Fußball-Profi Felix Nmecha im Trikot des VfL Wolfsburg © IMAGO/regios24 Foto: Darius Simka

Datenanalyse: Wie gut ist Dortmunds Neuer Felix Nmecha wirklich?

Stand: 04.07.2023 12:20 Uhr

Neuzugang Felix Nmecha vom VfL Wolfsburg soll Borussia Dortmund bis zu 30 Millionen Euro wert sein. Dabei haben sogar Teile der BVB-Fans gegen den Transfer protestiert. Aber was hat der 22-Jährige drauf? Das sagt die Datenanalyse:

von Florian Neuhauss

Bei der Vertragsunterschrift in Dortmund baumelte Nmecha ein silbernes Kreuz an einer Halskette aus dem T-Shirt. Sein christlicher Glaube ist dem Fußball-Profi wichtig. Das hat ihm schon viel Ärger eingebracht. Einige von ihm bei Instagram geteilten Beiträge waren homophob und queerfeindlich. Gerade BVB-Fans aus der LGBT-Community wollten deshalb erreichen, dass ihr Club den Transfer platzen lässt.

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Felix Nmecha im Trikot des Fußball-Bundesligisten VfL Wolfsburg © IMAGO / RHR-Foto

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Kann Nmecha die Lücke im Mittelfeld füllen?

Die Dortmunder Verantwortlichen verpflichteten den offensiven Mittelfeldspieler nach einem Gespräch und Beteuerungen, falsch verstanden worden zu sein ("Ich liebe alle Menschen") trotzdem und sind offenbar von seinem sportlichen Wert vollkommen überzeugt. Man könnte fast meinen, der gebürtige Hamburger, der aus dem Nachwuchs von Manchester City stammt und in Wolfsburg zum Nationalspieler (ein Einsatz) wurde, sei so etwas wie der Heilsbringer. Die Borussia hat nämlich ein Vakuum im Mittelfeld zu füllen, das der zu Real Madrid (103 Millionen Euro) gewechselte Jude Bellingham hinterlassen hat.

Aber kann Nmecha, der einen Vertrag bis 2028 erhielt, die Lücke füllen? Und ist er sein Geld wert? Ein Blick in die Daten zeigt einige Stärken, aber auch Schwächen und lässt eine klare Aussage zur Höhe der Ablösesumme zu.

Viel Lob von Kovac und Kehl

Zunächst das Positive: Die Liste der Stärken des 1,90-Meter-Mannesm kann sich sehen lassen. Passspiel, Technik, Ballverarbeitung, das offensive Eins-gegen-eins genauso wie Kreativität und Übersicht gehören dazu. "Er hat schon ziemlich gute Fähigkeiten - vor allem am Ball", sagte Wolfsburgs Coach Niko Kovac vor einigen Monaten anlässlich der Berufung des Spielers für die A-Nationalmannschaft: "Trotz seiner Körpergröße findet er Lösungen mit dem Ball - unter Druck, in engen Räumen."

"Wir sind froh, einen weiteren deutschen Nationalspieler für uns begeistert zu haben und sind davon überzeugt, dass die Entwicklung von Felix noch lange nicht am Ende ist." BVB-Sportdirektor Sebastian Kehl

Ähnliches ließe sich über Bellingham sagen, der nur vier Zentimeter kleiner ist als Nmecha. Den haben die Dortmunder übrigens vor drei Jahren ebenfalls für rund 30 Millionen Euro aus Birmingham verpflichtet. Der Engländer war damals allerdings erst 17 Jahre alt - also fünf Jahre jünger als Nmecha heute.

BVB-Sportdirektor Sebastian Kehl geht davon aus, dass Nmecha "unser Mittelfeld durch sein Profil sowohl offensiv als auch defensiv bereichern wird". Der Neuzugang sei "schnell, technisch versiert und physisch stark".

Und in der Tat: Zu Nmechas Vorzügen zählen neben der Kopfballstärke auch der Antritt, die Beweglichkeit und mit einem Topspeed von 34,67 km/h das Tempo.

