Rotes Backsteingebäude - Landesverfassungsgericht © gemeinfrei

Urteil zum Corona-Schutzfonds: Jubelt der Finanzminister zu früh?

Stand: 28.11.2022 14:21 Uhr

Doch kein Erfolg für die Landesregierung? Finanzminister Heiko Geue und seine SPD-Fraktion haben das jüngste Urteil des Landesverfassungsgerichts zum Corona-Schutzfonds als Erfolg gefeiert. Kritiker wie der Rechnungshof gießen Wasser in den Wein.

"Organklage gegen das Sondervermögen MV Schutzfonds überwiegend zurückgewiesen" - so hatte das Landesverfassungsgericht in Greifswald am vergangenen Donnerstag seine Pressemitteilung zur gerade gefällten Entscheidung überschrieben. Die Schlagzeile passte dann aber nicht ganz zum Text. Denn die Greifswalder Richter entschieden, dass die klagenden AfD-Abgeordneten in ihren Rechten verletzt wurden. Die Landesregierung hätte sie - und damit auch den übrigen Landtag - beim Corona-Schutzfonds stärker beteiligen müssen. So hätte es nicht ausgereicht, lediglich den Finanzausschuss über die Frage entscheiden zu lassen, wofür das Geld ausgegeben wird - das sei Sache des gesamten Landtags.

Landesregierung hat Verfahren korrigiert

Ähnlich hatte das Gericht schon beim umstrittenen Strategiefonds entschieden. Und wie seinerzeit hatte die Landesregierung das Verfahren korrigiert - schon vor dem jetzt ergangenen Spruch aus Greifswald. Mittlerweile ist das ganze Parlament beteiligt, wenn es um das Geld aus dem knapp drei Milliarden Euro schweren Schutzfonds geht. Der ist komplett über Schulden finanziert.

Finanzminister Geue: "Überwiegend zurückgewiesen"

In ihrer Reaktion auf das Urteil hat sich die Landesregierung offenbar von der Überschrift des Landesverfassungsgericht blenden lassen. Finanzminister Heiko Geue (SPD) fand die Schlagzeile offenbar so treffend, dass er sie nahezu wortwörtlich auch als Überschrift für seine Pressemitteilung wählte. Geue jubelte, das Verfassungsgericht habe die Vorwürfe der AfD "überwiegend zurückgewiesen." Dem NDR sagte der oberste Kassenwart des Landes: "Es lag kein Verstoß gegen die Schuldenbremse vor, insbesondere ist nicht richtig, dass der MV-Schutzfonds zu groß gewesen wäre oder dass es teilweise keinen Zusammenhang zwischen der Pandemie und den gewählten Maßnahmen gegeben hat."

Der SPD-Finanzexperte Tilo Gundlack ging noch einen Schritt weiter. In dem Urteil des Verfassungsgerichts sah der Vorsitzende des Finanzausschusses eine Art TÜV-Siegel für den Schutzfonds: "Nun hat das Landesverfassungsgericht bestätigt. Der MV-Schutzfonds ist nicht verfassungswidrig."

Landesrechnungshof: "Eigenwillige" Auslegung des Urteils

Gundlack und Geue lösten mit ihren ziemlich freihändigen Interpretationen Erstaunen aus. Die Präsidentin des Landesrechnungshofs, Martina Johannsen, nennt die Auslegung des Finanzministers "sehr interessant und eigenwillig" - und sie widerspricht den Aussagen der Landesregierung: "Mitnichten kann man aus dem Urteil den Schluss schließen, dass der MV-Schutzfonds in keiner Weise kritikwürdig ist, dass er in dieser Höhe notwendig war, denn das war gar nicht Gegenstand des Verfahrens."

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Landesverfassungsgericht: Corona-Schutzfonds hat Abgeordnetenrechte verletzt

Die AfD-Landtagsfraktion hatte unter anderem gegen den Corona-Schutzfonds des Landes aus dem Dezember 2020 Klage eingereicht. mehr

Denn in dem Verfahren vor dem Verfassungsgericht - so Johannsen - sei es nicht um eine Normenkontrolle gegangen. In diesen Verfahren können Abgeordnete des Landtags vor dem obersten Gericht prüfen lassen, ob Landesgesetze der Verfassung widersprechen. Einer solchen Normenkontrollklage müssen sich aber mindestens ein Drittel der Abgeordneten anschließen - dieses Quorum bringt die AfD-Fraktion nicht zusammen.

"Es ging um die Rechte von Abgeordneten und Fraktionen"

Deshalb konnte die AfD-Fraktion nur eine Organklage einreichen - hier geht es um die Frage, ob Abgeordnetenrechte verletzt wurden. Das Gericht prüft die Formalien, aber nicht die Inhalte. Darauf verweist auch Johannsen: "Bei dem Organstreitverfahren ging es um die Rechte von Abgeordneten und Fraktionen, aber nicht um die Frage, ob der MV Schutzfonds in dieser Höhe und mit diesen Maßnahmen rechtmäßig gewesen ist."

AfD verärgert über SPD-Aussagen

Auch die AfD-Fraktion ärgert sich über die Aussagen des Finanzministers und der SPD-Fraktion. Der Abgeordnete Horst Förster nannte sie "schlicht falsch". Das Gericht habe lediglich entschieden, dass die Frage der Verfassungsmäßigkeit "in der vorliegenden Klageart nicht zur Entscheidung gestellt werden konnte". Das ist aus der Pressemitteilung des Gerichts zu dem Fall auch ziemlich klar formuliert. Mit Blick auf die allgemeine Kritik der AfD am Schutzfonds heißt es: "Diese Einwendungen sind im Organstreitverfahren unzulässig, weil die Verletzung der Abgeordnetenrechte nicht erkennbar ist."

Landesrechnungshof: Corona-Schutzfonds zu aufgeblasen

Rechnungshofpräsidentin Johannsen bedauert unterdessen, dass die Landesregierung "den Menschen suggeriert, eigentlich ist das alles in Ordnung, was wir gemacht haben." Ist es aber nicht, meint der Rechnungshof. Der Fonds sei viel zu aufgeblasen und das Geld werde für Dinge ausgegeben, die mit der Pandemie nichts zu tun hätten - nur darüber hätten die Richter eben nicht entschieden.

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Rotes Backsteingebäude - Landesverfassungsgericht, Oberverwaltungsgericht und Verwaltungsgericht Greifswald. © dpa-Zentralbild Foto: Stefan Sauer

Verhandlungsbeginn: AfD-Fraktion verklagt Landesregierung

Die AfD-Landtagsfraktion hatten gegen die Aufstockung des MV-Schutzfonds zur Bewältigung der Corona-Folgen geklagt. mehr

Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Radio MV | Nachrichten aus Mecklenburg-Vorpommern | 28.11.2022 | 12:00 Uhr

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