Szene von "Alle krank" mit Agnes Wessalowsk © Klabauter Theater Hamburg

Brisante Fragen bei "Alle krank" im Klabauter Theater

Stand: 01.04.2022 13:59 Uhr

"Alle krank" heißt ein Stück im inklusiven Klabauter Theater, in dem Menschen mit Behinderung auf der Bühne stehen. Und dieses Stück stellt brisante Fragen.

Szene von "Alle krank" mit Agnes Wessalowsk © Klabauter Theater Hamburg
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von Peter Helling

"Ich hab ganz viel Mut und diese Mutkraft, die krieg ich immer von meinen Kollegen, und auch von Teresa, die macht mich ansteckend", sagt Agnes Wessalowski. Sie hat das Down-Syndrom und ist im Klabauter-Ensemble. Mit Teresa meint sie ihre Regisseurin Teresa Rosenkrantz: "Es ist so viel Kraft und Mut hier im ganzen Ensemble, dass wir uns gegenseitig mit Mut anstecken und wir auch die Vision haben, weitere Projekte miteinander zu machen."

"Alle krank" heißt das Stück des inklusiven Theaters, das jetzt nach vielen Monaten Corona-Pause wieder zurück auf die Bühne kommt. Agnes Wessalowski freut sich schon: "Mir macht es immer Riesenspaß, mit den Kollegen zu spielen. Auf der Bühne muss man sehr wach sein und mehr Konzentration haben." Das Ensemble betritt nacheinander die Bühne, kommt im Rollstuhl, an Krücken, setzt sich auf die Wartezimmerstühle einer Arztpraxis – und wetteifert darum, wer der aller-, allerkränkste ist.

Massageball wird bei "Alle krank" zum viralen Hauptdarsteller

Bei "Alle krank" wird mit viel Witz jede nur denkbare Krankheit ausgesprochen, um dieses Tabu zu hinterfragen, das Tabu von: Über Krankheit spricht man nicht! Leistung geht vor!
"Ist Gesundheit die Norm oder ist nicht ab und zu Kranksein die Norm?" Das Stück haben Teresa Rosenkrantz und ihr Team schon lange vor Corona entwickelt: Mit dem Virus wurde alles anders, plötzlich wurde ein kleiner roter Noppen-Massageball zum viralen Hauptdarsteller, erzählt Rosenkrantz: "Der lag hier rum, und wir haben damit gearbeitet und gespielt. Irgendwann ist uns aufgefallen: Der ist ja so ähnlich diesem ganzen Bild, das man ständig in den Medien sieht!"

Die in die Luft boxende Agnes Wessalowski wird von hinten mit dem fiesen roten Ball wohlig massiert, aber: Vorsicht, ansteckend! Und so heißt es im Stück: "Ich möchte mich frei bewegen. Ich sitze allein in meinem Zimmer. Ich wünsche mir, dass es endlich vorbei ist!"

Trost und Hoffnung in der Corona-Zeit

Inklusives Theater heißt: Menschen mit Behinderung schlüpfen in die Rollen, präsent und mit höchster Professionalität, so wie Agnes. Jetzt, wo mit Corona Krankheit allgegenwärtig ist, geht es besonders um Trost und Hoffnung. Persönliche Erfahrungen fließen auch mit ein, sagt die Schauspielerin: "Das ist für mich sehr bedrückend, und auf der Bühne, wenn wir hier spielen, muss man das Ganze rauslassen."

Für die Leiterin des Klabauter Theaters, Karin Nissen-Rizvani, kommt das Stück zur richtigen Zeit zurück auf die Bühne - mit dem typischen Klabauter-Humor, schön bissig, aber nie zynisch: "Hier ist es so ein Kaleidoskop auch von Traurigkeit, die da mitschwingt, dieser Vielfalt an Krankheitsmöglichkeiten, aber trotzdem auch was Tröstendes, so ganz einfach auch, wie so ne Hühnersuppe, die da medial gekocht wird für die Zuschauer."

Ein Theaterabend, der auf freche Weise Mut macht

Dem engagierten Theater mit seinem 13-köpfigen Ensemble geht es ansonsten gut, sagt Karin Nissen-Rizvani, der Faden zum Publikum ist nicht gerissen. Und: Inklusives Theater werde mittlerweile ganz anders wahrgenommen. Als Ausdruck der Vielfalt auf der Bühne, völlig gleichberechtigt: "Das ist jetzt nicht mehr darauf beschränkt: 'Oh, jetzt gehen wir in das inklusive Ensemble Klabauter', sondern: 'Wir schauen uns eine Welt an.'"

Eine poetische Welt der Körper und Gedanken, wo gesungen und schlafwandlerisch über die Bühne getanzt wird. "Alle krank" ist ein Abend, der auf freche Weise: Mut macht.

 

Brisante Fragen bei "Alle krank" im Klabauter Theater

"Alle krank" heißt ein Stück im inklusiven Klabauter Theater, in dem Menschen mit Behinderung auf der Bühne stehen.

Art:
Bühne
Datum:
Ort:
Klabauter Theater
Jungestraße 7a
20535 Hamburg
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Dieses Thema im Programm:

NDR 90,3 | Kulturjournal | 01.04.2022 | 19:00 Uhr

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