Bad Segeberg: Jüdische Gemeinde eröffnet Denkmal für alte Synagoge
Am 9. November 1938 schändeten Nazis die Synagoge in Bad Segeberg. Weil sie zwischen Wohnhäusern stand, wurde sie nicht niedergebrannt, 1962 jedoch abgerissen. Nun erinnert eine Stahlkonstruktion an die alte Fassade.
Ein grautrüber Novembermittag in Bad Segeberg. Nieselregen fällt auf die Stahlkonstruktion des Denkmals. Walter Blender, der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde, geht durch den Türrahmen der Gedenkstätte. Aus einer Stofftasche holt er Schmirgelpapier heraus und beginnt, die rechte Seite des Rahmens zu schleifen. Letzte Vorbereitungen für die Eröffnung.
Durchlässige Stahlkonstruktion erinnert an alte Synagoge
"Wir wollen hier noch eine Mesusa anbringen", erklärt Blender. "Das ist eine Kapsel, wo ein Gebet drin ist, eine Art Glaubensbekenntnis für alle Juden. Eine Mesusa wird immer an die Pfosten eines Hauses oder die Tore einer Stadt befestigt, so leicht schräg, damit dieses Haus oder diese Stadt gesegnet ist."
Auf der anderen Seite des Türrahmens ist ein Schild eingelassen. "In Gedenken an die ermordeten Mitglieder der jüdischen Gemeinde von Bad Segeberg" steht dort. Daneben: 67 Namen. Sie sollen nachdenklich machen, sagt Blender. Wie auch die Form des Denkmals an sich: eine durchlässige Stahlkonstruktion.
Walter Blender: "Wir haben kein schützendes Dach"
"Wir wollen damit zeigen, dass wir keine schützenden Wände haben und kein Dach", erzählt der Gemeindevorsitzende. "Gerade stehen wir drin und haben unsere Mütze, unsere Kapuze auf, weil es regnet. Wir haben kein schützendes Dach. Das soll die Symbolik sein. Und die Menschen sollen reingehen und sollen sich dessen bewusst werden. Die sollen sich das anschauen."
Die Stahlkonstruktion, acht Meter breit, knapp elf Meter hoch, ist der Original-Fassade der ehemaligen Synagoge nachempfunden, erklärt Architektin Ilka Weinreich vom Büro BAS: "Wenn man diese Kulisse sieht und dann guckt, wie die Fassade der Synagoge 1962 einmal aussah, dann kann man das übereinanderlegen. Hier ist wirklich die alte Fassade in Stahl abgebildet."
Stadthistoriker: "Dies ist ein lebendiger Ort geworden"
Die Baukosten von rund 55.000 Euro sind durch Spenden zusammengekommen. Vorher war an dieser Stelle eine Baulücke. Kaum etwas erinnerte an die ehemalige Synagoge, erzählt der Bad Segeberger Stadthistoriker Axel Winkler.
"Man hat jetzt schon eine Vorstellung von diesem Gebäude", so Winkler. "Und durch die Gestaltungselemente hinter dem Eingang, die Gedenktafel, den Davidstern, die Infotafeln und die Mikwe (rituelles Tauchbad, die Redaktion) ist dies ein lebendiger Ort geworden, wo man jetzt auch von der Schulklasse bis zum Altenheim Bildungsveranstaltung anbieten kann."
Eröffnung am Jahrestag der Reichspogromnacht
Ganz bewusst am 9. November, dem Jahrestag der Reichspogromnacht, eröffnet die jüdische Gemeinde ihr neues Denkmal. Es ist für ihn, sagt der Vorsitzende Walter Blender, eine Mahnung, nicht nur in die Vergangenheit zu schauen - sondern auch auf den Antisemitismus in unserer heutigen Zeit.
