Kommentar: Messis Argentinien ist Fußball- und Fan-Weltmeister
Nach vier Wochen ist in Argentinien der Weltmeister 2022 gefunden. Aber es gibt noch einige andere "Weltmeister" - vom Weltmeister der Herzen bis zu Möchtegern-Weltmeistern. Ein Kommentar zum Turnier in Katar.
Argentinien ist Weltmeister, und Lionel Messi im fortgeschrittenen Fußballeralter von 35 Jahren endlich am Ziel. Das ist fast schon kitschig, aber sehr, sehr schön. Und es ist verdient. Die Argentinier haben sich nach der blamablen Niederlage zum Auftakt gegen Saudi-Arabien erst ins Turnier zurückgekämpft, dann zurückgezaubert mit einem genialen Messi, an dessen Seite seine Mitspieler gewachsen und über sich hinausgewachsen sind.
Argentiniens Fans erzeugen unglaubliche Energie
Er ist für mich der weltbeste Spieler der vergangenen 15 Jahre. Die Argentinier wollten diesen Titel so sehr und haben in Verbindung mit ihren vielen, vielen Fans eine Energie erzeugt, wie ich sie selten in einem Stadion erlebt habe. Die Gesänge, die Lautstärke, die Melodien, die Hingabe, die Emotionen.
Spiele mit Argentinien waren einzigartige Erlebnisse. Und deshalb ist Argentinien für mich nicht nur Fußball-Weltmeister, sondern auch Fan-Weltmeister. Zu Zehntausenden sind sie nach Katar gekommen, in ihren himmelblau-weiß gestreiften Trikots, 13.000 Kilometer von der Heimat entfernt, weit weg von einem Land, dem es wirtschaftlich sehr schlecht geht.
Marokko macht Afrika stolz und glücklich
Mein Weltmeister der Herzen kommt aus Marokko. Das erste afrikanische Team in einem WM-Halbfinale. Endlich! Die Marokkaner haben Belgien, Spanien und Portugal geschlagen, große Teams aus Europa. Sie haben gezeigt, was mit Leidenschaft und guter Abwehrarbeit alles möglich ist. Diese Mannschaft hat viele Menschen in Afrika, im arabischen Raum und in der muslimischen Welt stolz und glücklich gemacht.
Fehlende Fußball-Kultur in Katar
Kommen wir zum Fake-Weltmeister. Das ist für mich der junge Mann, den ich nach dem Viertelfinale zwischen Brasilien und Kroatien an der Metrostation traf. Er zog sich sein Brasilien-Trikot aus. Zum Vorschein kam ein Argentinien-Trikot, und in seiner Hand hielt er eine Kroatien-Fahne. Er steht für mich sinnbildlich für die fehlende Fußballkultur in Katar, für die Massenflucht vieler einheimischer Fans ab der achtzigsten Minute, für viele leere Plätze in den Stadien.
Deutschland nur der Moral-Weltmeister
Bleiben noch die Möchtegern-Weltmeister. Diesen Titel teilen sich Deutschland, Belgien und Spanien. Mit großen Erwartungen angereist, mit großer Enttäuschung abgereist. Die deutsche Elf hat immerhin den Titel Moral-Weltmeister mit nach Hause genommen. Der DFB wollte mit der One-Love-Binde ein politisches Statement setzen, war bei seiner Vorbereitung und Ausführung aber so dilettantisch, dass ich zum Abschluss dem deutschen Verband vor allem eines wünsche: Gute Besserung!