Der Eingang des Pflegehauses „Alte Schule“ in Lunden. © Sven Brueggemann Foto: Sven Brueggemann

Aus für Pflegehaus in Lunden: Geschäftsführer hatte wohl Burn-out

Stand: 28.07.2022 12:37 Uhr

Das Pflegehaus "Alte Schule" in Lunden im Kreis Dithmarschen wird geschlossen - NDR Schleswig-Holstein hat darüber bereits ausführlich berichtet. Inzwischen gibt es weitere Einzelheiten zu dem Fall.

von Sven Jachmann

Die Betreibergesellschaft hat nach Angaben des Kreises den Brandschutz nicht modernisiert. Deshalb darf in dem Haus ab dem 30. September kein Heimbetrieb mehr stattfinden. Nach Angaben eines Anwalts soll sein Mandant - der Geschäftsführer - unter Burn-out leiden. Seit dem Wochenende hat die Heimaufsicht, demnach der Kreis Dithmarschen, 20 Bewohner des Hauses "Alte Schule" auf andere Einrichtungen verteilt. Kein leichter Weg für die Bewohner, das Zuhause verlassen, die gewohnte Umgebung, die Freunde. Das wissen die Pflegekräfte hier im Pflegehaus "Alte Schule" in Lunden ganz genau. Sie wollen ihren Bewohnerinnen und Bewohnern helfen, so gut sie können. Aber sie seien am Limit, sagen sie im Gespräch mit NDR Schleswig-Holstein.

Geschäftsführer "Alte Schule" hat offenbar Burnout

Die Fassade des Seniorenheims "Haus Landblick". © Sven Brueggemann Foto: Sven Brueggemann
Das neue Zuhause in Stelle-Wittenwurth für zehn Bewohner des Pflegehauses "Alte Schule".

Und auch der Geschäftsführer konnte wohl nicht mehr. Alle hätten gerne für ihn gearbeitet. Mitarbeitende berichten NDR Schleswig-Holstein dann von einer Versammlung vor eineinhalb Wochen, zu der er gemeinsam mit seinem Anwalt gekommen sei. Der habe ihnen gesagt, ihr Chef habe "Burnout", könne seine Aufgabe nicht mehr weiter erfüllen. Alle seien schockiert, sagen die Pflegerinnen und Pfleger. Hätten ihm nicht zugetraut, dass er einfach abtaucht. Von einer Überlastung hätten sie nichts gemerkt, erzählen sie. Aber er sei immer mal wieder krank gewesen. Am Tag seines Verschwindens hätte er noch in der Frühschicht geholfen. Wenige Stunden später habe er die Schlüssel seiner Pflegedienstleiterin übergeben. Seitdem ist er laut Kreis nicht mehr erreichbar.  

"Haus Landblick" nimmt zehn Bewohner auf

Claus Jüngling, ehemaliger Bewohner des Pflegehauses "Alte Schule". © Sven Brueggemann Foto: Sven Brueggemann
"Der Umzug hat gut geklappt, fühle mich in der neuen Einrichtung wohl", sagt Claus Jüngling (65). Er ist schon nach Stelle-Wittenwurth umgezogen.

Claus Jüngling (65) ist heute aus dem Haus "Alte Schule" ins neun Kilometer entfernte "Haus Landblick" in Stelle-Wittenwurth umgezogen. "Die Pflegekräfte so hängen zu lassen, dann auch noch nachts ins Haus kommen, seine Sachen rausholen und sich nicht mehr sehen lassen - das ist eine Sauerei hoch drei." Der 65-jährige Claus Jüngling habe sich aber mit seiner neuen Situation inzwischen arrangiert. Ihm gefalle sein neues Zimmer und er fühle sich in Stelle-Wittenwurth wohl.

"Wir müssen helfen"

„Landblick“-Geschäftsführer Horst-Dieter Tödter und Pflegedienstleiterin Simone Heeckt. © Sven Brueggemann Foto: Sven Brueggemann
Trotz Personalengpasses im "Haus Landblick" -Geschäftsführer Horst-Dieter Tödter und Pflegedienstleiterin Simone Heeckt wollen den Bewohnern helfen.

Die Pflegekräfte hier in Stelle-Wittenwurth wollen damit auch ihren Kollegen in Lunden helfen und sie entlasten. Und den Bewohnerinnen und Bewohnern ein neues Zuhause geben, sagt der Geschäftsführer Horst-Dieter Tödter: "Wir hatten uns noch während der Corona-Krise Aufnahmestopp auferlegt. Denn wegen der Corona Pandemie war es schwierig Personal zu finden", erklärt er. Eigentlich sei seine Personaldecke für weitere Bewohner in seiner Einrichtung zu dünn. "Jetzt haben wir aber ab August neues Personal aquirieren können. Und nach Absprache mit den Mitarbeitern haben sie gesagt: 'Wir machen das und halten das durch.'" Und die Pflegedienstleiterin Simone Heeckt ergänzt: "Wir haben bereits mehr Personal im Haus und sind soweit gut aufgestellt. Die neuen Bewohner werden versorgt durch andere Bewohner, die helfen bei der Eingewöhnung. Und die Mitarbeiter haben sich bereit erklärt zu helfen, auch wenn dann Überstunden anfallen. Das kriegen wir gewuppt zusammen."

Beim Umzug flossen Tränen

Nicht alle haben den Umzug so leicht weggesteckt wir Claus Jüngling. "Wir haben einen Herrn abgeholt, der hat auf der Fahrt bitterlich geweint", erzählt der Geschäftsführer von "Haus Landblick". "Auch der Fahrer musste fast mitweinen. Aber wir versuchen alles. Wir können es nicht ändern, den Menschen muss geholfen werden und da sind wir dabei."

Gehälter stehen aus - Mitarbeitende suchen neue Jobs

In Lunden leben jetzt noch 17 von ehemals 37 Bewohnern. Dort wissen die Pflegekräfte nicht, was aus ihrem ehemaligen Chef wird. Einige seines Pflegeteams haben bereits neue Jobs, andere wissen noch nicht, wie es jetzt für sie weitergeht. Entscheidend ist auch, ob sie ihr Juli-Gehalt bekommen. Sollten die Gehälter bis Freitag nicht mehr überwiesen werden, sei es fraglich, ob die Pflegerinnen und Pfleger am Montag ihren Dienst antreten. Aber einfach wegbleiben? "Uns sind die Bewohner ans Herz gewachsen, die können wir nicht einfach hängen lassen", sagen sie, obwohl sie längst am Limit sind.

 

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Nachrichten für Schleswig-Holstein | 28.07.2022 | 08:30 Uhr

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