Groß Strömkendorf: Gericht spricht vermeintlichen Brandstifter frei

Stand: 08.12.2023 19:30 Uhr

Ein Feuerwehrmann ist von dem Vorwurf freigesprochen worden, die Flüchtlingsunterkunft in Groß Strömkendorf bei Wismar angezündet zu haben. Der Staatsanwalt wird das Urteil voraussichtlich anzweifeln.

von Andreas Frost

Im Prozess um den Brand der Flüchtlingsunterkunft in Groß Strömkendorf bei Wismar hat das Landgericht Schwerin den Angeklagten vom Vorwurf der schweren Brandstiftung freigesprochen. Es habe nicht bewiesen werden können, dass der 33-jährige Feuerwehrmann das reetgedeckte Haus am Abend des 19. Oktober 2022 angezündet hat, so der Vorsitzende Richter in seiner Urteilsbegründung. 14 Bewohner und drei Betreuer des schwach belegten Heims konnten sich unverletzt ins Freie retten. Das ehemalige Hotel "Schäfereck" brannte allerdings bis auf die Grundmauern nieder.

Staatsanwalt wollte lange Haftstrafe

Der angeklagte Feuerwehrmann und sein Verteidiger sitzen am Landgericht in Schwerin. © NDR Foto: NDR
Der angeklagte Feuerwehrmann und sein Verteidiger am Landgericht in Schwerin.

Damit folgte das Gericht dem Antrag des Verteidigers. Der Staatsanwalt hatte sieben Jahre und sechs Monate Haft für den Angeklagten gefordert. Er war überzeugt, dass der Feuerwehrmann seit Mai 2022 in der Region auch sechs weitere Brände gelegt hat. Dabei gerieten drei kleine Waldstücke, eine Strohmiete, ein Carport und ein Reetdachhaus in Brand. Von diesen Vorwürfen sprach das Gericht den Feuerwehrmann ebenfalls frei.

Gericht: Zwingender Schluss nicht möglich

Zwar räumte das Gericht ein, dass der Angeklagte möglicherweise auf seinem Heimweg ins Nachbardorf Blowatz durch Groß Strömkendorf fuhr, als dort der verheerende Brand gelegt wurde. Daraus könne aber nicht zwingend der Schluss gezogen werden, dass er auch der Brandstifter war, so der Vorsitzende Richter. Das gelte in ähnlicher Weise auch für die übrigen sechs Brände.

Ein reiner Indizienprozess

Bei den Bränden hatte niemand einen Brandstifter beobachtet, an den Tatorten wurden keine DNA eines Täters gefunden. So ging es sieben Monate lang vor allem um Indizien. In ihrer Summe deuteten sie auf den Angeklagten als Täter, so der Staatsanwalt. Es widerspreche zum Beispiel der Lebenserfahrung, dass der Angeklagte bei allen Bränden nur zufällig in der Nähe der Tatorte war, kurz bevor die Feuer ausbrachen. Das sah die Strafkammer anders. Zweifel an der Anklage kamen bei ihr auch auf, weil ein Fallanalytiker des Landeskriminalamtes insgesamt 18 Brände, die in der Region 2022 gelegt wurden, einem einzigen unbekannten Täter zuordnete. Der Feuerwehrmann stand aber nur wegen sieben Bränden vor Gericht. Die Richter konnten auch kein Motiv nachvollziehen, das ihn zu den Taten getrieben hätte. 

Kein Hinweis auf politischen Hintergrund 

Das brennende Flüchtlingsheim in Groß Strömkendorf machte bundesweit Schlagzeilen. Anfangs wollten die Ermittler einen ausländerfeindlichen Anschlag nicht ausschließen. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) stellten sich vor die Brandruine und warnten vor Fremdenfeindlichkeit. Im Prozess war keine Rede mehr von einem politischen Hintergrund. Den hatten auch die Fallanalytiker für die Brandserie ausgeschlossen. Das Urteil des Landgerichts ist nicht rechtskräftig. Der Staatsanwalt wird wahrscheinlich Revision einlegen. Der Bundesgerichtshof muss dann entscheiden, ob die Schweriner Richter ihr Urteil fehlerfrei begründet haben. Andernfalls könnte der Fall von einer anderen Strafkammer des Schweriner Landgerichts neu verhandelt werden müssen.

 

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Dieses Thema im Programm:

Nordmagazin | 08.12.2023 | 19:30 Uhr

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