Jan Ullrich führt bei der Tour de France 1997 das Fahrerfeld im Gelben Trikot an. © imago sportfotodienst
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AUDIO: Jan Ullrich gesteht Doping (2 Min)

Jan Ullrich gesteht: "Ja, ich habe gedopt"

Stand: 23.11.2023 17:49 Uhr

Kurz vor seinem 50. Geburtstag hat Tour-de-France-Sieger Jan Ullrich erstmals ein klares Dopinggeständnis abgegeben. "Ja, ich habe gedopt", sagte der einstige Radsport-Held aus Rostock bei der Vorstellung der Dokumentarserie "Jan Ullrich - Der Gejagte", die kommende Woche bei einem Streamingdienst läuft.

Er habe sich "schuldig gemacht", führte Ullrich aus, der auch erstmals ausführlich über Eigenblutdoping in seiner Vergangenheit als Profi gesprochen hatte. "Ich wusste intern, dass ich mich auch medizinisch anpassen musste", sagte der 49-Jährige. Es sei im dopingverseuchten Radsport der damaligen Zeit "immer nur um Chancengleichheit" gegangen.

"Wenn ich meine Geschichte erzählt hätte, hätte ich viele schöne Jahre gewinnen können. Ich hatte die Eier nicht. Es tut total gut, es auszusprechen." Jan Ullrich

Erstmalig habe Ullrich im Sommer 2003 Kontakt zu dem heute berüchtigten Dopingarzt Eufemiano Fuentes aus Spanien aufgenommen. "Ich wollte gerne gewinnen und an meine Erfolge anschließen. Ich hatte damals ein neues Team und da wurde mir dann Dr. Fuentes empfohlen. So bin ich da gelandet", sagte er.

Kurz vor dem Start der Tour de France 2006 sollte Ullrich diese Verbindung zum Verhängnis werden - er wurde von seinem Team T-Mobile ausgeschlossen und beendete 2007 schließlich seine Karriere.

Ullrich: "Bei mir ging es 1996 los"

Das Blutdoping sei aber, betonte der Tour-de-France-Sieger von 1997, aus sportlicher Sicht nur "das letzte Quäntchen" gewesen. "Du musst trotzdem das Riesentalent haben, trotzdem fleißig sein und das ganze Leben unterordnen." Sorgen um seine Gesundheit machte sich Ullrich damals keine - "weil alles medizinisch kontrolliert war. Letzendlich war es mein eigenes Blut, das ich mir abnehmen ließ - etwas Natürliches", sagte er. 

Ein Profilbild zeigt den ehemaligen Radrennprofi Jan Ullrich (Archivbild). © picture alliance/dpa Foto: Guido Kirchner
AUDIO: Ullrich-Geständnis: Mehr Details wünschenswert (3 Min)

Andere Formen der unerlaubten Leistungssteigerung seien aber auch zu Beginn seiner Profikarriere 1995 bereits gang und gäbe gewesen, wie Ullrich betonte: "Bei mir ging es 1996 los. Als ich damit in Kontakt kam, gab es schon Substanzen, die nicht zu kontrollieren waren. Es war schon ein paar Jahre im Radsport drin. Der Radsport hatte damals schon ein Problem."

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Kein "Betrug" - es ging nur um "Chancengleichheit"

Der hochveranlagte Rostocker habe sich deshalb gezwungen gesehen, ebenfalls zu Dopingmitteln zu greifen. "Als ich gemerkt habe, dass ich die Chancengleichheit nicht mehr habe, kam auch das Mentale dazu. Du hast dein ganzes Leben geopfert, du weißt, du hast das Talent in dir, wirst jedes Jahr besser. Und dann zu wissen, dass man sonst von vornherein keine Chance hat, war das Schwerste", sagte Ullrich. Es sei ihm nie darum gegangen, "jemanden zu betrügen oder sich einen Vorteil zu verschaffen, sondern um Chancengleichheit".

"Ich kann nur über mich reden. Ich will keinen mit reinziehen. Ich weiß viel mehr, aber ich würde es nie sagen. Das ist aber auch eine Charakterfrage." Jan Ullrich

Zur Gefahr, dass ihm möglicherweise sein Titel - der bislang einzige eines deutschen Radfahrers - aberkannt wird, sagte er: "Ich weiß, was ich geleistet habe. Ich persönlich glaube, mir steht der Titel zu. Das müssen andere entscheiden. Aber in meinem Herzen bin ich Tour-de-France-Sieger."

Nada-Vorstandschef Lars Mortsiefer jedenfalls erwartet nach dem Doping-Geständnis Ullrichs keine Aberkennung des Titels. "Das glaube ich nicht, die zehnjährige Verjährungsfrist steht in den Anti-Doping-Regeln und ist maßgeblich. Es wird ihn deshalb sanktionstechnisch wohl nichts mehr drohen", sagte der Vorstandsvorsitzende der Nationalen Anti-Doping-Agentur (Nada).

Hoffnung auf Comeback im Radsport

Das ganze Thema Doping will Ullrich nun abschließen und würde sich nach seinem Geständnis sehr über eine zweite Chance freuen. "Vielleicht kann man das irgendwann ad acta legen, dass ich auch mal wieder im Radsport irgendetwas machen kann. Warum nicht?", sagte der gebürtige Norddeutsche. "Ich habe so viel Erfahrung und ich liebe den Sport nach wie vor. Das ist meine Leidenschaft." Dass in der Szene ein Umdenken über ihn einsetze, könne er zwar nicht erwarten, aber darauf hoffen.

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Dieses Thema im Programm:

NDR 2 Sport | 22.11.2023 | 23:03 Uhr

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