Zum Nachhören: Poulencs "Stabat Mater" und Berlioz' "Symphonie fantastique"
Nicht zu fassen, diese beiden: Lebemänner, Katholiken, Bürgerschrecke und musikalische Genies sowieso! Poulencs "Stabat Mater" und Berlioz' berühmte "Symphonie fantastique" waren live in Hannover zu erleben.
Ohne Ausnahmekünstler wie Hector Berlioz und Francis Poulenc wäre die französische Musikszene wahrscheinlich nur halb so spannend. Zwei ihrer bedeutendsten Werke brachte der Dirigent Lionel Bringuier zusammen mit die EuropaChor Akademie und der NDR Radiophilharmonie im Großen Sendesaal des NDR zu Gehör.
Christina Landshamer war ursprünglich als Sopranistin geplant, musste krankheitsbedingt aber leider absagen. Stattdessen übernahm Ania Vegry den Gesangspart in Poulencs "Stabat Mater".
Dramatisch und packend - Poulencs "Stabat Mater"
Der tiefgläubige, von Selbstzweifeln geplagte Komponist - das ist nur die eine von Poulencs biografischen Seiten. Auf der anderen stehen die Provokationen und anarchischen Experimente des jungen Künstlers im Stil der "Groupe des Six". Und auch wenn beim späteren Poulenc eindeutig die Religiosität überwiegt, ist sie doch alles andere als abstrakt oder abgehoben. 1950 komponierte er zum Gedenken an einen verstorbenen Freund sein "Stabat Mater". Aus dem mittelalterlichen Stabat-Mater-Gedicht macht Poulenc eine packende musikdramatische Inszenierung, kontrastiert große Gestik mit innigen Momenten. Im klanglichen Mittelpunkt steht dabei der Chor, der in allen Sätzen des Werkes präsent ist.
Aus dem Künstlerleben gegriffen: Symphonie fantastique
Auch Berlioz lässt es in seiner Symphonie fantastique an Drastik keineswegs fehlen: Liebeswahn, Drogenrausch, Hinrichtung und Hexensabbat - ganz zu schweigen von dem amourösen Skandal, den der Komponist rund um die Uraufführung 1830 inszenierte. Dass dieses Werk zu einem Meilenstein der Musikgeschichte wurde, beruht jedoch allein auf seinen künstlerischen Qualitäten: dem Denken in Bildern, formalen Innovationen und einem bahnbrechend neuen Umgang mit den Orchesterinstrumenten.
Ein Wiedersehen mit Lionel Bringuier
Am Pult der NDR Radiophilharmonie stand mit Lionel Bringuier ein alter Bekannter - wobei "alt" für den immer noch jugendlich wirkenden Franzosen, Jahrgang 1986, natürlich ein fragwürdiges Attribut ist. Andererseits kann Bringuier auf eine bereits zwei Jahrzehnte währende Dirigentenkarriere zurückblicken, die ihn unter anderem nach Los Angeles, Paris sowie als Chef des Tonhalle-Orchesters nach Zürich führte. Auch Ania Vegry war schon mehrfach Gast bei der NDR Radiophilharmonie - und in Hannover: Denn viele Jahre lang war die gebürtige Londonerin Ensemblemitglied der Staatsoper Hannover und wurde als Pamina (Die Zauberflöte), Susanna (Le Nozze di Figaro) und Ännchen (Der Freischütz) sowie für zahlreiche weitere Partien von der Kritik gefeiert.
