Zwei Soldaten stehen in sandfarbenen Uniformen vor mehreren Fahnenmasten © Bundeswehr

Weihnachtsmarkt in der Wüste: Soldaten aus SH im Libanon

Stand: 27.12.2023 14:25 Uhr

Weihnachten bei 20 Grad Celsius in der Wüste verbringen: Für einige Soldatinnen und Soldaten aus Schleswig-Holstein gehört das dieses Jahr zu ihrer Pflicht. Denn sie sind über den Jahreswechsel im Auslandseinsatz.

von Christoph Deuschle

An den Feiertagen mit Freunden oder Familie gemeinsame Zeit verbringen. Für viele Menschen eines der Highlights im Jahr. Aber nicht alle in Schleswig-Holstein können in den letzten Tagen des ausklingenden Jahres mit ihren Liebsten zusammen sitzen. Darunter auch diejenigen, die derzeit für die Bundeswehr im Auslandseinsatz sind und ihre in Deutschland gebliebenen Angehörigen. Wir haben mit zwei Soldaten aus Schleswig-Holstein gesprochen, die es zum Einsatz für die Vereinten Nationen in den Libanon verschlagen hat.

Einsatz im Libanon läuft seit 1978

Ein Soldat steht neben einer streunenden Katze die im Militärcamp gefüttert wird © Bundeswehr
UNIFIL ist vor allem eine Friedens- und Ausbildungsmission - auch der lokalen Bevölkerung auf vier Pfoten wird im UN-Camp geholfen.

Unsere gesicherte Telefonleitung von Naquora im Süden des Libanon nach Deutschland hakt. Unser Telefonat dauert trotzdem fast doppelt so lange wie ursprünglich geplant, denn es gibt viel zu erzählen. Jannis (31) aus Boostedt (Kreis Segeberg) und sein Kamerad Benjamin (38) aus Hohn bei Rendsburg (Kreis Rendsburg-Eckernförde) - wir nennen sie zur Sicherheit nur beim Vornamen - sind derzeit Mitglieder der 10.500 Soldatinnen und Soldaten starken Mission UNIFIL: die United Nations Interim Force in Lebanon. Wobei der Begriff "Interim", also "vorübergehend", wohl nur noch bedingt gilt. Der Einsatz läuft seit 1978, Deutschland beteiligt sich seit 2006 daran. Aktuell liegt das UN-Lager zwischen der libanesischen Hisbollah Miliz und Israels Militär.

Bedrohung und Weihnachtsstimmung im Camp

Kein Grund zur Sorge, sagt Jannis: "Wir sind nicht das Ziel der Angriffe - weder von Norden noch von Süden. Wir haben einfach eine sehr ungünstige Lage hier mit dem Camp." Gemeint ist damit, dass das UN Lager praktisch zwischen den Fronten liegt. Immer wieder fliegen seit Beginn des Terrorangriffs der Hamas in Israel und des Krieges in Gaza als Reaktion, Raketen in beide Richtungen über das Lager. Im Oktober schlug eine davon auch im Camp ein. Aber generell wolle ihnen keiner was Böses, so Jannis, "weil wir ja auch nicht aus bösen Absichten hier sind. Und so lange man sich das vor Augen hält, ist halt die größte Gefahr die von Kollateralschäden, von herabfallenden Trümmerteilen."

Trotz 20 Grad Celsius und der latenten Bedrohung: die Weihnachtsstimmung lassen sie sich nicht vermiesen. Im Camp gibt es einen eigenen Weihnachtsmarkt mit Waffeln, Bratwurst und Getränken. "Der ist besser geschmückt als so mancher in der Heimat", sind beide Soldaten sich einig. Seit der Stationierung von deutschen Soldatinnen und Soldaten im Jahr 2006 habe sich außerdem ein halber Seecontainer voller Weihnachtsdeko angehäuft. "An Weihnachtsschmuck mangelt es im Camp wirklich nicht", so Benjamin. An Heiligabend wird mit den Kameradinnen und Kameraden gewichtelt. Meist gibt es dabei Essen, Getränke und lokale Mitbringsel - denn mal eben online bestellen ist im Libanon dann doch etwas schwieriger als zu Hause.

