Fans protestierten wochenlang gegen das Sicherheitskonzept der DFL.
Der 12. Dezember 2012 war ein denkwürdiges Datum im deutschen Fußball. Die 36 Proficlubs verabschiedeten in Frankfurt nach wochenlangen Fan-Protesten und Diskussionen auf allen Ebenen mit großer Mehrheit das umstrittene Sicherheitskonzept der Deutschen Fußball Liga (DFL). Zweitligist FC St. Pauli hatte einen Antrag auf eine Verschiebung der Abstimmung gestellt - vergebens. Dem hätten vier weitere Clubs zugestimmt, sagte Ligapräsident Reinhard Rauball. 31 Vereine lehnten dies ab. St. Paulis Sprecher Christian Bönig bestätigte, dass der Verein keinem der 16 Anträge zugestimmt habe. Alles in allem reagierte der Norden gespalten auf die Entscheidung der DFL-Mitgliederversammlung zum Papier "Sicheres Stadionerlebnis". Reaktionen im Überblick:
"Das Ergebnis ist sehr unschön. Ich gehe davon aus, dass es neue Proteste geben wird. Das wurde auch am Mittwoch in Frankfurt von den rund 1.000 Fans, die vor Ort waren, schon diskutiert. Neue Stimmungsboykotte oder andere Aktionen könnten sich auch bis in den März hineinziehen. Wir werden nun abwarten, wie sich die DFL und die Vereine in der Umsetzung verhalten. Wenn die DFL sagt, nach uns die Sintflut, wäre das das komplett falsche Zeichen."
"Ich bin froh, dass den Anträgen zugestimmt worden ist und wir jetzt erst einmal die Richtung vorgegeben haben. Ich glaube, das ist eine sehr positive Sache. Einige fühlten sich in der Diskussion mit den Fans noch nicht so weit. Aber ich sehe das anders. Ich glaube, dass bei den einzelnen Themen im Moment kein Nachholbedarf besteht. Was wir jetzt untermauert haben sind Dinge, die bisher auch schon so waren. Verschärfte Körperkontrolle zum Beispiel sind jetzt schon möglich. Wer das nicht möchte, der muss auch kein Spiel besuchen. Das ist einfach so. Dinge wie Nacktscanner wollen wir auch nicht. Aber wir wollen genaue Kontrollen, weil wir wollen, dass das Stadion sicher ist. Wer das nicht mitmachen möchte, der hat etwas zu verbergen, das ist meine Meinung. Kontrollen müssen natürlich auch in einer vernünftigen Art und Weise durchgeführt werden. Das Papier beinhaltet aber auch, dass das gewährleistet ist. Von daher sind wir da einen Riesenschritt weitergekommen."
"Dies ist ein guter Tag für die Sicherheit im Zusammenhang mit Fußballspielen. Auf dieser Grundlage können wir jetzt die weitere Zusammenarbeit mit den Vereinen, der DFL und dem DFB auf ein sicheres Fundament stellen. Fußballchaoten müssen isoliert werden. Mit den Beschlüssen setzen die Vereine ein deutliches Signal für mehr Sicherheit. Wir werden zusammen mit den Vereinen noch mehr für die Fanarbeit tun und dort gemeinsam sehr viel Geld investieren."
"Die mehrheitliche Zustimmung ist eine Entscheidung der Vernunft. Ich empfand die Diskussion über das Papier zuletzt deutlich überhitzt. Das ist ein gutes Signal. Der Fußball kann für die Pseudo-Fans keine Plattform bieten. Und hier im Hinblick auf Pyrotechnik und Gewalt - das sind die beiden Themen, wo keine Kompromisslinien zu finden sind."
"Dem überwiegenden Anteil der 16 Einzelanträge haben wir inhaltlich aus Überzeugung zugestimmt. Allerdings hatten wir den Antrag auf eine Vertagung zur Abstimmung bezüglich des Sicherheitskonzeptes gestellt, der aber mehrheitlich abgelehnt wurde. Aus unserer Sicht ist es bedauerlich, dass wir es nicht geschafft haben, mehr Zeit zu gewinnen, um im Dialog mit den Fans für mehr Vertrauen in und Verständnis für das Sicherheitskonzept zu werben."
"Wir hätten es begrüßt, wenn diese Debatte nicht unter dem gegenwärtigen Zeitdruck hätte stattfinden müssen. Die Vertagung wäre ein hilfreicher Schritt gewesen, die aktuelle Hektik aus den Diskussionen zu bannen und intensive Gespräche zu führen. Wir haben uns gemeinsam mit unseren Fangruppierungen und Fanclubs mit dem Positionspapier der DFL beschäftigt, haben Änderungsanträge eingereicht und konnten an einigen wichtigen Stellen Verbesserungen erzielen. Diese Möglichkeit der Einflussnahme hat uns bewogen, keine Blockadehaltung einzunehmen. Das ist nicht das Ende der Debatte, sondern der Start in eine konstruktivere Phase."
