Kammermusik-Matinee: Drei Farben
Kleine Ensembles, ganz individuell: Die von den Orchester-Musiker*innen zusammengestellten Programme bieten Schmuckstücke der Kammermusik sowie Neuentdeckungen, Raritäten und besondere Arrangements.
Von den vielen möglichen Instrumentenkombinationen sind im klassischen Kammermusikrepertoire nur wenige präsent: Streicher mit oder ohne Klavier, hin und wieder ein Blasinstrument. Dass es auch anders geht, zeigte das Programm, das Mitglieder der NDR Radiophilharmonie gemeinsam mit dem Pianisten Markus Becker zusammengestellt hatten: Hier trafen Klughardts "Schilflieder" auf Suiten von Milhaud und Prokofjew - alles Werke, die schon von der Besetzung her aufhorchen lassen.
Ohne Worte spannend erzählt: Klughardts "Schilflieder" nach Lenau
Und noch etwas verbindet die drei Stücke: die ewige Frage, wovon Musik handelt, welche Inhalte sie transportiert. August Klughardt, Anhänger Wagners, den traditionellen Gattungen aber nicht abgeneigt, schuf in seinen "Schilfliedern" etwas ganz Besonderes: eine Musik, die Lenaus zugrundeliegende Gedichte auf ihre Weise, nämlich ohne Worte nacherzählt. Innere und äußere Vorgänge verlaufen parallel, eine spezielle Farbigkeit entsteht durch die aparte Kombination von Oboe, Bratsche und Klavier.
Mit überbordender Fantasie - Milhauds Suite
Darius Milhauds Suite hingegen stammt eigentlich aus dem Theaterumfeld, sie wurde 1936 für die Uraufführung von Jean Anouilhs "Reisender ohne Gepäck" komponiert. Aus der lakonischen, wie mit feinem Pinselstrich gezogenen Bühnenmusik stellte er vier Sätze für Klarinette, Violine und Klavier zusammen. Trotz des ernsten Themas - ein Kriegsheimkehrer hat sein Gedächtnis und damit seine Identität verloren - überwiegen die spielerisch-heiteren Passagen, in denen sich Milhauds überbordende musikalische Fantasie Bahn bricht.
Wenn Prokofjew in den Zirkus einlädt
Einen ähnlichen Weg ging Sergej Prokofjews Quintett op. 39 für Bläser und Streicher. Es ist die eingedampfte Version einer Ballettmusik, die der russische Komponist 1924 für eine Wanderbühne schuf. Dass es sich um ein Stück aus dem Zirkusmilieu handelt, hört man dem Werk deutlich an. Da gibt es burschikose Auftritte, ein "Elefanten"-Solo für Kontrabass, den traurigen Clown und groteske Tänze. Und all das mit einer Lust am instrumentatorischen Detail inszeniert, dass man auf das originale Ballett getrost verzichten kann.