Wie eine zweite Familie - aus 40 Nationen

Ein Soldat hält eine Mappe mit Akten in der Hand. Im Hintergrund sind diverse Geländewagen geparkt. © Bundeswehr
Benjamin ist immer auf Achse. Als "Military Assistant" ist er der Adjutant des Flottillenadmirals der deutschen Streitkräfte im Libanon - und damit das Bindeglied zwischen dem deutschen Kontingent und anderen Nationen des UN-Einsatzes.

Das Wichtigste ist für Benjamin aber die Gemeinschaft. "Es ist ja tatsächlich auch so, wenn man mehrere Monate unter einem Dach lebt und den selben Auftrag hat, dass man auch zu einer Art Familie zusammen wächst und dann hier quasi das zweitschönste Weihnachten verbringt." Nach der Bescherung im deutschen Teil des Camps treffe man sich dann auch mit den Militärangehörigen der anderen Nationen. Denn im Auslandseinsatz entstünden auch multinationale Freundschaften.

Wenn nicht gerade Weihnachten ist, ist Benjamin die rechte Hand des kommandierenden Offiziers der deutschen Truppen im Libanon. Er organisiert Abläufe und Kommunikation mit den 39 anderen Nationen der UN-Blauhelmmission. Jannis kümmert sich um die Kommunikationssysteme des Camps. Ohne ihn telefoniert hier an Heiligabend und Silvester niemand mit der Familie. Beide sind bei der Marine - aus Liebe zum Meer.

Trotz Trennung von der Familie: "Ich habe es nie bereut"

Ein Soldat steht an einem Laptop auf einem Podest. Er schaut nach rechts in Richtung eines großen Monitors, der den Inhalt des Laptops zeigt. © Bundeswehr
Jannis ist, wie er sagt, zuständig für alles, "was einen Bildschirm oder ein Kabel" hat. Ohne ihn läuft im Camp keine Technik - und auch kein Internet.

Benjamin ist seit 23 Jahren bei der Bundeswehr und zum fünften Mal länger im Ausland. Sein Antrieb zur Marine zu gehen, ist bis heute erhalten geblieben - obwohl zu Hause zwei Kinder und seine Frau auf ihn warten: "Ich wollte die Welt erleben. Auch aus dem Grund, dass ich aus Schleswig-Holstein komme und immer auch eine Verbindung zum Meer hatte. Dann kam ich zur Marine und habe das keinen Tag bereut."

Auch der noch weniger gebundene Jannis ist trotz der ungewohnten Feiertage zufrieden: "Ich war als Kind sehr oft auf Sylt oder auch an der Ostsee. Und der Arbeitgeber Bundeswehr ist ja nicht nur 'Ich geh' in den Einsatz' oder 'Ich kämpfe für mein Land', sondern auch die Chance auf Bildung. Die Chance viel zu erleben", und das sei ein Gesamtpaket, in dem eben viel Gutes aber auch Schlechtes zugleich stecke. Dazu gehört dann eben auch, dass Benjamin seine Kinder und Frau an Heiligabend nicht persönlich sieht: "Klar fehlen die mir. Auf jeden Fall. Aber dadurch das wir die Möglichkeit haben täglich nach Hause zu kommunizieren per Facetime, das ist schon eine Erleichterung."

Ein Soldat lacht über die linke Schulter in die Kamera. © Bundeswehr
Trotz Gefahrenlage: Bei 20 Grad und Sonne im Dezember vergeht Jannis nicht das Lachen.

Jannis findet in der Fremde durchaus auch Gutes an den Feiertagen. "Wann haben wir mal weiße Weihnachten? Also meist ist es kurz vorher oder deutlich danach. So das ganze Jahr durchgehend schönes Wetter zu haben, ist schon sehr angenehm." Im kommenden Jahr wollen beide Soldaten dann aber trotzdem gerne wieder zu Hause feiern - trotz der Kälte, in der Heimat.

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Welle Nord | 27.12.2023 | 15:45 Uhr

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