Stand: 22.01.2020 16:25 Uhr

Rundfunkbeitrag: Sind 86 Cent mehr zu wenig?

von Daniel Bouhs
Der Rundfunkbeitrag liegt bei 17,50 Euro, obwohl die Kosten 18,35 Euro betragen - Rücklagen haben den Preis stabil gehalten. Nun soll der Beitrag wohl auf 18,36 Euro erhöht werden. © NDR
Der Rundfunkbeitrag liegt bei 17,50 Euro, obwohl die Kosten 18,35 Euro betragen - Rücklagen haben den Preis stabil gehalten. Nun soll der Beitrag wohl auf 18,36 Euro erhöht werden.

Ein Rundfunkbeitrag von 18,36 Euro, das ist der vorläufige Vorschlag von Heinz Fischer-Heidlberger und vieles spricht dafür, dass es bei diesem Korridor bleibt, wenn er Ende Februar in Berlin Endgültiges vorstellen wird. Fischer-Heidlberger leitet die KEF, die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten. Vor allem Vertreter der Landesrechnungshöfe durchleuchten die Bücher von ARD, ZDF und Deutschlandradio. Sie rechnen nach, wie viel Geld die Sender brauchen, um ihren Auftrag zu erfüllen und wie hoch der Rundfunkbeitrag dafür sein muss. Fischer-Heidlberger sagt nun also: "Der Rundfunkbeitrag soll in der nächsten Periode um 86 Cent steigen - wenn die Länder dieses nachher dann so beschließen".

VIDEO: Rundfunkbeitrag ist auch ein Politikum (6 Min)

Beitragserhöhung de facto eine Nullrunde

Für Beitragszahlerinnen und Beitragszahler sieht das nach einem ordentlichen Aufschlag aus. Aktuell zahlen sie 17,50 Euro. WDR-Intendant Tom Buhrow, der seit Januar auch Vorsitzender der ARD ist, mahnt jedoch: Eigentlich wäre das nur ein Aufschlag von einem Cent. De facto liege der Beitrag für die Sender schon heute bei 18,35 Euro. Tatsächlich brauchen die Sender Rücklagen auf. Sie häuften sich einst an, als nach der Umstellung von der früheren geräteabhängigen Rundfunkgebühr auf den Rundfunkbeitrag pro Haushalt mehr Geld ankam beim Beitragsservice, der früheren GEZ. Wenn der Rundfunkbeitrag ab 2021 also bei 18,36 läge, wäre es für die Sender praktisch eine Nullrunde, abzüglich der Inflation sogar ein Minus.

KEF-Chef sieht Sender ausreichend finanziert

"Wir werden uns verschlanken müssen", sagt Buhrow. KEF-Chef Fischer-Heidlberger hält dagegen. Dass die Sender unterfinanziert seien, davon könne "überhaupt keine Rede" sein - selbst wenn sich im Gefüge noch der Anteil von der ARD zum ZDF verschieben sollte, wie die ARD kritisierte. Für Fischer-Heidlberger geht es um die Ehre. "Dann hätten wir unsere Aufgabe nicht richtig gemacht", sagt der Leiter der Prüfgruppe. "Wir stellen den Bedarf für die Anstalten für die Zeit von 2021 bis 2024 fest. Und da sind die Anstalten alle ausreichend finanziert - auch die ARD."

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Eigenmittel der Sender als Sparpotential

Die Prüfung ist kompliziert. Bei der KEF landen zunächst Anmeldungen der Sender: ARD, ZDF und Deutschlandradio rechnen vor, was sie glauben, für die Erfüllung ihres Auftrags zu brauchen, den die Länder in Rundfunkstaatsverträgen festlegen - also wie viel Geld für Personal, für Technik, für Lizenzen und die Infrastruktur. Die KEF rechnet dann hoch, wie viel über den Rundfunkbeitrag wohl reinkommen wird. Sie sucht auch nach Sparpotenzial. Aktuell hat sie beim WDR und beim SWR "Eigenmittel" entdeckt. Die KEF will den Beitrag drücken - zulasten aller Sender.

Beitragsumstellung führte zu Mehreinnahmen - auch in Zukunft?

Dieses Modell hat allerdings auch seine Tücken. Zwar zeigt ein Blick in die Statistik: Seit der Umstellung auf den Rundfunkbeitrag 2013 steigt in Deutschland die Zahl der Haushalte. Beim Prinzip "Ein Haushalt, ein Rundfunkbeitrag" kommt so selbst bei einem gleichbleibenden Beitrag mehr rein. Seit der Beitragsservice Meldedaten der Behörden abgleicht, steigt auch die Zahl der "Beitragskonten", also der Haushalte, die auch die Sender erfasst haben, genauso die Zahl fast alle gewerblichen "Beitragskonten" wie gewerbliche KFZ, Betriebsstätten und Gästezimmer. Letztlich kann die KEF in ihren Berechnungen aber nur auf eine Prognose setzen.

