"Das kann’s nicht gewesen sein" - Dürr will FDP-Parteichef werden
Am Freitag will die FDP auf einem Parteitag ihre neue Parteispitze wählen. Kandidat für den Vorsitz: der Niedersachse und ehemalige FDP-Fraktionschef Christian Dürr. Unterstützt wird er von Liberalen aus Norddeutschland.
Zwei Wochen hatte sich Christian Dürr nach dem desaströsen Bundestagswahlergebnis überlegt, ob er sich für den Parteivorsitz bewerben sollte. Doch dann war ihm klar: "Das kann's jetzt nicht gewesen sein", sagt Dürr im NDR Gespräch. Und Dürr hat für seine Kandidatur von Anfang an viel Unterstützung bekommen. Denn er gilt vielen als ein Kandidat, der die unterschiedlichen Persönlichkeiten und Positionen in der FDP zusammenführen kann: die Wirtschaftsliberalen und die, denen die gesellschaftliche Freiheit mindestens genauso wichtig ist. Dürr steht dazwischen. Für ihn ist die wirtschaftliche Entfaltungskraft des Einzelnen Voraussetzung für gesellschaftliche Freiheit. Und dafür brauche es vor allem Reformen.
Dürr: FDP muss mehr Reformen fordern
Grundlegende Reformen von Staat und Wirtschaft. Das brauche Deutschland. Das habe die Ampel zu wenig durchgesetzt und darum sei sie gescheitert, so seine Analyse. Und der Koalitionsvertrag von Schwarz-Rot bestärkt Dürr darin, dass die neue Regierung das Land nicht weiterbringen werde. Umso wichtiger sei jetzt eine FDP, die Wirtschaftshemmnisse abbaue und die sozialen Sicherungssysteme zukunftsfähig umbaue. Mit diesen Forderungen will er die FDP wieder in den Bundestag bringen. Wollen die FDP-Delegierten Dürr dabei folgen und wählen ihn zu ihrem neuen Chef, dann wird er der Einzige sein, der für seine politische Arbeit von der Partei bezahlt wird. Alle anderen ehemaligen Bundestagsabgeordneten müssen ehrenamtlich, neben dem Job, für den Wiedereinzug kämpfen.
Kuhle: Ampel nicht schuld an FDP-Misserfolg
Wie zum Beispiel Konstantin Kuhle aus Göttingen. Bis vor Kurzem noch stellvertretender Vorsitzender der FDP-Bundestagsfraktion. Noch sieben Monate bekommt er für seine Zeit im Bundestag ein Übergangsgeld, dann wird er wieder als Anwalt arbeiten. Aber Kuhle hat noch einen anderen - ehrenamtlichen - Job: Er ist Chef der FDP Niedersachsen, die bei der Landtagswahl ebenfalls an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert war. Kuhle hofft jetzt auf ein gutes Abschneiden seiner Partei bei den niedersächsischen Kommunalwahlen im nächsten Jahr. Kuhle hat Erfahrung mit politischer Arbeit außerhalb eines Parlaments. Als die FDP von 2013 bis 2017 ebenfalls "draußen" war, war er Chef der Jungen Liberalen. Damals verfehlte die FDP nach einer Koalition mit der Union den Einzug in den Bundestag. Darum ist für ihn auch nicht per se die Ampel schuld am Scheitern der FDP.
Kuhle: FDP soll Regierungsverantwortung übernehmen
Für Kuhle stellt sich vielmehr die Frage: "Will die FDP eine Gestaltungspartei der Mitte sein und regieren? Oder ist sie eine bürgerliche Protestpartei, die jedes Mal unter der Verantwortung zusammenbricht, wenn sie regieren soll?" Für den ehemaligen Bundestagsabgeordneten aus Göttingen ist die Antwort klar: "Die FDP ist eine Partei der Mitte, die Freude am Gestalten hat und Verantwortung übernehmen will." Und angesichts einer immer weiter zersplitterten Parteienlandschaft müsse man bereit sein, mit unterschiedlichen Parteien zu koalieren, wenn man regieren wolle. Kuhle hält seinen niedersächsischen Landsmann Dürr für den Richtigen an der Spitze der Partei. Kuhle selbst will für den Bundesvorstand kandidieren.
