Marvin Pourie (r.) geht im Training des TSV 1860 München Torben Hoffmann an den Kragen (Foto aus dem Jahr 2009) © IMAGO / Lackovic Foto: Lackovic

Meppen bei 1860: Pourié hat noch eine Rechnung offen

Stand: 09.08.2022 12:03 Uhr

Fußball-Drittligist SV Meppen gastiert heute Abend beim TSV 1860 München. Für Torjäger Marvin Pourié ist es die Rückkehr an eine seiner vielen alten Wirkungsstätten. Gute Erinnerungen hat er nicht an seine Zeit in Giesing.

von Hanno Bode

Dass Profifußballer während oder nach dem Ende ihrer Laufbahn eine Autobiografie verfassen, ist nicht ungewöhnlich. Beim Schmökern der allzu oft leider recht seichten Lektüren erfährt der Leser dann zumeist ein paar gar nicht mal so interessante Interna aus dem Innenleben von Mannschaften und bekommt einen Einblick ins häufig ohnehin gar nicht so private Privatleben der Stars oder Sternchen. Das gründet gewiss auch darauf, dass nicht jede Lebensgeschichte so spannend ist, wie Außenstehende vielleicht vermuten würden.

Sollte sich Marvin Pourié, 31 Jahre alt und seit 2009 Berufsfußballer, dazu entschließen, ein paar Zeilen über seine Karriere zu verfassen, könnte dieses Machwerk indes sehr großen Unterhaltungswert haben. Denn der aus Werne stammende und einst beim FC Liverpool ausgebildete Torjäger kann inzwischen über Erlebnisse von 14 Vereinsstationen berichten.

Eine ganz besondere Episode seiner bewegten Laufbahn stammt aus seiner Zeit bei den Münchner "Löwen", bei denen Pourié heute Abend (19 Uhr, im Liveticker bei NDR.de) mit Meppen antritt.

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Schwere Anfangszeit unter Wolf bei den "Löwen"

Am Freitagmorgen des 24. April 2009 beauftragt 1860-Coach Uwe Wolf den damals 18-Jährigen, zehn gelbe und ein orangenes Leibchen mit auf den Trainingsplatz zu nehmen. "Das ist eine ganz normale Aufgabe für den Jüngsten im Kader", erklärt der Übungsleiter später. Wolf, einst eisenharter Verteidiger, ist ein Disziplinfanatiker. Dass der vom FC Schalke 04 an den Zweitligisten ausgeliehene Pourié die Jerseys in der Kabine vergisst, schmeckt dem früheren Mexiko-Legionär nicht. Schließlich sagt er über sein hoffnungsvolles Sturmtalent: "Er soll sich hochdienen."

Wer die Leibchen schließlich auf den Trainingsplatz gebracht hat, lässt sich heute nicht mehr eruieren. Pourié erhält jedenfalls keines, als das Abschlussspiel der Übungseinheit ansteht. Dafür aber Torben Hoffmann, der wie weiland Wolf eher ein rustikaler Vertreter der kickenden Zunft ist. Und der aus Kiel stammende Verteidiger geht dann auch gleich mal einer seiner Leidenschaften nach: dem Grätschen.

Trainingszoff bei 1860 nach Foul

Hoffmann bringt, um es gelinde auszudrücken, Pourié mit unlauteren Mitteln zu Fall. Der Youngster ist über das harte Einsteigen des Defensiv-Spezialisten erbost, fordert einen Freistoß. Die Replik des Übeltäters: "Halt die Fresse und spiel weiter!" Mit dieser Aussage geht Wolf konform. Er lässt das Spiel weiterlaufen. "Es liegt in meinem Ermessen, ob ich abpfeife. Manchmal will man ja was rauskitzeln beim Spieler. Das ist willkommene Aggressivität", erklärt der Coach später. Dass seine Maßnahme pädagogisch wertvoll war, ist doch eher anzuzweifeln. Denn danach eskaliert die Situation.

