"Die Glücklichen sind neugierig" von Anka Landtau © Henrik Matzen/ Anka Landtau Foto: Henrik Matzen

Von Struxdorf zur Biennale: Die Künstlerin Anka Landtau

Stand: 27.05.2022 11:24 Uhr

Wer es zu einer der großen Kunstausstellung schafft, hat es weit gebracht. Anka Landtau aus dem schleswig-holsteinischen Struxdorf erhielt von den Biennale-Machern in Venedig eine Einladung zur Sonderschau "personal structures".

von Frank Hajasch

Venedig? Die "personal structures", direkt an der Rialto? Klar! Der 500 Seiten-Ausstellungskatalog liegt auf dem Tisch. Nun arbeitet Anka Landtau schon am nächsten Projekt: eine Ausstellung mit 32 Künstlerinnen und Künstlern im Juni. Sie alle beschäftigen sich mit der Selbstwahrnehmung in der deutsch-dänischen Grenzregion. Und so geht es bei der Malerei, den Objekten und Installationen in ihrem Atelier um Selbstporträts: "Wie ein Künstler sich wahrnimmt, kann völlig anders sein als herkömmlich", erklärt Anka Landtau. "Hier etwas ganz Spannendes: Da hat jemand seine DNA ausdrucken lassen. Dann hat man also einen ganzen Stapel Papier mit Zeichen drauf, die kein Mensch lesen kann. Man weiß, es ist ein sehr modernes Selbst, was so abstrahiert ist, dass es gar keiner mehr wahrnimmt. Dabei ist wirklich jedes Detail drauf - wirklich alles, was zu diesem armen Menschen gehört."

Anka Landtau: Von Struxdorf über Jerusalem nach Venedig

Anka Landtau, die Künstlerin und dabei mehr Bildhauerin, versucht, in das Konvolut mit Kunst aus Deutschland, Dänemark, Lettland und den USA ein wenig Ordnung zu bringen. Dabei erzählt sie von ihrem Werdegang, der wohl etwas untypisch ist für jemanden, der auf der Biennale ausstellt. "Ich habe mit Kunstgeschichte angefangen, bin aber direkt nach einem Jahr an die Muthesiusschule gegangen", sagt Landtau. "Ich habe da Architektur studiert und habe meine handwerkliche Ausbildung - mit dem Material, mit dem ich auch den Grundstock fürs Bildnerische gelegt habe - in Jerusalem gemacht. Ich war da als Gaststudentin an der Bezalel", der bekannten Kunst- und Designhochschule.

Trotzdem hat sie dort keinen akademischen Abschluss gemacht, sondern sich vor allem ausprobiert. "Ich habe mich da ganz eigenständig weiterentwickelt", erzählt die Künstlerin. "Ich habe im figürlichen Bereich immer weitergemacht - das hat mich interessiert. Mich hat Psychologie interessiert, wie in Figuren etwas ausgedrückt werden kann. Ich reagiere wie jeder Mensch auf diese Einflüsse. Was kommt, das nimmt man mit auf und das verändert einen - und das verändert auch die eigene Arbeit."

Ein umgebauter Stall als Ausstellungsraum

Jetzt: Venedig! Anka Landtau öffnet die Tür zu einer Ausstellungshalle. Sie hat vor einiger Zeit einen Stall umgebaut: richtig cool, alles geweißt, mit dickem, planem Betonboden - und der alten Mistrinne als "archäologischer Rest", wie sie sagt. Das Besondere sind zwei Reihen gusseiserner Ständer in der Hallenmitte. Die erinnern an die Arsenale in Venedig: Die ehemalige Schiffswerft ist Ausstellungsort der Biennale. "Ich finde, das hat eine tolle Atmosphäre", sagt Landtau. "Jeder Künstler, jede Künstlerin, die herkommt, ist begeistert und weiß, dass das eigene Objekt gleich dreimal so schön aussieht, also von einer Aura umgeben ist, die das verstärkt. Ich finde den Raum auch ganz ohne was drin toll. Man kann hier ein einzelnes Stück reinstellen und es wird wahnsinnig schön."

Raum im Raum

Von Anka Landtau steht im hinteren Bereich der Halle eine Art Kammer, ein kleines Atelier aus Holz, Stoff und Papier: "Ich habe vor zwei Jahren einen Ateliernachbau gemacht", erklärt Landtau, "nicht von einer Künstlerin, sondern von einer jungen Studentin hier aus dem Ort, die auch malt und mit der Malerei einen Ausgleich gefunden hat für verschiedene Dinge."

Die Materialien des Objektes sind wie geschichtet. Was unten drunter noch weiß schimmert, wird zunehmend mit dunkler Pappe bedeckt - wie das Leben so ist, sagt Anka Landtau. Auch das erinnert an die Biennale, bei der Gregor Schneider 2001 den Deutschen Pavillon als "Totes Haus u r" umbaute. "Das erinnert natürlich an so etwas", sagt die Künstlerin. "Ein Raum im Raum. Das habe ich jetzt nicht auf der Biennale gesehen. Es ist einfach eine Idee, mit dem eigenen Leben oder mit der Kunst umzugehen - dass man sagt: Ich schaffe eine gewisse Distanz, sehe mir das an und bin Teil einer Sache, die in Entwicklung ist."

Mit einer Bronzeinstallation bei der Biennale

In Venedig zeigt sie ihre Bronzeinstallation "Die Glücklichen sind neugierig", ein Zitat von Nietzsche. Das Objekt fing mit einem Eimer an, den sie im Knick gefunden hatte. Der wurde abgegossen und jetzt wird er von kleinen Figuren belagert, die in sein Inneres wollen, wo ein Handydisplay ein Video zeigt: Es geht um das Verhältnis menschlicher Kultur zur Natur, um unsere Hybris und darum, dass die Natur sich vieles eben doch wiederholt. Das passt gut zum Untertitel der Schau in Venedig "reflections". "Ich bin von dem Team eingeladen worden, das bei der Biennale den Aufbau gestaltet", sagt Landtau. "Da gibt es tausende von Künstlern, die die sehen können. Ich kann nicht sagen, warum. Irgendwie hat jemand Interesse gehabt. Ich bin weder über eine Galerie, noch über irgendetwas anderes dahin gekommen. Ich bin einfach angeschrieben worden. Und dann hat es geklappt."

Im Palazzo Bembo steht sie nun in einem Raum mit Lawrence Weiner, neben Sol LeWitt und Joseph Kosuth, einem Mitbegründer der Konzeptkunst in den 1960er-Jahren. Auch darüber freut sich Anka Landtau.

Weitere Informationen
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Kunst im Kuhstall: Anka Landtau

Anka und Anders heißt das Atelier von Anka Landtau in Struxdorf. Draußen Idylle pur und drinnen, im ehemaligen Kuhstall: Kunst! 30 Min

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Klassisch in den Tag | 27.05.2022 | 08:20 Uhr

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Installationskunst

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