Neonazi-Gruppe "Hammerskins" verboten - Razzia auch im Norden

Stand: 19.09.2023 20:45 Uhr

Am Dienstag lief eine Durchsuchungsaktion bei mutmaßlichen Führungspersonen der Neonazi-Gruppierung "Hammerskins" - auch in Norddeutschland. Das Bundesinnenministerium hatte die Gruppierung zuvor verboten.

von Julian Feldmann, Florian Flade, Reiko Pinkert und Sebastian Pittelkow (NDR/WDR)

Die Polizei setzte seit den frühen Morgenstunden das Vereinsverbot gegen die "Hammerskins" um und durchsuchte bundesweit die Wohnungen von 28 mutmaßlichen Funktionsträgern. Die Gruppierung trat vor allem mit konspirativ organisierten Musikveranstaltungen auf, agierte jedoch stets im Hintergrund. Ebenfalls aufgelöst hatte das Innenministerium die Unterstützer-Gruppe "Crew 38". Der Verfassungsschutz rechnet die "Hammerskins" dem "gewaltorientierten" rechtsextremen Spektrum zu.

Durchsuchung in Mecklenburg-Vorpommern. © NDR Foto: Roman Schmelter
AUDIO: Verbot der rechtsextremen Gruppe - Hammerskins Deutschland (6 Min)

Durchsuchungen auch im Norden

Auch in Mecklenburg-Vorpommern wurden in diesem Zusammenhang Wohnungen durchsucht. "Mit insgesamt 135 Einsatzkräften, darunter auch Spezialeinsatzkräften, wurden auch sogenannte Gefährderansprachen durchgeführt - als einziges Bundesland gehen wir diesen Weg", sagte Landesinnenminister Christian Pegel (SPD). Dabei nahmen Beamtinnen und Beamte Kontakt mit Unterstützern der rechtsextremen Szene auf. "So schaffen wir eine ganzheitliche Ansprache in unserem Bundesland in Bezug auf die politisch motivierte Kriminalität der Rechtsextremisten", erklärte Pegel.

Insgesamt fand die Razzia in zehn Bundesländern statt. Dabei sollte das Vereinsvermögen beschlagnahmt werden. Das Verbot der Gruppe war erfolgt, weil die "Hammerskins" sich nach Auffassung des Bundesinnenministeriums "gegen die verfassungsmäßige Ordnung" und "gegen den Gedanken der Völkerverständigung" stellten.

Bekannter Neonazi unter den Führungspersonen im Norden

Bundesweit gehen die Behörden von etwa 120 Mitgliedern aus. Ähnlich wie Rocker-Gruppierungen sind die "Hammerskins" in sogenannten Chaptern, also regionalen Untergliederungen, organisiert. In Deutschland gibt es davon insgesamt 13. Nach innen propagieren die "Hammerskins" eine rassistische und nationalsozialistische Weltsicht.

In Norddeutschland ist die Gruppierung vor allem in den Chaptern "Mecklenburg" und "Pommern", im Raum Cuxhaven und Bremen aktiv. Unter den mutmaßlichen Führungspersonen der "Hammerskins" im Norden ist der bekannte Neonazi Sven Krüger aus dem kleinen Ort Jamel (Nordwestmecklenburg). Die Polizei durchsuchte im Rahmen der Durchsetzung des Verbots auch sein Grundstück.

Skinheads vor allem in der Neonazi-Musikszene aktiv

Die "Hammerskins" sind bisher vor allem in der Neonazi-Musikszene aktiv gewesen. So organisierten sie regelmäßig konspirative Konzerte und den Vertrieb von CDs. Durch eine Razzia Ende 2020 wurde bekannt, dass die "Hammerskins" im Cuxhavener Umland in der Szene offenbar im Musik- und Kleidungsvertrieb umtriebig sind. Bei Durchsuchungen stellte die Polizei neben CDs mit mutmaßlich volksverhetzenden Songs auch Bekleidungsstücke sicher. Darauf war etwa "Hammerskins Pommern" mit dem Slogan "Einer für alle, alle für einen" zu lesen.

Gegen vier Männer wurde ermittelt. Zuletzt wurde im März ein "Hammerskin" vom Amtsgericht in Cuxhaven zu einer Geldstrafe wegen Volksverhetzung und dem Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen verurteilt. In Schiffdorf (Landkreis Cuxhaven) gehörten mehrere der mutmaßlichen "Hammerskins" einem Rockerclub an.

Auch Unterstützer-Club "Crew 38" verboten

"Entsprechend ihrem Selbstverständnis als Elite der rechtsextremistischen Skinhead-Bewegung unterhalten sie Kontakte zu zahlreichen anderen subkulturell-rechtsextremistischen und auch neonazistischen Organisationen", hieß es zuletzt 2018 vom Bundesinnenministerium zu der Gruppe. Die "Hammerskins" sind heute laut Verfassungsschutz die einzige bundesweit aktive rechtsextreme Skinhead-Organisation. Allerdings scheut die Gruppe das Licht der Öffentlichkeit und agiert im Hintergrund der Neonazi-Szene, deren Mitglieder als besonders gut vernetzt gelten.

Mit der "Crew 38" hatte das Innenministerium auch den an die "Hammerskins" offenbar angegliederten Unterstützer-Club verboten. Die "38" in dem Namen steht für den dritten und den achten Buchstaben im Alphabet - C und H, was wiederum für "Crossed Hammers" (Gekreuzte Hämmer) steht. Das Logo der "Hammerskins" bilden zwei gekreuzte Hämmer. Mit der Auflösung der Vereinigung dürfen auch ihre Symbole nicht mehr öffentlich verwendet werden.

"Hammerskins" weltweit organisiert

Gegründet worden waren die "Hammerskins" Ende der 1980er-Jahre in den USA in der rechtsextremen Skinhead-Szene. Weltweit unterhält die Gruppe "Divisionen" in verschiedenen Ländern, die alle in einer "Hammerskin-Nation" organisiert sind.

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