Frauenhände mit Kreditkarte am Laptop © Ivan Kruk/fotolia Foto: Ivan Kruk

"Love-Scamming" ohne Liebe: Wie ein Opfer aus MV den Betrug erlebt

Stand: 15.02.2024 12:28 Uhr

Eine Frau aus Vorpommern hat durch einen Internet-Betrug 100.000 Euro verloren. Wie es trotz aller Vorsicht dazu kommen konnte, beschreibt sie im Interview mit NDR 1 Radio MV.

Der erste Kontakt liegt gut ein Jahr zurück. Damals erreichte die Frau aus dem Kreis Vorpommern-Greifswald eine Nachricht eines Amerikaners über das berufliche Netzwerk LinkedIn. Er war an ihrem Berufsleben interessiert. Die beiden schrieben sich über einen längeren Zeitraum und bauten eine freundliche Beziehung auf. Der Mann gab vor, im Kakaohandel tätig zu sein. Er schrieb ihr von Geschäftsreisen, schickte Bilder aus Dubai, Großbritannien und Afrika.

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Um finanzielle Hilfe gebeten

Auf einer dieser Reisen kam es dann vermeintlich zu Problemen. Der Mann gab vor, dringende Überweisungen nicht mehr vornehmen zu können, erinnert sich die Frau, die anonym bleiben möchte, im Rückblick. Er bat sie um finanzielle Hilfe. 7.000 Euro wären nötig, um wichtige Geschäftsabläufe nicht zu behindern. Die 59-Jährige, dem Mann inzwischen freundschaftlich verbunden, ließ ihm das Geld zukommen. Es sollte eine rasche Rückzahlung geben, so das Versprechen.

Probleme mit der Bank vorgetäuscht

Dann aber traten seinem Erzählen nach weitere Schwierigkeiten mit der Bank auf. Auf den Rat der Frau hin, doch erst einmal in die USA zurückzukehren, um diese Probleme zu lösen, gab er vor, vor Ort bleiben zu müssen. Er sei in einer aussichtslosen Lage, könne ihr das Geld nicht zurückzahlen und sich kein Flugticket kaufen, weil der Zugang zum Bankkonto fehle. Um den zurückzubekommen, müsse er aber persönlich bei seiner Bank erscheinen. Dazu bräuchte er noch einmal finanzielle Unterstützung von ihr.

Realistisch wirkende Dokumente zur Sicherheit

Dafür wollte die Frau aber Sicherheiten. Sie bekam Fotos seines angeblichen Bankkontos in den USA, abfotografiert von einem Laptop. Ein aktives Onlinebanking war zu sehen, andere Kontakte waren geöffnet. Auf die Frau machten die Fotos einen realistischen Eindruck. 5,5 Millionen US-Dollar sollte das Geschäftskonto, nach dem Bild zu urteilen, schwer sein. "Alles stimmte mit seinen Erzählungen überein", erinnert sich die 59-Jährige. Auf sie wirkte es glaubhaft.

Frau hat keinen Grund zu zweifeln

Trotzdem verlangte die Frau mehr Sicherheiten und bekam eine Kopie seines amerikanischen Reisepasses geschickt. Die Unterschrift sei krakelig gewesen, aber alle Informationen waren ihrer Ansicht nach korrekt. Der Vergleich mit anderen US-Pässen im Internet ließ ihn zudem echt aussehen. Die detaillierten Erzählungen des Mannes über seine ersten Lebensjahre in Hamburg und die spätere Auswanderung der Familie nach Amerika stimmten mit den Dokumenten überein. "Auch seinen deutschen Pass und die Sozialversicherungsnummer schickte er mir." Für die Frau gab es keinen Grund, zu zweifeln.

"Mit Liebe hatte das alles nichts zu tun"

Außerdem machte der Mann Druck mit den bereits gezahlten 7.000 Euro. Wenn sie ihm jetzt nicht nochmal helfe, bekomme sie auch das Geld nicht zurück, hieß es damals. Die Frau sagt von der Situation heute selbst, sie sei total genervt gewesen, habe aber auch keinen Ausweg gesehen. Sie bezeichnet es im Rückblick als perfide psychologische Masche, die sie so weit gebracht habe, dem Unbekannten schlussendlich 100.000 Euro zu überwiesen. "Mit Liebe hatte das alles nichts zu tun", so die Frau.

