Neuer Podcast: Was ist uns gute Pflege wert?
Wer genau hingeschaut hat, wusste es längst: Pflegekräfte arbeiten am Limit, in stationären Einrichtungen ebenso wie in ambulanten Diensten. Die Corona-Krise hat den Druck noch einmal verstärkt. Zukunftstaugliche Lösungen müssen gefunden werden, weil immer mehr Menschen immer älter werden. Damit steigt auch das Risiko, pflegebedürftig zu werden. Was ist der Gesellschaft gute Pflege wert? Welche Ansätze gibt es, die Arbeitsbedingungen für das Personal zu verbessern? Und wie soll die Pflege künftig finanziert werden? Um diese Fragen geht es im ersten Teil von "vertikal horizontal. Glaubens- und Gewissensfragen", dem neuen Podcast der Redaktion Religion und Gesellschaft auf NDR Info.
Der Hildesheimer Teresienhof ist ein Heim der Caritas für 97 pflegebedürftige Bewohner. Den sozialen Dienst des Hauses leitet Christiane Gudde. Sie sagt, seit Beginn der Pandemie belaste die Kolleginnen und Kollegen vor allem "die Angst und die Sorge, hier Covid zu bekommen in der Einrichtung. Die Belastung für die Mitarbeiter gegebenenfalls Schuld zu sein, dass hier jemand erkrankt oder gar stirbt, ist unendlich groß. Und das ist immer noch so. Das geht ja nicht weg."
Den Bewohnern fehlen besonders die Gemeinschaftsveranstaltungen, die sonst die Tage strukturieren. Sogar die sprachliche Verständigung sei schwierig geworden, sagt ein 94-Jähriger: "Dass jetzt fast alle, die mit uns zu tun haben, mit einer Maske herumlaufen. Wissen Sie, da muss ich immer nachfragen, weil man das immer schlecht versteht. Weil ich schlecht hören kann, muss ich immer nachfragen."
"Gesund gespart auf Kosten des Personals"
Brigitte Bullach besucht regelmäßig ihre hochbetagte Mutter im Pflegeheim. Als Angehörige hat sie das Gefühl, dass schon lange grundsätzlich etwas falsch läuft in der Pflege. "Deutschland hat sich gesund gespart, aber auf Kosten des Personals", meint sie. "Und ob das richtig ist, das kann ich eigentlich nur mit nein beantworten. Es müsste einfach entweder finanziell und auch personell etwas mehr passieren."
Doch kurzfristig lassen sich keine zusätzlichen Fachkräfte finden. Das zeigt sich ganz drastisch bei den nun verpflichtend vorgeschriebenen Corona-Tests. Diese sind für das ohnehin schon zu knappe Personal eine zusätzliche Belastung. Gesucht wird nun nach schnellen Lösungen, die Fachkräfte zu entlasten.
Gastronomiemitarbeiter als Aushilfen?
Etwa durch Mitarbeitende aus der Gastronomie, die jetzt in Kurzarbeit sind. Diese könnten Serviceleistungen anbieten, Essen ins Zimmer bringen, vielleicht auch Essen anreichen, meint Hans-Joachim Lenke, Vostand der Diakonie in Niedersachsen: "Wir haben ganz viele Mitarbeitende in der Hotellerie, die könnten das Managen von Besuchsströmen organisieren, das entspräche sicherlich deren Gabenhorizont. Ich glaube, dass wir da jetzt sehr pragmatisch gucken müssen, wie wir Entlastung schaffen. Und ich glaube ganz fest, dass der eine oder andere im konkreten Alltag feststellt, das macht mir Spaß das will ich lernen."
Das sei grundsätzlich eine nachvollziehbare Idee, meint Heike Prestin, bei der Diakonie Deutschland Referatsleiterin für Altenhilfe und Pflege. Der Personalnotstand nehme teils existenzielle Ausmaße an. Daher sei es schon notwendig, dass Menschen, die nicht direkt aus der Pflege kommen, dort möglicherweise aushelfen können, damit überhaupt jemand da ist, um sowas wie den Einlass oder die Essenszubereitung durchführen zu können. Aber: "Es ist eine zweischneidige Geschichte, weil dadurch auch suggeriert werden kann, dass Pflege etwas ist, was jeder kann, und eigentlich nicht besonderer Professionalität bedarf."
Wertschätzung wäre gerade jetzt wichtig
Man könnte es auch anders sehen. Vielleicht wäre es eine Chance, vorübergehend fachfremde Hilfe anzunehmen. Wer tieferen Einblick in die Pflege gewinnt, lernt vielleicht, diese Arbeit wertzuschätzen. Diese Wertschätzung wäre gerade jetzt wichtig, meint auch Heike Prestin: "Es die Art und Weise, wie über diesen Beruf gesprochen wird, die sich meiner Meinung nach ändern muss. Wenn dieser Beruf aufgewertet werden soll, dann ist das nicht nur eine Sache von mehr Geld, das auch, aber es ist auch eine Sache, wie wir diese Altenpflegerinnen und Altenpfleger ansehen oder wie wir über sie sprechen. Oft wird die Arbeit als minderwertig angesehen. Und da muss sich, glaube ich, auch in der Gesellschaft was ändern."
