Kammermusik-Matinee: Gegensätze
Kleine Ensembles, ganz individuell: Die von den Orchester-Musiker*innen zusammengestellten Programme bieten Schmuckstücke der Kammermusik sowie Neuentdeckungen, Raritäten und besondere Arrangements.
In der ersten Kammermusik-Matinee der neuen Spielzeit widmeten sich Musiker*innen der NDR Radiophilharmonie zu zweit, zu dritt und zu viert einem spannungsreichen Programm. Martinů und Hindemith, zwei von den Nationalsozialisten verfemte Komponisten, sind mit in sich bereits packend konträr komponierten Werken vertreten. Dass er auch jenseits der Filmmusik etwas zu sagen hatte, zeigt Nino Rota voller Esprit in seinem unterhaltsamen Klarinettentrio. Ein absolutes Glanzstück für die Klarinette ist das Grand Duo concertant des Romantikers Carl Maria von Weber.
Dolce vita für die Ohren - Rotas Klarinettentrio
Fellinis "La Strada" und "La dolce vita", Viscontis "Der Leopard" oder Coppolas "Der Pate". Diese Filme sind nicht zuletzt durch Nino Rotas Musik zu absoluten Klassikern geworden. Rota selbst sah seine Berufung allerdings vielmehr im Komponieren von Opern, geistlichen Werken, Sinfonien und Konzerten. Klein, aber fein ist sein Beitrag zum kammermusikalischen Genre. 1973 schrieb er gänzlich frei von avantgardistischen Strömungen der Zeit sein weitgehend tonales Trio für Klarinette, Violoncello und Klavier. Ein durch und durch originelles Stück, mit farbenreicher Melodik und rhythmischem Temperament - mitreißend und fantasieanregend, auch ohne bewegte Bilder.
Ein Dialog mit Ecken und Kanten - Martinůs Duo Nr. 1
Der 1890 in Ostböhmen geborene Bohuslav Martinů war selbst Geiger und einige Jahre Mitglied der Tschechischen Philharmonie. Um sein Komponistenhandwerk zu vervollkommnen, ging er 1923 nach Paris. Er suchte Kontakt zur "Groupe des six" um Milhaud und Poulenc. Außerdem ließ er sich durch den in Paris ebenfalls wirkenden Strawinsky inspirieren. Hörbar wird dies in seinem 1927 komponierten Duo Nr. 1 für Violine und Violoncello. Durch seinen "mitreißenden Rhythmus und seine Polytonalität ein typisches Werk des Pariser Martinů", schrieb sein Biograf Harry Halbreich. Das Stück ist ein intensiver Dialog zwischen den beiden Instrumenten. Und, wie stets in seinen Kompositionen, hat Martinů auch hier subtile Anklänge an die Musik seiner tschechischen Heimat eingearbeitet. 1940 verließ er Paris und floh 1941 vor den Nationalsozialisten aus Europa in die USA.
Carl Maria von Weber: Ein Fan der Klarinette
Der Titel hält, was er verspricht: In Webers Grand Duo concertant treten die Klarinette und das Klavier gleich zu Beginn im großen Stil auf die Bühne. Es ist zu spüren: Die Klarinette war Webers Lieblingsinstrument, und dem hat er hier 1816 ein brillantes Stück auf den Leib geschrieben. Aber nicht nur das. Im dunkel gefärbten zweiten Satz ist der Opernkomponist Weber hörbar am Werk und lässt die Klarinette gefühlvoll singen.
Selten zu hören: Hindemiths Klarinettenquartett
Wie Martinů gehörte auch Hindemith zu den von den Nationalsozialisten verfemten Komponisten. 1938 entschloss er sich Deutschland zu verlassen: Sein in diesem Jahr der Ungewissheit komponiertes Klarinettenquartett entstand in Deutschland, den USA und in der Schweiz. In den 1920er Jahren galt Hindemith als musikalisches Enfant terrible. Im Laufe der 30er Jahre hatte sich sein Stil verändert, hin zu einer gemäßigten Moderne. Dieser Wandel ist in seinem vielschichtigen Klarinettenquartett deutlich vernehmbar. Etliche Gegensätze treffen hier aufeinander: lichte Momente, beißender Humor, Traurigkeit. Virtuos-dramatisch endet die Komposition - gleich einer offenen Frage.
