Ukraine-Krieg: Stralsund will Ort für Friedensverhandlungen werden
Die Hansestadt Stralsund sucht die Annäherung an Russland und bietet sich als Ort möglicher Friedensgespräche an. Die Bürgerschaft hat am Abend mit großer Mehrheit beschlossen, einen entsprechenden Vorstoß Richtung Bundesregierung zu unternehmen.
Die Initiative soll mehr als ein skurriler Alleingang aus Vorpommern sein. Die Fraktionen CDU/FDP, Linke/SPD und das Bürgerschaftsbündnis "Bürger für Stralsund" jedenfalls meinen es ernst. "Es gibt nichts Wichtigeres als Frieden auf unserer Erde", schreiben die Abgeordneten in ihrem Dringlichkeitsantrag. Stralsund wolle helfen, die "Kriegsparteien endlich an den Verhandlungstisch" zu bringen. Stralsund habe eine "große Historie des Schaffens von Frieden". Verwiesen wird auf eine Konfliktlösung aus dem Jahr 1370. Damals endete im sogenannten Stralsunder Frieden ein Krieg zwischen Dänemark und der Hanse.
Ein neuer "Stralsunder Frieden"
Mehr als 650 Jahre später soll es einen neuen Stralsunder Frieden geben. Wie das gehen soll, lassen die drei Bürgerschaftsfraktionen in ihrem Antrag offen. Ignoriert wird, dass Russland solche Gespräche ablehnt und stattdessen weiterhin bombt. In dem Papier der Kommunalpolitiker heißt es lediglich, die Gespräche könnten im Rathaus stattfinden. Die Antragssteller verzichten darin auf eine klare Verurteilung Russlands und vermeiden gleichzeitig, der Ukraine beizustehen.
Ursprünglicher Antrag entschärft
Stattdessen machten sie in einer ersten Fassung die Ampel-Koalition in Berlin für die Lage mitverantwortlich: "Durch die Politik der jetzigen Bundesregierung haben die Menschen in unserem Land Angst vor einem 3. Weltkrieg", hieß es da. In der Bürgerschaftsdebatte wurde die Passage nun leicht entschärft: "Durch den Überfall Russlands auf die Ukraine und die damit in Verbindung stehenden Maßnahmen der Bundesregierung haben die Menschen in unserem Land Angst vor einem 3. Weltkrieg", lautete die Fassung, der am Ende die AfD und auch die Grünen zustimmten. Bemerkenswert ist, dass SPD, Grüne und FDP die Parteien sind, die in der Bundesregierung einen klaren Kurs gegen Russland steuern.
Auftrag für den Bürgermeister
In der Ampel-Koalition in Berlin ist ebenso wie in der Unionsfraktion im Bundestag klar: Russland kann wegen seines verbrecherischen Angriffskriegs gegen die Ukraine und der Gräuel-Taten vorerst kein Gesprächspartner sein. Der Westen ist insgesamt bemüht, Russland durch ein geschlossenes Vorgehen in die Schranken zu weisen und liefert Waffen an die Ukraine.
In Stralsund streckt die Bürgerschaft Russlands Präsident Putin jetzt die Hand entgegen. Das Kommunalparlament hat Oberbürgermeister Alexander Badrow (CDU) mit dem Antrag beauftragt, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) einen Brief zu schreiben, "dass das Stralsunder Rathaus für sofortige Friedensgespräche zur Verfügung steht".
Badrow bei Kundgebung auf dem Marktplatz
Badrow hatte bereits am vergangenen Mittwoch für die "Friedensidee" geworben. Er nahm an einer Kundgebung des Bündnis "Bürger für Stralsund (BfS)" auf dem Stralsunder Marktplatz teil. Dort wurde ein "sofortiger Frieden" und ein "sofortiger Rücktritt der Regierung in Berlin" gefordert. "Wenn die weg sind, kann es nur besser werden", rief ein Redner. Andere gaben dem Westen den Schuld am Fortdauern des russischen Krieges. Gleichzeitig stellten sie Russlands Angriff als eine Art Selbstverteidigung dar und sie unterstellten, dass westliche Geheimdienste hinter der Zerstörung der Nord Stream-Pipelines stünden.
Badrow zeigte sich solidarisch mit dem Bündnis "BfS" und ließ die verschwörungstheoretischen Äußerungen unwidersprochen. Der Christdemokrat sagte mit Blick auf den Krieg in der Ukraine, es gehe "um Lösungen, um zum Frieden zurückzukehren". Wann Badrow den "Friedensbrief" an den Bundeskanzler schreibt, ist noch offen.