Reist Schwesig nun doch nach Polen?
Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) wird möglicherweise Anfang September ihren lange geplanten Besuch in Polen nachholen. Die Staatskanzlei setzt darauf, dass Schwesig im Umfeld des 85. Jahrestags des deutschen Überfalls eine Einladung des EU-Partners bekommt.
Bundesrat am vergangenen Freitag: Die ostdeutschen Länder bringen gemeinsam mit Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen einen Antrag ein, der die deutsch-polnischen Begegnungen fördern soll. Die Regierungschefs der Ost-Länder würdigen Polens Leistungen beim demokratischen Umbruch und die Verdienste des Nachbarlandes für ein gemeinsames Europa. Von einem "Wunder der Normalität" ist die Rede, Bundesratspräsidentin Manuela Schwesig (SPD) sagte in ihrer Rede: "Wir schauen weniger auf das, was uns trennt und mehr auf das, was uns verbindet."
Lobende Worte, aber keine offizielle Einladung
Oben auf der Ehrentribüne schauen Vertreter aus Polen zu, sie gehören zur deutsch-polnischen Freundschaftsgruppe des Bundesrats und des polnischen Senats. Schwesig hat sie kurz zuvor begrüßt. In den anschließenden Beratungen ist viel von den guten Beziehungen beider Länder die Rede. Doch trotz des gegenseitigen Schulterklopfens fehlt eines, auf das in Schwerin so gesetzt wird: eine Erneuerung der offiziellen Einladung an Schwesig für einen Besuch im Nachbarland. Diese Visite hängt auch zur Halbzeit ihres Vorsitzes in der Länderkammer weiter in der Schwebe.
Geplanter Besuch kam nicht zustande
Dabei war Schwesig lange sehr sicher: Im Dezember 2023 ließ ihre Staatskanzlei verkünden, dass sie ihre erste Reise als Bundesratspräsidentin im Februar nach Polen antreten werde. Es gehe auch darum, die guten Wirtschaftsbeziehungen zwischen Mecklenburg-Vorpommern und dem Land auszubauen, hieß es. Offenbar erfolgte diese Ankündigung vorschnell. Die Polen ließen Schwesig schon Mitte Januar wissen, dass ein Besuch vorerst nicht stattfinden könne. Der Bundesrat teilte dazu mit: "Die für Februar geplante Reise nach Polen ist aufgrund der dortigen innenpolitischen Situation zu diesem Zeitpunkt nicht realisierbar. Der Bundesrat und der Senat in Polen sind über das weitere Vorgehen im Gespräch."
Deutsch-polnische Freundschaft nur ein Lippenbekenntnis?
Die Landtagsopposition hält Schwesigs Aussagen zur deutsch-polnischen Freundschaft eher für Lippenbekenntnisse. In einer Debatte zur neuen Ostseestrategie des Landes forderten die Grünen jüngst eine Entschuldigung Schwesigs in Richtung Polen, nur so lasse sich verlorenes Vertrauen zurückgewinnen. CDU-Fraktionschef Daniel Peters meint, es sei Schwesigs "Unbelehrbarkeit, die einem besseren Verhältnis zu Polen im Wege steht". Schwesig sollte damit anfangen, die polnische Sicht der Dinge endlich ernst zu nehmen und zu respektieren. Bisher blicke die Staatskanzlei öffentlich auf Polen noch immer herab und halte das Land offenbar für einen unberechenbaren, politisch fragwürdigen Bittsteller.
PIS-Partei ist auf Schwesig nicht gut zu sprechen
Auch ein Vierteljahr später gibt es noch keine Lösung. Schwesig gilt in Warschau wegen ihrer langen Nähe zu Russland und ihrer Rolle als Verfechterin des von Polen abgelehnten Pipeline-Projekts Nord Stream 2 als rotes Tuch, vor allem bei der mittlerweile in der Opposition agierenden nationalistischen PIS-Partei. Die machte Stimmung gegen einen offiziellen Besuch der SPD-Politikerin in Warschau. Hinter den Kulissen wird weiter über eine Visite beraten - das neue polnische Regierungsbündnis gilt in der Frage als konzilianter.
Einladung zum 1. September gut möglich
In Schwerin wird jetzt auf den 1. September geblickt. Dann jährt sich der deutsche Überfall auf Polen, der den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs markiert, zum 85. Mal. In Polen sind Gedenkfeiern geplant. Schwesig als eine der protokollarisch höchsten Repräsentanten Deutschlands dürfte zu den Kandidatinnen gehören, die es auf die Einladungslisten schaffen könnten. Die Ministerpräsidentin war schon zum Jahrestag des Kriegsendes in Frankreich, sie legte am 8. Mai in Paris einen Kranz am Grab des unbekannten Soldaten nieder.
Reise nach Brasilien fest geplant
Auf Anfrage teilte die Staatskanzlei mit, dass es in der Frage "Polen-Besuch" keine neue Entwicklung gebe. Die Zeit wird allerdings knapp. Fest steht bisher nur, dass Schwesig in der zweiten Septemberwoche zur "großen Auslandsreise" nach Brasilien aufbrechen wird. Die Visite in dem südamerikanischen Land, das ihr Staatskanzleichef Patrick Dahlemann (SPD) schon Anfang 2023 bereist hatte, endet am 18. September. Eine Woche darauf trifft sich der Landtag zu seiner ersten Sitzung nach der Sommerpause. Dann schon folgen die Feiern zum Tag der Deutschen Einheit in Schwerin am 3. Oktober. Der Termin gilt traditionell als Höhepunkt einer Bundesratspräsidentschaft, die kurz danach endet. Schwesig könnte in den Alltag einer Ministerpräsidentin zurückkehren, ohne im Nachbarland empfangen worden zu sein.