dienstwaffe ebenfalls abgefeuert werden.
- Als gerechtfertigt gilt der Dienstwaffengebrauch zudem, wenn dadurch die gewaltsame Befreiung einer Person aus amtlichem Gewahrsam verhindert wird.
Schüsse in Oldenburg: Zuvor Reizgas versprüht?

In der Nacht zu Ostersonntag hatten den 21-jährigen Lorenz A. mehrere Schüsse in den Rücken getroffen. Der junge Mann soll zuvor vor der Diskothek "Pablo's" Reizgas versprüht und so mehrere Menschen leicht verletzt haben. Anschließend sei er geflüchtet und von mehreren Personen verfolgt worden, so die Angaben der Polizei. Die Verfolger ließen demnach von ihm ab, als er sie mit einem Messer bedrohte. Schließlich soll sich Lorenz A. Polizisten genähert und Pfefferspray versprüht haben. Dann habe ein Polizist auf den 21-Jährigen geschossen, der kurz darauf im Krankenhaus verstarb. Gegen den 27 Jahre alte Polizisten wird nun wegen des Verdachts des Totschlags ermittelt.
Kriminologe: Pfefferspray allein rechtfertigt Schüsse nicht
Kriminologe Michael Jasch, der an der Hochschule für Polizei in Nordrhein-Westfalen lehrt, stellt im Gespräch mit dem NDR klar: Der polizeiliche Gebrauch der Schusswaffe sei "das letzte Mittel", das zum Schutz vor Gefahren diene. Pfefferspray allein rechtfertige den Einsatz nicht - egal aus welcher Richtung geschossen werde.
Zwei Menschen 2024 durch Polizeischüsse gestorben
Tödliche Polizeischüsse wie bei dem Einsatz in Oldenburg gibt es in Niedersachsen selten. "Das ist nicht an der Tagesordnung", sagte ein Sprecher des Innenministeriums. Im vergangenen Jahr habe es mehr als 1,5 Millionen Polizeieinsätze gegeben, bei fünf davon hätten die Polizisten ihre Dienstwaffen gegen Menschen eingesetzt. Zwei der Schusswaffeneinsätze endeten laut Innenministerium tödlich. Ende März 2024 wurde demnach ein mit einem Messer bewaffneter 46-Jähriger in Nienburg/Weser durch Schüsse von Polizisten tödlich verletzt. Im Dezember vergangenen Jahres starb ein 35 Jahre alter Mann in Göttingen durch Schüsse aus einer Dienstwaffe, nachdem er einen Polizisten mit einem Messer angegriffen hatte.
Rassismusvorwürfe in sozialen Medien
Insbesondere in den sozialen Netzwerken fordern Menschen nun Gerechtigkeit für den Schwarzen 21-Jährigen und lückenlose Aufklärung des Falls. Dabei geht es auch um Rassismusvorwürfe gegen die Polizei. Für Freitagabend ist eine Demonstration auf dem Pferdemarkt in Oldenburg geplant.
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