Prozess in Kiel: Reingelegt durch Love-Scamming

Stand: 05.06.2023 18:24 Uhr

Der Angeklagte war gleichzeitig auch das Opfer - von Online-Betrug: Da waren sich Richter und Verteidigung am Amtsgericht Kiel einig. Gegen eine Geldstrafe wurde die Anklage wegen Geldwäsche fallen gelassen.

von Moritz Ohlsen

Der Mann war nach dem Tod seiner Frau auf der Suche nach einer neuen Partnerin. Beim Online-Dating lernte er eine angebliche Frau namens "Helena" kennen. Laut eigener Aussage hatte der 55-Jährige eine starke emotionale Bindung zu ihr aufgebaut. "Helena" bat den Angeklagten um Geld - doch er hatte nicht genug. Daraufhin brachte "Helena" ihn dazu, auf seinem Konto Überweisungsgutschriften von Dritten in Empfang zu nehmen.

Ein Angeklagter (rechts) sitzt neben seinem Verteidiger in einem Gerichtssaal © NDR
Der 55-jährige Angeklagte ging bei "Helena" davon aus, dass es sie wirklich gibt.
Angeklagter sei "leichtgläubig"

23 unterschiedliche Personen überwiesen dem Angeklagten Geld. Das stammte vermutlich auch aus Betrugstaten. Die Zahlungseingänge leitete der Angeklagte weiter und machte sich so der Geldwäsche schuldig. Insgesamt geht es um 26.000 Euro. Der Richter des Amtsgerichts Kiel bezeichnete den Mann als "leichtgläubig". Er kam am Prozesstag zu dem Schluss, dass der Angeklagte geblendet von der Liebe gewesen sei und einfach nicht verstanden habe, dass er auf einen Betrug reingefallen ist. Der 55-Jährige glaubt noch immer nicht, dass es Helena vermutlich gar nicht gibt. Am Ende wurde die Anklage wegen Geldwäsche gegen eine Zahlung von 600 Euro fallen gelassen.

Love-Scamming – so funktioniert der Betrug

Scamming-Maschen gibt es viele im Internet: Betrug mit falscher Identität, Betrug mit Wohnungsversprechen, Traumjobs oder gefälschten Schecks. Betrug mit vorgetäuschter Liebe nennt man Love oder Romance-Scamming. Meistens sind die Betrüger auf Online-Partnerbörsen oder in Sozialen Netzwerken unterwegs. Erst ködern sie das Opfer mit Liebesbekundungen, viel Aufmerksamkeit und tollen Fotos. Bevor es zu einem Treffen kommen kann, gerät der virtuelle Partner plötzlich in Geldnot und bittet das Opfer um Hilfe. Love-Scamming ist die moderne Art des Heiratsschwindlers. Experten gehen davon aus, dass über 90 Prozent aller englischsprachigen Profile auf deutschen Dating-Seiten Betrug sind.

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In einem abgedunkeltem Raum sitzt eine Person vor mehreren Bildschirmen. © Colourbox Foto: Maksim Shmeljov

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So erkennt man Love-Scamming

Falsche Profile kann man meistens an folgenden Anhaltspunkten erkennen:

Das Profil ist noch sehr neu. Es hat nur wenige Likes, und es wurde nur selten besucht.

Die Fotos sehen zu gut aus. Schnappschüsse gibt es gar nicht. Alle Bilder sind attraktiv.

Der virtuelle Partner hat viele Schicksalsschläge erlebt. Damit sollen Empathie und Mitleid erregt werden.

Viele Fälle kommen nicht zur Anzeige

Laut Verbraucherzentrale geben nur wenige Menschen zu, Opfer von Love-Scamming geworden zu sein. Die Scham sei für viele zu groß.

Um erst gar nicht auf Love-Scammer, also Liebesbetrügerinnen und -betrüger, hereinzufallen, sollte man immer auf ein Treffen oder einen Video-Chat bestehen.

„Wenn Geld von der Person hinter dem Profil gefordert wird, oder jemand den Konto-oder Pay Pal Zugang nutzen möchte, sollte man den Kontakt abbrechen.“ Michael Herte, Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein

Bei den Betrügern handelt es sich meistens um organisierte Banden, die aus dem Ausland agieren. Sie werden nur selten gefasst.

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Dieses Thema im Programm:

Schleswig-Holstein Magazin | 05.06.2023 | 19:30 Uhr

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