Welt der Musik

Es soll einfach Spaß machen - Das private Hamburger "Allee Theater"

Sonntag, 26. Februar 2023, 18:00 bis 19:00 Uhr

Zufällig hatte dieses Kino eine Bühne. Ende der 1940er-Jahre war hier auch Theater gespielt worden. Zufällig hatte Uwe Deeken ein Faible für Theater. Und, so erzählt er im Interview, es waren die legendären 68er-Jahre. Aufbruchstimmung, Rebellion gegen das Establishment, viele Ideen kursierten. "Eine von diesen Ideen war einfach: Warum gibt es so viele Theater für Erwachsene, warum gibt es nicht irgendetwas für Kinder als ständiges, festes Haus? Warum gibt es nicht mehr Dinge, die Kinder mehr ansprechen?" Solche Fragen gingen Uwe Deeken damals durch den Kopf. Er hatte Freunde, die für die nötigen Kredite für die Sanierung des maroden Hauses bürgten. Am 27. Februar 1968 öffnete das erste, ganzjährig spielende Kindertheater überhaupt in Deutschland seine Pforten. Das erste Stück: "Pippi Langstrumpf" nach Astrid Lindgrens legendärem Buch.

Intendant Marius Adam im Theatersaal © Jonas Radtke
Seit 2017 ist Marius Adam der geschäftsführende Intendant des Allee Theater.
Theater für Kinder

Schnell scharte Uwe Deeken erfahrene Theaterleute um sich. Kurt Hübner schrieb für ihn unter einem Pseudonym das Stück "Rumsdiplumps, der Engel, der vom Himmel fiel". Otfried Preußler machte seinen berühmten "Räuber Hotzenplotz" tauglich für das Kindertheater und schrieb noch weitere Stücke für die kleine Spielstätte. Ein weiterer Mitstreiter und vor allem künstlerischer Leiter des Theaters für Kinder in den ersten Jahren wurde Eberhard Möbius. "Möbi" - wie sein Spitzname in Hamburger Kulturkreisen lautete - gründete später das Hamburger Theaterschiff. Am Theater für Kinder engagierte er aber auch die Schauspielerinnen und Schauspieler. Darunter war 1973 auch Barbara Hass. Ein folgenschweres Engagement. 1977 heiratete Barbara Hass den Theaterleiter Uwe Deeken. Fortan führten sie das Haus gemeinsam. Barbara Hass war Schauspielerin, hatte aber auch eine Ballettausbildung, konnte Kostüme entwerfen, aber vor allem gut schreiben. Für fast alle Produktionen am Theater für Kinder und an der Hamburger Kammeroper richtet sie bis heute die Texte ein, schreibt aber auch selbst Stücke und kann auch Opernlibretti verfassen.

Opern für Kinder

Ab 1979 wurde dann im Theater für Kinder auch Oper für Kinder gespielt. Es begann mit "Die kleine Zauberflöte" von Mozart. Nicht viel später wagte man Wagner. Der "Ring des Nibelungen" kam in zwei Teilen als "Der Raub des Rheingolds" und "Siegfrieds Kampf" daher. 1984 kam die Familie Wagner aus Bayreuth zu einer Vorstellung, mit dabei die heutige "Hüterin des Grünen Hügels", die damals fünfjährige Katharina Wagner. Von der Kinderoper schien der Schritt zur Erwachsenenoper nicht mehr weit. Am 1. November 1996 hob sich in der neu gegründeten Hamburger Kammeroper zum ersten Mal der Vorhang, in denselben Räumen wie das Theater für Kinder. Beides zusammen ist das "Allee Theater": "Ein Theater, was voll eingerichtet ist und funktionsfähig abends um halb sieben zu schließen, das hat uns immer gestört," erzählte Uwe Deeken damals. Ein "Zwischending" sollte seine Kammeroper sein, so Uwe Deeken, eine Vorstufe zum großen Haus. "Es soll die Leute neugierig machen, es soll die Angst vor Oper nehmen. Man soll einfach Spaß haben. Ich geh' darein, ich versteh’ es sofort." Damit punktet das Allee Theater bis heute. Seit 2017 leitet der rumänische Bariton Marius Adam erfolgreich das rund 200 Plätze fassende Haus mit den zwei Bühnen. Er kannte es damals schon viele Jahre als Sänger in vielen Produktionen. Der 2018 verstorbene Uwe Deeken hat in Marius Adam einen kompetenten Nachfolger gefunden. Er ist nicht nur exzellenter Sänger, sondern auch professioneller Geiger, er führt auch Opernregie.

Herausfordernde Zeiten

Allen Widrigkeiten zum Trotz - auch die Corona-Pandemie war für das kleine Haus eine große Herausforderung - hat das Allee Theater mit seinen beiden Bühnen einen immens wichtigen Platz, nicht nur im Hamburger Kulturleben. Gerade war die Kindertheater-Produktion "Der kleine Mozart" (über die Jugend des Komponisten) zum wiederholten Male von Rolando Villazon zur Mozartwoche nach Salzburg eingeladen worden, es gab auch bereits Gastspiele in China! Barbara Hass-Deeken war bis vor kurzem alleinige Gesellschafterin des Allee Theaters. Mit Blick in die Zukunft wird die gemeinnützige GmbH jetzt von drei Gesellschaftern getragen. "Mein Ziel ist ja, dieses Theater zu erhalten. Es ist wie ein Kind, das man in die Welt geschickt hat. Das will man stützen, kräftigen und will, dass es weiter auch gut begleitet wird", sagt Barbara Hass.

Eine Sendung von Elisabeth Richter.

 

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