Pourié, von der Statur her damals eher ein Fliegengewichtler, geht Hoffmann - Typ Schwergewichtler - an den Kragen. Beide eifern ein paar Sekunden einer echten Boxlegende namens Mike Tyson nach, bevor Mannschaftskameraden die sturen Streithähne trennen können. Damit ist das Trainings-Theater allerdings noch nicht beendet. Was nun folgt, hätte auch gut im Komödienstadel aufgeführt werden können und wäre ziemlich sicher mit großem Applaus bedacht worden.

Papa Pourié ruft: "Marvin, wir gehen!"

Denn neben dem empörten Pourié, Raubein Hoffmann und Taktik-Tüftler Wolf gibt es an diesem Freitagmorgen noch einen weiteren Hauptdarsteller in der Giesinger Geschichte. Der heißt Rüdiger Pourié, ist Vater der Sechziger Sturmleihgabe und wie immer bei jedem Training seines Sohnes anwesend. An diesem Tag hat er es offenbar eilig. Oder vielleicht ist das Familienoberhaupt auch einfach nicht mit dem Wolfschen Weg einverstanden. Jedenfalls ruft Papa Pourié nun aufs Feld: "Marvin, wir gehen!"

Und sein Sohnemann macht sich tatsächlich auf den Weg, obwohl er von seinem Coach noch klipp und klar gesagt bekommen hat, dass er keine Sekunde mehr unter ihm spielen werde, wenn er das Training abbrechen würde. Damit ist das letzte Wort allerdings noch nicht gesprochen. Dieses hat nämlich Vater Pourié, der beim Verlassen des Platzes in Richtung Hoffmann ruft: "Dich krieg ich noch!"

Nach München-Engagement auf Tingeltour

Angreifer Marvin Pourie vom Fußball-Drittligisten Eintracht Braunschweig © imago images / Hübner Foto: Hübner
Marvin Pourié spielte unter anderem 2020 ein halbes Jahr für Eintracht Braunschweig.

Das Sechziger Schmierentheater endet schließlich mit dem Rauswurf Pouriés aus dem Profikader. Doch auch Wolf ist ein paar Spieltage später Geschichte bei den "Löwen". Der Coach wird wegen Erfolglosigkeit gefeuert. Beide haben seitdem gemein, dass sie auf der ganz großen Fußball-Bühne nicht mehr aufgetaucht sind. Pourié kickte unter anderem in Dänemark, Belgien und Russland sowie in Liga zwei und drei in Deutschland. Lange hielt es der 31-Jährige nirgendwo aus. Nun feierte er seinen Einstand in Meppen gleich mit einem Hattrick gegen Zwickau.

Wolf wechselte zwar nicht die Vereine wie seine Unnerbüx, doch mit Ausnahme eines Engagements bei Wacker Burghausen (von 2013 bis 2017) wurde er auch nirgendwo lange sesshaft.

In Würzburg zwischenzeitlich suspendiert

Und vielleicht sind die beiden Charakterköpfe sich ja auch viel ähnlicher, als sie es seit gemeinsamen Tagen in Giesing glauben. Denn in der vergangenen Serie einte sie beinahe dasselbe Schicksal: Pourié wurde bei den Würzburger Kickers zwischenzeitlich suspendiert, Wolf beim Regionalligisten VfR Aalen gar unehrenhaft entlassen. Die vom Club veröffentlichten Vorwürfe gegen den Coach reichten von "Bedrohung von Vereinsmitarbeitern" über "Pöbeleien (und Lügen) gegenüber Sponsoren" bis hin zu "vereinsschädigenden Falschaussagen".

Seitdem ist der 54-Jährige vereinssuchend. Er hätte also Zeit, an einer Autobiografie zu arbeiten. Spannend wäre sie wohl allemal. Und Marvin Pourié dürfte vermutlich auch in einem Kapitel vorkommen ...

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Eine Fußballtabelle vor eine Fußballmotiv © Colourbox Foto: Taweesak Jarearnsin

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Dieses Thema im Programm:

NDR 2 Sport | 09.08.2022 | 23:03 Uhr

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