"Das ist eine sehr weise Entscheidung der Fußball-Vereine. Ich freue mich, dass das wichtige Signal für die Vereinbarkeit von Sport und Sicherheit gegeben wurde."
"Die Innenminister werden jetzt sehr genau beobachten, ob die einzelnen Maßnahmen tatsächlich dazu beitragen, die Gewalt im Zusammenhang mit Fußballspielen einzudämmen - ansonsten muss nachgesteuert werden."
"Ich begrüße es ausdrücklich, dass die Mitglieder der DFL ihrem Vorstand im demokratischen Abstimmungsverfahren grundsätzlich gefolgt sind. Für den einen oder anderen war das Abstimmungsergebnis sicher ein Sprung über den eigenen Schatten. Die Zusage des Ligavorstandes, sein finanzielles Engagement bei der Gewaltprävention deutlich über das bisherige Maß anzuheben, ist ein sehr gutes Signal. Die Prüfung auf Sinnhaftigkeit und Nachhaltigkeit einzelner Projekte ist dabei selbstverständlich."
Niedersachsens Innenminister Schünemann lobt DFL-Beschluss
Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann begrüßte die Verabschiedung des Konzepts. "Dies ist ein guter Tag für die Sicherheit im Zusammenhang mit Fußballspielen. Auf dieser Grundlage können wir jetzt die weitere Zusammenarbeit mit den Vereinen, der DFL und dem DFB auf ein sicheres Fundament stellen", teilte der CDU-Politiker mit. Der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Mecklenburg-Vorpommerns Ressortchef Lorenz Caffier (CDU), war ebenfalls zufrieden: "Ich begrüße es ausdrücklich, dass die Mitglieder der DFL ihrem Vorstand im demokratischen Abstimmungsverfahren grundsätzlich gefolgt sind. Für den einen oder anderen war das Abstimmungsergebnis sicher ein Sprung über den eigenen Schatten", erklärte Caffier in Schwerin. Er sehe den deutlichen Willen, das Gewalt-Problem in Fußballstadien gemeinsam anzugehen. Die Politik stehe zum Dialog bereit.
Allofs: Genaue Kontrollen akzeptieren oder zu Hause bleiben
Klare Meinung: Klaus Allofs.
Auch Hannover-96-Präsident Martin Kind äußerte sich positiv: "Die mehrheitliche Zustimmung ist eine Entscheidung der Vernunft." Klaus Allofs sah das ebenso und vertrat einen deutlichen Standpunkt zum Beispiel beim Thema verschärfte Körperkontrollen der Fans: "Wer das nicht möchte, der muss auch kein Spiel besuchen. Das ist einfach so. Dinge wie Nacktscanner wollen wir auch nicht. Aber wir wollen genaue Kontrollen, weil wir wollen, dass das Stadion sicher ist", sagte der Manager des VfL Wolfsburg NDR Info.
Jarchow: "Bedauerlich, dass wir nicht mehr Zeit gewonnen haben"
Vor der Verabschiedung hatte auch St. Paulis Stadtrivale Hamburger SV eine spätere Abstimmung und weitere Diskussionen über das Konzept gefordert. Der HSV-Vorstandsvorsitzende Carl-Edgar Jarchow nahm die Entscheidung dann mit gemischten Gefühlen auf: "Dem überwiegenden Anteil der 16 Einzelanträge haben wir inhaltlich aus Überzeugung zugestimmt. Aus unserer Sicht ist es bedauerlich, dass wir es nicht geschafft haben, mehr Zeit zu gewinnen, um im Dialog mit den Fans für mehr Vertrauen in und Verständnis für das Sicherheitskonzept zu werben." Auch Werder Bremen war für eine Vertagung gewesen: "Wir hätten es begrüßt, wenn diese Debatte nicht unter dem gegenwärtigen Zeitdruck hätte stattfinden müssen. Die Vertagung wäre ein hilfreicher Schritt gewesen, die aktuelle Hektik aus den Diskussionen zu bannen und intensive Gespräche abseits aktionistischer Reflexe zu führen", so Werder-Geschäftsführer Klaus-Dieter Fischer.
Fanvertreter kündigen erneute Aktionen an
Die Fanvertreter lehnten das verabschiedete Sicherheitskonzept rigoros ab und kündigten erneute Aktionen an. "Es steht im Raum, dass weiter protestiert wird", sagte HSV-Fan Philipp Markhardt, Sprecher von "ProFans" und der "12:12"-Kampagne, die an den Spieltagen im Vorfeld der Abstimmung eine rund zwölfminütige Schweigezeit zu Beginn der Partien initiiert hatte. Die Anhänger würden nun abwarten, wie sich die DFL und die Vereine in der Umsetzung verhielten.
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Sport aktuell |
12.12.2012 | 18:25 Uhr