Höhere Mehrwertsteuer in Gastronomie wird "fatale Auswirkungen haben"

Stand: 17.11.2023 13:39 Uhr

Die Mehrwertsteuer auf Speisen in Restaurants und Cafés soll im kommenden Jahr wieder auf 19 Prozent steigen. Darauf verständigte sich die Ampel-Koalition. Dehoga-MV-Präsident Lars Schwarz bezeichnete die Entscheidung als "fatalen Irrweg".

Um die Gastronomie während der Corona-Krise zu entlasten, war der Steuersatz für Speisen in Restaurants und Cafés vorübergehend von 19 auf sieben Prozent gesenkt worden. Danach wurde die Regelung wegen der Energiekrise mehrmals verlängert, zuletzt bis Ende dieses Jahres. Nun soll sie zum Jahresbeginn wieder auf 19 Prozent angehoben werden. Darauf hat sich die Ampelkoalition geeinigt, wie sie am Freitag mitteilte. Der FDP-Politiker Otto Fricke sagte, es habe in der Koalition keine Verständigung auf eine Gegenfinanzierung der Steuerausfälle im Fall einer Verlängerung der Steuerabsenkung gegeben.

Dehoga-Präsident: "Fataler Irrweg"

Landes-Politiker vieler Parteien aus Mecklenburg-Vorpommern wollten sich bis zuletzt für den geringeren Mehrwertsteuersatz einsetzen. Der Branchenverband Dehoga befürchtet eine Pleitewelle in der Gastronomie in Mecklenburg-Vorpommern, wenn die Steuer wieder steigt. Im Gespräch mit NDR 1 Radio MV zeigt sich Dehoga-Verbandspräsident Schwarz entsetzt, er kann die Ampel-Entscheidung nicht nachvollziehen. Noch vor wenigen Tagen habe man die Information bekommen, dass die Koalition in Berlin sich dafür entschieden habe, die reduzierte Mehrwertsteuer für ein Jahr zu verlängern. "Die Steuererhöhung ist ein fataler Irrweg und richtet sich gerade in Mecklenburg Vorpommern gegen Tausende Betriebe, familiengeführte, kleine und mittelständische Betriebe, gegen viele Mitarbeiter und auch gegen viele Gäste - und das wird fatale Auswirkungen haben", so Schwarz.

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Ein Schild mit dem Wort "geschlossen" hängt hinter einer Glastür. © photocase Foto: axelbueckert

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Mehrwertsteuererhöhung in Gastronomie trifft auch Kitas, Schulen und Heime

Durch Inflation, andere Teuerungen und große Unsicherheiten in der Bevölkerung haben auch potenzielle Gäste deutlich weniger Geld zur Verfügung. Da ein Restaurantbesuch in Zukunft noch teurer werde, müssten sich viele diesen sicher zweimal überlegen, so Schwarz. Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) sagte, erschwerend komme hinzu, dass auch Kitas, Schulen, Krankenhäuser und Pflegeheime von einer Mehrwertsteuererhöhung in der Gastronomie betroffen seien. "Eine zusätzliche Belastung von Familien und Seniorinnen und Senioren ist eine falsche Entscheidung", so Schwesig. "Wir brauchen für Familien und Wirtschaft Entlastung statt Belastung."

Schwarz sagte: "Wenn wir das Geld an so wahnsinnig vielen Stellen in Größenordnungen rausgeben, aber nicht an der Stelle, wo es wirklich um die Existenz der familiengeführten Betriebe und der Gastronomie und wirklich des kleinen Mannes und der kleinen Frau geht, kann ich das nicht nachvollziehen. Ich bin wahnsinnig wütend und fassungslos."

Schwarz: Das trifft die Schwächsten in der touristischen Kette

Der Dehoga-Chef für MV kritisierte, dass die Entscheidung offenbar eine Folge des Karlsruher Urteils zum Klimafonds sei. Der Bundesregierung fehle nun Geld und das müsse an vielen Stellen neu berechnet werden. Die Mehrwertsteuererhöhung würde aber die treffen, die jetzt schon die geringsten Spannen hätten. "Das wird die Schwächsten in der touristischen Kette treffen. Das wird die kleinen Betriebe treffen, das wird die Landgasthöfe betreffen. Und so eine Entscheidung wird natürlich dazu führen, dass auch Betriebe zumachen, weil sie einfach sagen, wir können nicht mehr", so Schwarz.

MV-Wirtschaftsminister Meyer sieht Branche doppelt benachteiligt

Mecklenburg-Vorpommerns Minister für Wirtschaft, Infrastruktur, Tourismus und Arbeit, Reinhard Meyer (SPD), hat bereits angekündigt, das Thema beim Wachstumschancengesetz erneut zu thematisieren. "Die Anhebung auf 19 Prozent ab dem kommenden Jahr schwächt den Tourismus und die Wirtschaft. Die Branche ist jetzt doppelt benachteiligt. Zum einen steigt der Mehrwertsteuersatz und gleichzeitig profitiert ausgerechnet die Gastronomie nicht von der abgesenkten Stromsteuer", so Meyer in einer Pressemitteilung.

Auch Tourismusverband in MV kritisiert Entscheidung

Nach Ansicht des Tourismusverbandes Mecklenburg-Vorpommern hat es bei der Diskussion an Alternativen gefehlt. Nötig gewesen wäre eine gesamt-systematische Betrachtung, so der Geschäftsführer des Tourismusverbandes Mecklenburg-Vorpommern, Tobias Woitendorf. In der Diskussion über die Wiederanhebung der Steuer sei ein Argument gewesen, dass nicht nur eine Branche begünstigt werden könne. Laut Woitendorf hätte die Bundesregierung eine Alternative im Köcher haben können, die weiter greift und damit eine größere Gruppe entlastet. Seiner Meinung nach wäre die Akzeptanz dann stärker gewesen. So würde die Gastronomie nun ohne Alternative dastehen. Dass es so komme, habe die Branche befürchtet, erhofft habe man sich aber natürlich etwas anderes, sagte Woitendorf.

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Dieses Thema im Programm:

Nordmagazin | 17.11.2023 | 19:30 Uhr

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