Das Rellinger Rathaus. © NDR

Beispiel Rellingen: Wie Kommunen gegen wegbrechende Einnahmen kämpfen

Stand: 29.02.2024 12:00 Uhr

Die Gemeinde im Kreis Pinneberg war jahrelang schuldenfrei. Nun aber führt kein Weg an Steuerhöhungen und Krediten vorbei. Nur eines von vielen Beispielen: die Hundesteuer. Sie wurde um 50 Prozent angehoben.

von Marlen Hildebrandt

Die Liste der Investitionen in Rellingen ist lang: 1,8 Millionen Euro für Tiefbaumaßnahmen am Leitungssystem der Gemeinde für die Trinkwasserversorgung. Für einen Schulneubau an der Caspar-Voght-Schule sind es acht Millionen. Der Gemeindeanteil für die Kitas liegt bei vier Millionen. Für die Feuerwehr 930.000 Euro. Am Ende stehen 53 Millionen, die Rellingen 2024 ausgeben wird, wie Bürgermeister Marc Trampe (parteilos) sagt. Sein Problem: Die Einnahmen fallen geringer aus.

Jedes Jahr neue Schulden

Marc Trampe, parteilos, Bürgermeister von Rellingen. © NDR
Marc Trampe ist seit 2016 Bürgermeister von Rellingen.

Trampe rechnet mit Einnahmen von etwa 50 Millionen Euro. Unterm Strich bleibt also ein Minus von drei Millionen. Die müsse man jetzt über Kredite finanzieren. Auch die Aussichten für die kommenden Jahre seien schlecht. Laut Trampe wird Rellingen vermutlich jedes Jahr weitere Schulden zwischen drei und fünf Millionen Euro machen müssen.

Das liegt vor allem an der Gewerbesteuer. Die macht etwa 40 Prozent des Gesamthaushaltes in Rellingen aus - und ist wegen der schwachen Konjunktur stark rückläufig. Trampe, seit 2016 in der Gemeinde Bürgermeister, kalkuliert allein für dieses Jahr mit etwa 4 Millionen Euro weniger an Gewerbesteuer-Einnahmen. Um diesem Trend entgegenzuwirken, erhöht die Gemeinde nun die Steuern - nicht nur eine, sondern alle.

Für die Bürger in Rellingen wird es teurer

So wurden die Hebesätze für die Grundsteuer A (landwirtschaftliche Flächen) und die Grundsteuer B (Grundstücksbesitzer) angehoben. Auch die Hundesteuer steigt deutlich, und zwar von 50 auf 75 Euro. Für Unternehmen wird die Gewerbesteuer erhöht. Lange Zeit war das in Rellingen nicht nötig. "Es ging uns gut", sagt Trampe.

Das Rellinger Rathaus. © NDR
Rellingen stellt wegen der schwierigen Finanzsituation alle Ausgaben auf den Prüfstand.

Neben den Steuererhöhungen möchte die Gemeinde auch mithilfe neuer Gewerbegebiete für mehr Einnahmen sorgen. Zwar koste es Geld, die Grundstücke anzukaufen und auszuweisen, doch am Ende entstünden Arbeitsplätze und die Gemeinde sei insgesamt breiter aufgestellt. Gewerbesteuer-Ausfälle in einer einzelnen Branche wären dann leichter aufzufangen.

"Die Spielräume werden enger für die Gemeinden", sagt Jörg Bülow, geschäftsführender Vorstand des schleswig-holsteinischen Gemeindetages. Zu den Gründen gehört auch der kommunale Finanzausgleich, durch den in diesem Jahr etwa 275 Millionen Euro weniger auf die Konten der Kommunen fließen. Auch die jüngsten Steuerschätzungen seien ernüchternd, so Bülow. Die Einnahmen für die Kommunen 2023 seien fast identisch zu 2022 - und das bei weiter steigenden Kosten für Städte und Gemeinden. Denn alle Kommunen kämpfen mit Energiekrise, Flüchtlingskrise, Baukrise oder Inflation. Es blieben also kaum andere Möglichkeiten, als Investitionen zu verschieben oder die Grund- und die Gewerbesteuer zu erhöhen, erklärt Bülow.

Alles kommt auf den Prüfstand

In Rellingen eröffnete kürzlich eine neue Bücherei. 1,2 Millionen Euro gab die Gemeinde dafür aus. Ob solche und andere Angebote für Kultur und Sport, Senioren oder Jugendliche in den kommenden Jahren weiter finanzierbar sein werden, ist offen. Rellingen will bis zum Sommer alle Posten des Haushaltes auf den Prüfstand stellen.

Weitere Informationen
Das Rathaus von Bargteheide in Schleswig-Holstein. © Stadt Bargteheide

Ohne Schulden - Das Geheimnis von Bargteheide

Seit 17 Jahren hält die Stadt im Kreis Stormarn die Schwarze Null - allen Krisen zum Trotz und als einzige Kommune in Schleswig-Holstein. Wie schafft sie das? mehr

Finanzministerin Monika Heinold (Grüne) spricht auf einer Kabinetts-Pressekonferenz zur Nachschiebeliste Haushalt 2024. © NDR Foto: Julia Schumacher

Landeshaushalt SH: Notkredit erhöht sich auf 1,5 Milliarden

Die vielen Krisen - Corona, Ukraine-Krieg, Ostsee-Sturmflut - sind laut Regierung nicht mit dem regulären Haushalt zu finanzieren. mehr

Dieses Thema im Programm:

Schleswig-Holstein Magazin | 29.02.2024 | 19:30 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Steuern

Haushaltspolitik

Nachrichten aus Schleswig-Holstein

Eine lächelnde Frau sitzt in einem hellen Raum in einem Sessel. © NDR Foto: Lisa Pandelaki

Wie eine App auf dem langen Weg zum Wunschkind helfen kann

Eine Frau aus Kiel ist an ihrem lange unerfüllten Kinderwunsch fast zerbrochen. Sie hat aber einen Weg gefunden - und unterstützt jetzt andere Betroffene. mehr

Videos