Ein Seehund am Strand, mit der Vorderflosse winkend. © imago images Foto: imagebroker

Kolumne: Einfach mal Hallo sagen!

Stand: 24.11.2023 19:38 Uhr

In einer schwedischen Stadt läuft gerade eine Kampagne, die ihre Bewohnenden ermutigen soll, sich während der dunklen Wintermonate zu grüßen. Unserer Kolumnistin fragt sich, ob so etwas bei uns auch Anklang finden würde.

von Stella Kennedy

Wie ist das bei Ihnen, wenn Sie im Wald, im Park, am Strand spazieren gehen: Grüßen Sie dann fremde Leute, die ihnen entgegenkommen? Wenn ja, lieber mit einem kurzen "Hallo" oder "Moin", einem Kopfnicken oder ignorieren Sie die anderen? Bei der Recherche zu diesem Text habe ich mich mal in ein scheinbar banales Alltagsphänomen hineingedacht, das allerdings weitaus emotionaler diskutiert wird, als ich geahnt hätte. Auslöser: Ich las von einer aktuellen Kampagne der schwedischen Stadt Luleå, die ihre Einwohnerinnen und Einwohner auffordert, sich gegenseitig mit "Hallo" zu begrüßen. Damit soll wohl laut der Stadt die Stimmung der Stadtbewohnenden verbessert werden, gerade von denen, die sich einsam fühlen. "Ein einfaches 'Hallo' kann den Tag für jemanden verändern", argumentieren die Menschen in Schweden. Ist das wirklich so?

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NDR Reporterin Stella Kennedy. © NDR Foto: Daniela Vagt

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Je weniger Menschen, desto höher die "Hallo"-Chance

Ich habe auf der Arbeit und in meinem Freundeskreis herumgefragt und alle waren sich einig: Ob man überhaupt erwägt, Entgegenkommende zu grüßen, hat definitiv viel mit der Menge an Menschen um einen herum zu tun. Wahrscheinlich würde man nicht anfangen, in einer Fußgängerzone jeden zu grüßen - allerhöchstens, wenn man eine Wette verloren hat, oder Werbeflyer verteilen muss.

Daraus folgt: Für das Bedürfnis zu grüßen, braucht es eine kritische Masse an Menschen. In Kiel wohnen ungefähr fünf- bis sechsmal so viele Einwohnende wie in Luleå (43.574 Einwohnende). Hier muss man also schon rausfahren, um in den Genuss zu kommen, mit Fremden einen Blick, ein Nicken, ein "Hallo" zu tauschen. Und bei dem Punkt, ob es wirklich ein Genuss ist, andere beim Aufeinanderzulaufen zu grüßen - da scheiden sich die Geister.

Entweder Lichtblick des Tages oder einfach nur unangenehm

Was ich spannend fand: Und zwar hatten ausnahmslos alle, die ich befragte, schon einmal die Situation, dass sie allein irgendwo daher wanderten und ihnen eine Person entgegenkam, die ihr Grüßen - trotz Blickkontakt - komplett ignorierte. Unangenehm fühlt sich das an und dennoch: Offenbar gibt es da diese unausgesprochene "Verabredung", sich quasi zu erkennen. "Hallo Mensch" (Hunde machen es ja auf ihre Art schwanzwedelnd ähnlich) - werde auch als lästiger Zwang empfunden, wurde mir gestanden.

Sich bei schlechter Laune im Nieselregen an der Steilküste jedes Mal ein falsches Grinsen aufs Gesicht zu zwingen, wenn einen wieder Leute passieren, mit denen man in einem anderen Kontext kein Wort wechseln würde: Anstrengung pur. Wenn die einen dann nach einem mühevoll herausgerungenen "Moin" wiederum ignorieren, der Blick starr geradeaus, der Mund verkniffen: Hölle. Ob in Luleå künftig der Gruppenzwang zu mehr nachhaltig lächelnden und grüßenden Menschen führt, bleibt offen. Ob wir hier eine solche Kampagne brauchen? Fraglich.

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