Sichere Deiche: Leiden wir unter "Hochwasser-Demenz"?

Stand: 12.01.2024 14:39 Uhr

Experten warnen vor "Hochwasser-Demenz": Kaum sind die Fluten durch, "vergessen" wir schon wieder, wie dringend Deiche in Niedersachsen erhöht und verstärkt werden müssten. Auch an der Elbe.

von Marie Schiller

Das Bild zeigt Torsten Schlurmann am parlamentarischen Abend der Deutschen Allianz Meeresforschung im Landtag Niedersachsen. © Sinje Hasheider Foto: Sinje Hasheider
Warnt vor "Hochwasser-Demenz": Prof. Torsten Schlurmann von der Uni Hannover.

In welchen Zeiträumen Hochwasser auftreten können und welche Regionen davon besonders betroffen sein werden - diese Daten liegen bereits auf dem Tisch, sagt Torsten Schlurmann vom Ludwig-Franzius-Institut für Wasserbau und Ästuar- und Küsteningenieurwesen in Hannover. "Wir haben selten ein Erkenntnisproblem, wir haben häufig ein Umsetzungsproblem." Der Wissenschaftler warnt: "Ich hoffe, dass wir nach diesem Ereignis nicht wieder in eine Art 'Hochwasser-Demenz' verfallen. Stattdessen sollten Lehren gezogen werden: Welche Schutzeinrichtungen haben wie funktioniert? Und welche nicht?" Das hofft auch der Dannenberger Deichverband - dass es mit dem Deichausbau an der Elbe schneller vorangeht.

Katastrophen-Bilder: War da was?

Bäume und Büsche stehen im Wasser, die Elbe steht bis an den Deich heran. Etwa sechs Meter hoch ist der Wasserstand bei Hitzacker im Kreis Lüchow-Dannenberg, ein mittleres Hochwasser. Seit zwei Wochen kontrollieren die Mitarbeitenden des Dannenberger Deich- und Wasserverbandes regelmäßig die Elbdeiche. Sorgen macht ihnen ein Deichabschnitt südlich von Hitzacker. 2013, beim großen Elbhochwasser, stand der Fluss hier bis zur Deichoberkante. So dramatisch ist die Lage in diesem Jahr nicht. Trotzdem: Dieser Deichabschnitt ist eine Schwachstelle.

VIDEO: Wie ist die aktuelle Hochwasser-Lage in Niedersachsen? (5 Min)

Großteil der Elbdeiche muss ertüchtigt werden

Die Deiche zwischen Wussegel und Damnatz wurden zwischen 1975 und 1981 gebaut. Sie entsprechen nicht mehr den aktuellen technischen Anforderungen, sind stellenweise mehr als einen Meter zu niedrig. "Wenn es hier zu einem Deichbruch käme, würden große Teile des Landkreises Lüchow-Dannenberg unter Wasser stehen. Das Schadenspotenzial wäre enorm", sagt Sven Ebeling, Geschäftsführer des Dannenberger Deich- und Wasserverbandes. Zahlen des NLWKN zeigen: Von insgesamt rund 230 Kilometer Elbdeich in den Kreisen Lüneburg und Lüchow-Dannenberg entsprechen etwa 180 Kilometer nicht den aktuellen Anforderungen.

Deichausbau geht nur langsam voran

In den vergangenen zehn Jahren ist an der Elbe in Sachen Deichausbau nur wenig passiert. Woran liegt das? Geld ist vorhanden. 40 Millionen Euro stehen dem Dannenberger Deichverband zur Verfügung. Das Problem: Genehmigungsverfahren ziehen sich in die Länge. Seit 2015 plant der Deichverband den Ausbau der Deiche südlich von Hitzacker. Zu viel Bürokratie, zu hohe Naturschutzauflagen, kritisiert Ebeling. Das Problem erkennt auch die Landesregierung. "Hochwasserschutz muss Vorrang haben. Wir werden zusätzliches Personal einsetzen und Verfahren entbürokratisieren", verspricht Umweltminister Christian Meyer (Grüne).

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