Statistische Werte bisher eher mittelmäßig

Doch in Zählbarem hat sich das bisher nicht so recht niedergeschlagen. In seinen 46 Bundesliga-Einsätzen kommt der jüngere der beiden Nmecha-Brüdern auf zehn Torbeteiligungen. Neun davon sammelte der Norddeutsche zwar in der vergangenen Saison (30 Spiele), aber auch mit den drei Toren und sechs Vorlagen liegt der 22-Jährige gerade einmal auf dem geteilten 63. Platz der Scorerliste. Sogar BVB-Verteidiger Nico Schlotterbeck (4/6) verbuchte einen Punkt mehr.

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In der abgelaufenen Saison gibt es keine Statistik, in der Nmecha herausragen würde. Mit 2,46 erfolgreichen Offensivaktionen und 2,87 Dribblings je 90 Minuten belegt er unter den zentralen und offensiven Mittelfeldspielern ligaweit jeweils lediglich Platz 16. Auch bei den Ballkontakten im gegnerischen Strafraum (1,73), den progressiven Läufen (1,14), Schlüsselpässen (0,41), kettenüberspielenden Pässen (1,14) und den geblockten Schüssen (0,36) schnitten allein auf seiner Position immer mindestens 15 Spieler in der Liga besser ab als er.

Immerhin: Bei Schüssen (1,64), Vorlagen (0,18) und den gewonnenen Kopfballduellen (61,46 Prozent) landet er zumindest in den Top Ten.

Wie viel "Luft nach oben" hat Nmecha noch?

"Wir sind froh, einen weiteren deutschen Nationalspieler für uns begeistert zu haben und sind davon überzeugt, dass die Entwicklung von Felix noch lange nicht am Ende ist", erklärte Kehl und wiederholte damit mehr oder weniger eine Aussage von Kovac, der seinerzeit gesagt hatte, Nmecha habe noch Luft nach oben.

Bereiche, in denen er sich steigern kann, gibt es reichlich. Da ist zunächst die fehlende Konstanz in seinen Leistungen. Nicht bloß von Spiel zu Spiel, sondern schon innerhalb der 90 Minuten. Seine Flanken sind oft zu ungenau. Und auch wenn Kehl an die defensiven Stärken des Mittelfeldmannes glaubt, hat dieser hier die größten Schwächen: allgemein im defensiven Zweikampf, aber auch schon beim taktischen Verhalten und bei seiner Positionsfindung.

Errechneter Marktwert bei 13,5 Millionen

Rund um das Westfalenstadion ist man hohe Preise längst gewohnt. Mit 30 Millionen Euro liegt die Ablösesumme nur fünf Millionen unter der Rekordablöse, die der BVB 2016 für Ousman Dembélé gezahlt hat. Und der Franzose hat die Latte zu seinen Glanzzeiten sehr hoch gelegt.

Nmecha dagegen hat Weltklasse bisher nicht gezeigt. Mit einem GSN-Index von 75,54 fällt er gegenüber seinen neuen Mitspielern (meist um die 80 Punkte) auch deutlich ab. Mit seinem möglichen GSN-Index von 81,29 würde er sich dann schon eher ins Team einreihen - hervorstechen allerdings auch nicht.

GSN beziffert den Marktwert von Felix Nmecha auf 13,5 Millionen Euro. Dass Dortmund mehr als das Doppelte bezahlt, weckt Erwartungen, die der Spieler womöglich auch perspektivisch nicht erfüllen kann. 30 Millionen Euro können so zu einer schweren Last auf den Schultern eines Mannes werden, der noch am Anfang seiner Karriere steht.

Gutes Geschäft für den VfL Wolfsburg

Der Deal ist deshalb vor allem ein Glücksfall für Wolfsburg. Der VfL kassiert nicht nur eine Ablösesumme, die deutlich über dem errechneten Marktwert liegt. Er erspart sich auch weitere Diskussionen über die Social-Media-Posts von Felix Nmecha. Der bekam zwar nach der Bekanntgabe des Wechsels nach Dortmund auch einigen Zuspruch. Viele BVB-Fans kritisieren den Transfer aber weiter scharf und sind tief enttäuscht. Der BVB geht somit zwei Risiken ein: zum einen im Verhältnis zu einigen Anhängern, zum anderen sportlich.

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Dieses Thema im Programm:

NDR 2 Sport | 03.07.2023 | 23:03 Uhr

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