Für mehr Windkraft: Backhaus will Kreise entmachten
Ist das jetzt der Turbo für die Windkraft? Umweltminister Till Backhaus (SPD) will die oft aufwendigen und langwierigen Genehmigungsverfahren für neue Windräder verkürzen. Der SPD-Politiker plant, den Landkreisen per Gesetz wichtige Zuständigkeiten zu nehmen.
Mehr Windkraft im ganzen Land - das ist das Ziel der Ampel-Koalition in Berlin. Der Ökostrom soll den Klimawandel bremsen und Deutschland energieunabhängiger machen. Mehrere Gesetze hat der Bund nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine verabschiedet, darunter das sogenannte Wind-an-Land-Gesetz. Das schreibt für Mecklenburg-Vorpommern und alle anderen Bundesländer einen teils kräftigen Ausbau vor. Der Nordosten ist verpflichtet, bis Ende 2032 genau 2,1 Prozent seiner Fläche für Windkraft zur Verfügung zu stellen - bisher sind es nur 0,8 Prozent.
Kabinett billigt Gesetzentwurf
Um die Energiewende zu schaffen, will Mecklenburg-Vorpommerns Umweltminister Backhaus die Zeit vom Antrag auf Bau eines Windrads bis zur Genehmigung verkürzen. Das Verfahren soll zentral bei seinen Staatlichen Umweltämtern (StÄLU) liegen. In seinem am Dienstag vom Kabinett gebilligten Gesetzentwurf sollen die Landkreise als untere Naturschutzbehörden die Zuständigkeit verlieren. Ihre Nachforderungen unter anderem zu Vogelschutzfragen hätten die Windkraftverfahren immer wieder verlängert. "Wird das Verfahren einheitlich bei einer Behörde geführt, lassen sich diese Fragen stringent, effektiv und zielgerichtet bearbeiten und einheitlich klären", begründet Backhaus die geplante Neuregelung.
Minister plant neue Stellen
Der Minister will außerdem auch das Personal in seinen vier Umweltämtern aufstocken und so den Ausbau beschleunigen. Geplant sind 15 neue Stellen, weitere 15 sollen im nächsten Jahr kommen. Damit räumt Backhaus erneut ein, dass seine Genehmigungsbehörden personell zu dünn aufgestellt sind - den Vorwurf, den die Opposition immer wieder erhoben hat. Bis zur Wahl 2021 kam er von den Linken, zuletzt beklagten die Grünen einen Personalnotstand.
Gesetz soll ab Januar gelten
Offenbar wollen die Koalitionäre SPD und Linke jetzt Tempo machen. Das Gesetz soll noch vor Weihnachten im Landtag verabschiedet werden und dann ab 1. Januar 2023 gelten. Der überraschende Vorstoß von Backhaus kommt kurz nach Bekanntwerden eines Schreibens seiner Staatssekretärin Elisabeth Aßmann und deren Kollegin Ines Jesse (beide SPD) aus dem Wirtschafts- und Energieministerium. Beide hatten die Genehmigungsbehörden der Kommunen Ende September ermahnt, die neuen Vorgaben des Bundes beim Windkraftausbau einzuhalten.
Artenschutz steht hinten an
Die beiden Staatssekretärinnen machten unmissverständlich klar, dass die Erneuerbaren Energien "ein überragendes öffentliches Interesse" darstellten - sie dienten auch der "öffentlichen Sicherheit". Nur in Ausnahmefällen seien deshalb bei Abwägungsentscheidungen beispielsweise Denkmalschutz, Forst- oder Naturschutz wichtiger. Sollte vor allem heißen: Auch in der Frage, wo Windkrafteignungsgebiete entstehen sollen, müssten Denkmalschutz oder Artenschutz hintenanstehen.
Landesverband beklagt Scheu bei Schwesig
Den letzten Schritt, den der Energieexperte der Grünen-Fraktion im Landtag, Hannes Damm, fordert, vollzieht das Land jedoch nicht. Die vier regionalen Planungsverbände in Mecklenburg-Vorpommern haben vorerst weiter die Kompetenz, ihre Windeigungsflächen auszuweisen. Anders als Damm es vorschlägt, will Wirtschafts- und Energieminister Reinhard Meyer (SPD) sich die Zuständigkeit dafür nicht ins eigene Haus holen, das machte er erst im September im Landtag deutlich. Die Frage, wo Windräder aufgestellt werden dürfen, ist konfliktbeladen und gilt wegen oft fehlender Akzeptanz politisch als vermint. Der Landesverband Erneuerbare Energien hatte Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) wiederholt zu mehr Mut in der Frage aufgefordert und beklagt, dass die Regierungschefin ein klares Bekenntnis scheue.
Initiative gegen Windkraft warnt
Die Themen des Windkraftausbaus beschäftigen heute auch den Planungsverband Westmecklenburg. In einer Sondersitzung in Schwerin geht es um die Frage, wer künftig die Kriterien für Windeignungsgebiete festlegt und wie schnell die Ausbauziele des Bundes erfüllt werden. Die Windkraftgegner der Initiative Freier Horizont warnen vor "Vorgaben von oben". Darunter werde die Akzeptanz bei der Bevölkerung weiter leiden. Verbandschef Thomas Beyer (SPD), Bürgermeister von Wismar, machte dagegen klar, dass Recht und Gesetz einzuhalten seien. Dazu gehörten die Vorgaben des Bundes.