Jensen: Kompromisse gehören dazu
Auch Gyde Jensen aus Schleswig-Holstein, bis vor Kurzem Bundestagsabgeordnete und ebenfalls eine der stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden, wird in wenigen Monaten wieder in ihren alten Job bei der Friedrich-Naumann-Stiftung zurückkehren. Sie wird nicht mehr für den Bundesvorstand kandidieren, sondern will sich als schleswig-holsteinisches FDP-Vorstandsmitglied in der Landespolitik engagieren. Wie Kuhle findet auch sie, wenn man Regierungsverantwortung übernehme, gehören Kompromisse dazu. Auch wenn dann nicht immer die eigene Mitgliedschaft damit zufrieden ist.
Jensen: Kubicki für FDP wichtig
Gyde Jensen sagt: "Es gab immer einen Teil in der FDP, der die Ampel abgelehnt hat." Sie hat nicht dazugehört, und sie gibt ihr auch nicht die Schuld am Misserfolg der FDP. Jensen gehört auch nicht zu denen, die in der CDU den alleinigen Koalitionspartner für die FDP sehen. Für sie ist der Kern liberaler Politik gesellschaftliche Freiheit und nicht nur die Freiheit der Wirtschaft. Jensen unterstützt die Kandidatur von Christian Dürr als Parteichef. Und sie findet es auch gut, dass sich Wolfgang Kubicki wieder um einen Posten als Parteivize bewirbt. Denn ganz pragmatisch stellt sie fest: "Die FDP profitiert von seiner Außenwirkung, seiner Persönlichkeit und seiner Erfahrung."
Kubicki: Nicht mit Niederlage gehen
Wolfgang Kubicki ist der einzige FDP-Politiker, der noch im Bundestag ist - wenn auch nicht als Abgeordneter. Denn als ehemaliger Bundestagsvizepräsident steht ihm für vier Jahre ein Büro zu. Und auch parteipolitisch will der Anfang-Siebzig-Jährige weiter präsent bleiben. Sich mit einer Niederlage zu verabschieden, wäre zu schmerzvoll, sagt Kubicki. Er will den Übergang mitgestalten und wird deshalb wieder für das Parteipräsidium kandidieren. Und er hätte es begrüßt, wenn auch junge Kollegen wie Konstantin Kuhle und Gyde Jensen bereit gewesen wären, höhere Ämter bei der FDP zu übernehmen. Für ihn gehören Kuhle und Jensen zu den talentierten Nachwuchskräften, die die FDP jetzt gebrauchen könne. Für den Parteivorsitz hält er Christian Dürr aber für den Richtigen. Noch am Wahlabend habe er ihn gebeten, zu kandidieren.
Kubicki: Schnelle Wahlerfolge wichtig
Auch wenn Kubicki es so nicht sagt, man hört es raus: Er war kein Fan der Ampel. Er findet eine Zusammenarbeit der FDP mit zwei linkeren Parteien, die eine völlig andere Vorstellung von Politik haben, wie er sagt, grundsätzlich schwierig. Um wieder gewählt zu werden, müsse sich die Partei jetzt auf ihre Kernbotschaft konzentrieren: Wirtschaftliche Freiheit, ohne die gesellschaftliche Freiheit nicht möglich ist. Und rein praktisch müsse die Partei jetzt möglichst schnell wieder Wahlen gewinnen, so der Politik-Routinier. Das nächste Ziel: die Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen im Herbst und dann im nächsten Frühjahr die Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg. Wahlerfolge seien wichtig, um die Partei zu stabilisieren und "kampfeslustig" zu machen - eine unabdingbare Voraussetzung für einen Bundestagswahlkampf. Und Kubicki muss es wissen, schließlich hat er die FDP schon einmal zusammen mit Christian Lindner in den Bundestag zurückgeführt.
Schlagwörter zu diesem Artikel
FDP