Buhrow: "KEF ist optimistischer als unsere Experten"

"Ich höre solche und solche Meinungen dazu", sagt der ARD-Vorsitzende Buhrow. "Die KEF ist etwas optimistischer, als unsere Experten das sind." KEF-Chef Fischer-Heidlberger betont wiederum, seine Kommission habe "gute Prognosefähigkeiten bewiesen". Eine Wette sei sein Modell jedenfalls nicht. "Wir finden auch immer einen Weg, wenn es wirklich mal Abweichungen gäbe." Gegebenenfalls könnte der Beitrag schon nach zwei Jahren korrigiert werden. So war das auch nach der Umstellung auf den Rundfunkbeitrag, damals wurde er sogar gesenkt, von 17,98 auf 17,50 Euro.

Runkfunkbeitrag als Politikum im Wahlkampf

Ein besonderes Risiko für die Sender sind aber auch die Länder. Beim Rundfunk braucht es 16:0-Entscheidungen: Erst müssen alle Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten zustimmen, dann alle Landtage. Während etwa alle Länder im NDR-Sendegebiet für eine Erhöhung des Rundfunkbeitrags sind, ist vor allem die politische Stimmung in Sachsen-Anhalt seit Jahren dagegen. Ministerpräsident Reiner Haseloff sprach schon 2018 in einem Zeitungsinterview offen davon, dass Beitragsstabilität Priorität habe - "auch nach 2021". Das Motiv ist offensichtlich: Sachsen-Anhalt wählt 2021, die AfD ist stark und wirbt mit der Abschaffung des Rundfunkbeitrags, da käme eine Erhöhung am Anfang des Wahljahres ungelegen.

Bundesverfassungsgericht garantiert Finanzierung

ZDF-Intendant Thomas Bellut © NDR
ZDF-Intendant Bellut akzeptiert den KEF-Vorschlag, kündigt aber Sparmaßnahmen an: "Wir werden versuchen, dass man es nicht in der Primetime spürt. Es werden aber Punkte definiert, wo wir weniger machen müssen."

Den Intendanten bliebe der Gang nach Karlsruhe. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits entschieden, dass von einem Vorschlag der Finanzkommission KEF nur in besonderen Ausnahmesituationen abgewichen werden kann. Tom Buhrow, der neue ARD-Vorsitzende, hält sich mit solchen Drohungen indes zurück. Er geht der offenen Konfrontation mit der Politik aus dem Weg und gibt sich kompromissbereit. Auch ZDF-Intendant Bellut hält nichts von einem Rechtsstreit in Sachen Rundfunkbeitrag. Auch wenn der aktuelle KEF-Vorschlag ihm neue finanzielle Grenzen für den Sender setze: "Ich akzeptiere das," erklärte er bei einem Pressegespräch in Berlin. Und kündigte Sparmaßnahmen an. Für Beobachter hat das System.

"Eine moderate Erhöhung ist besser als gar keine Erhöhung"

Claudia Tieschky von der "Süddeutschen Zeitung" im Interview mit ZAPP. © NDR
Claudia Tieschky von der "Süddeutschen Zeitung" glaubt, dass die Intendanten einen Rechtsstreit vermeiden wollen.

"Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat in den letzten Monaten verstanden, dass er für Verständnis werben muss", sagt die medienpolitische Expertin der "Süddeutschen Zeitung", Claudia Tieschky. Sie verweist etwa auf die Schweiz, in der vor bald zwei Jahren sogar darüber abgestimmt wurde, ob es die Rundfunkgebühr überhaupt noch geben soll. "Eine moderate Erhöhung ist besser als gar keine Erhöhung oder einen Gang vors Bundesverfassungsgericht. Und ich denke, damit hat es zu tun, dass man da auch versucht, einen realistischen Weg zu finden."

Buhrow will Prioritäten setzen, Regionalität stärken

ARD-Vorsitzender Buhrow sagt dann auch, er wolle "nicht das ganze Jahr 2020 jammern", dass das Geld nicht reichen werde. "Die Bevölkerung will uns offenbar schlanker aufstellen. Und ob uns das gefällt oder nicht, wir müssen uns der Herausforderung stellen." Wie das gehen soll, will er mit den übrigen acht Intendantinnen und Intendanten der ARD besprechen. Sein Vorschlag: Prioritäten setzen und dabei vor allem in die Regionen gehen und so die Nähe suchen zur Bevölkerung. "Alle anderen Anstalten sind großflächig unterwegs. Wir sind da."

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Dieses Thema im Programm:

ZAPP | 22.01.2020 | 23:15 Uhr