Recherche in "Love-Scamming"-Foren

Nach ersten Zweifeln stieß sie dann bei Recherchen in "Love-Scamming"-Foren auf Reisepässe mit zwar anderen Namen, aber der ihr bekannten, krakeligen Unterschrift. Außerdem tauchten Bilder, die der Mann ihr geschickt hatte, in anderen Zusammenhängen auf. Dadurch wurde ihr klar, die vermeintliche Identität des Mannes, seine Erzählungen, alles war geklaut - und das gesamte Vorgehen hochprofessionell. Die 59-Jährige brachte den Fall zur Anzeige.

Kontakt abbrechen, wenn es um Geld geht

Ob die Frau aus Vorpommern das Geld jemals wiedersieht, ist fraglich. Das weiß sie selbst, hofft aber trotzdem auf die polizeilichen Ermittlungen. Sie selbst habe unter dem Erlebten sehr gelitten, sei menschlich enttäuscht, sagt die 59-Jährige im Interview mit NDR 1 Radio MV. Für die Zukunft wünscht sie sich mehr Aufklärung und rät jeder und jedem in einer ähnlichen Situation, fremde Fotos unbedingt im Internet zurückzuverfolgen und sobald jemand Geld will, den Kontakt sofort abzubrechen - auch wenn dies schwerfällt.

Fake Profile im Netz erkennen und sich vor ihnen schützen:

  • Per Bilder-Rückwärts-Suche lassen sich Fake-Bilder und Stock-Fotos enttarnen. Machen Sie dafür einen Screenshot des Bildes und laden Sie das Bild von Ihrem Match in der Google Suchzeile hoch. In den Ergebnissen sehen Sie, wo das Foto überall benutzt wurde.
  • Auch alle anderen Informationen, wie den Namen oder die Telefonnummer, sollten Sie per Google überprüfen.
  • Bei einigen Plattformen, wie Tinder, lassen sich Profile verifizieren. Achten Sie auf Profile mit Verifizierungs-Haken.
  • Hinter Nutzern, die dauer-online sind und sehr schnell antworten, könnten „Love Scammer“ stecken. In professionellen Fällen stecken dahinter nämlich keine Menschen, sondern Bots.
  • Wenige Fotos in den Dating-Profilen oder Bilder, auf denen die Person auf den zweiten Blick uneinheitlich aussieht, deuten auf einen Fake hin.
  • Jemand, der ohne ein Treffen eine ernsthafte Beziehung eingehen möchte, ist vermutlich ein Betrüger.
  • Fake-Profile sind selten mit anderen Social-Media-Accounts, wie Instagram oder Spotify, vernetzt.
  • Fehlende Umlaute oder falsch geschriebene Wörter in den Chats können Hinweise auf Bots sein.
  • Bleiben Sie auf der Plattform: Dating-Betrüger bevorzugen es häufig, die Konversation schnell von der Dating-Plattform auf ein anderes Medium zu verlegen.
  • Geben Sie keine intimen, vertraulichen Informationen oder Konto-Informationen heraus.
  • Fragen Sie selbst nach einer Verifikation – Sie können Ihr Match beispielsweise um ein verifizierendes Foto oder einen Videoanruf bitten. Wenn das Match der Bitte ausweicht, sollten Sie skeptisch werden.
  • Gehen Sie in sich, wenn das Match zu gut scheint, um wahr zu sein, ist es das eventuell auch.
  • Verschicken Sie niemals Geld oder Wertgegenstände!
  • Grundsätzlich verbieten Plattformen wie Tinder oder Bumble es Nutzern, sich als jemand Drittes auszugeben. Sollte Ihnen ein Fake-Profil auffallen, melden Sie dies der Plattform.

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Radio MV | Nachrichten aus Mecklenburg-Vorpommern | 15.02.2024 | 06:00 Uhr

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Landkreis Vorpommern-Greifswald

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