VIDEO: Mecklenburg-Vorpommerns teuerstes Haus zum Verkauf (4 Min)

Millionenvilla am Meer: Erst vernachlässigt, nun zu verkaufen

Stand: 08.12.2023 15:14 Uhr

Für Großinvestor Jagdfeld sollte das denkmalgeschützte Alexandrinen-Cottage eigentlich zum Familiensitz an der Ostsee werden. Nach mehr als zwei Jahrzehnten Leerstand steht die wohl exklusivste Wohnimmobilie im Land nun zum Verkauf. Preis: 40 Millionen Euro.

von Martin Möller und Jürgen Opel

Wohnen wie ein Großherzog. In hohen, lichtdurchfluteten Räumen, fast überall mit Blick auf die See, eingerahmt von knorrigen Buchen und ganz ohne neugierige Passanten - so ungefähr werden sich die Jagdfelds ihre künftige Familienresidenz im Alexandrinen-Cottage ausgemalt haben, als sie 1997 einen großen Teil des Seebades Heiligendamms von der Treuhand erwarben. Die Villa galt damals "nur" als Mitgift bei dem Deal. Für viele Einheimische ist sie aber die eigentliche Perle der "Weißen Stadt am Meer". Nun wird sie von der Berliner Dependance eines großen Immobilienmaklers feilgeboten.

In nüchternen Zahlen: 18 Zimmer, gut 1.500 Quadratmeter Wohnfläche, mit dreimal so großem Grundstück. Kaufpreis: 40 Millionen Euro. Der Preis sprengt fast alles, was der Immobilienmarkt in Mecklenburg-Vorpommern bisher kannte - und das in Krisenzeiten. Laut Immobilienmakler "Engel und Völkers" gibt es viele Nachfragen und auch schon Kaufinteressenten. Mehr möchte man aber nicht verraten. Das Grand Hotel in unmittelbarer Nachbarschaft gehöre nicht dazu. Jedenfalls versichert das Patrick C. Weber für die Geschäftsführung des Hauses auf Anfrage.

Fürstliches Geschenk an Alexandrine von Preußen

Das Alexandrinen-Cottage thront einsam an der Steilküste. Nur ab und zu öffnen Wachleute den Zaun und fahren zur Villa, um nach dem Rechten zu schauen. Vor Vandalismus und Hochwasser ist das Haus gut geschützt, vor Wind und Wetter nur eher mäßig. Wer näher kommt bekommt eine Ahnung, was es brauchen wird, um die verwahrloste Schönheit wieder bewohnbar zu machen. Hinzu kommt: Die Wände sind dünn, denn das Haus wurde als ursprünglich als bescheidene Sommerresidenz errichtet.  

Es war Großherzog Paul Friedrich, der dem Hofbaurat Georg Adolph Demmler den Auftrag gab, am Steilufer eine Villa zu bauen. Sie sollte ein Geschenk für seine Frau werden. Das war die preußische Prinzessin Alexandrine von Preußen. Kaum, dass die Villa fertig war, verstarb Paul Friedrich im Jahr 1842 nach einer schweren Erkältung. Die Gattin nutzte das Haus danach noch 50 Jahre als Landsitz. Trotz aller Wirren und Zeitenwenden blieb es bis 1945 im Privatbesitz der herzoglichen Familie. Nach der Enteignung 1945 wurde aus der "Alexandrine" dann das Haus Weimar und es ging in Volkseigentum über.

Zu DDR-Zeiten wurde das Haus als Erholungsheim des Sanatoriums genutzt. Direkt nach der Wende zogen Studierende der Fachschule für angewandte Kunst in das Gebäude, die es als Studentenwohnheim nutzten. 

Konkurrenz für Sylt

1997 verkaufte die Treuhand das Alexandrinen-Cottage und weitere gut zwei Dutzend geschichtsträchtiger Immobilien an die Kölner Fundus-Gruppe und damit an Anno August Jagdfeld. Für 16 Millionen Mark, wie damals berichtetet wurde. Öffentlich ist der Kaufvertrag bis heute nicht. Heiligendamm solle wieder das werden, was es einmal war: ein vornehmes und kuratives Seeheilbad, versprach Fundus damals. Man wolle eine Alternative für Sylt errichten. Laut dem Sprecher der Jagdfeld Gruppe, Christian Plöger, sind seitdem tatsächlich über 300 Millionen Euro in Heiligendamm investiert worden.

Besonders in dieser Jahreszeit ist das Ergebnis für Tagesgäste ernüchternd. Entlang der Promenade weitgehend makellos sanierte Fassaden, dahinter und am Ortsrand Baustellen oder halb verfallene Villen, die auf bessere Zeiten warten. Vielleicht war es diese Ferienapartment-Anonymität und Leere, die die Jagdfelds davon abgehalten hat, mit der ganzen Familie nach Heiligendamm zu ziehen. Vielleicht waren es auch die strengen Auflagen der Denkmalpflege, die einen Umbau der Villa verhinderten.

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Denkmal mit landesweiter Bedeutung

Über den Denkmalschutz wacht die Landeskonservatorin Ramona Dornbusch. Sie ist überrascht, dass das Alexandrinen-Cottage nun zum Verkauf steht. Sie persönlich habe lange und konstruktiv mit Anno August Jagdfeld über eine denkmalgerechte Sanierung verhandelt, sagt sie. Für Mecklenburg-Vorpommern habe das Gebäude wegen seines repräsentativen Baustils, seiner wechselvollen Geschichte und nicht zuletzt wegen seiner städtebaulichen Lage eine besondere Bedeutung.

Die Denkmalbehörden des Landes und des Kreises forderten immer wieder Reparaturen ein, damit die Villa nicht komplett verwahrlost. Zuletzt wurde der Zustand der Villa unter dem Titel "Lost Places" in einem Bildband des Hinstorff-Verlages fotografisch dokumentiert.

Die Verkaufsabsicht der Jagdfelds weckt aber auch neue Hoffnung, beispielsweise beim parteilosen Bürgermeister der Stadt Doberan, Jochen Arenz. Trotz zunächst ernüchternder Bestandsaufnahme:

"Der große Traum wäre, dass es für die Öffentlichkeit ist. Dass die Menschen dort entlang gehen können. Dass sich das Haus entwickelt. Ich kenne zum Beispiel einen Investor, der würde dort gerne ein Café oder ein Restaurant reinmachen. Und das wäre wirklich mein großer Wunsch. Dass es verkauft wird und jemand reingeht und es mit Leben erfüllt."  Jochen Arenz, Bürgermeister Bad Doberan

Zaun ums Grundstück empört noch immer

Aber noch trennt ein grüner Metallzaun das öffentliche Leben und die private Immobilie. Heike Ohde stammt aus der Region und arbeitet als Architektin in Bad Doberan. Auslöser in die Stadtpolitik zu gehen war der Zaunbau rund um das Alexandrinen-Cottage vor 20 Jahren, erklärt die Stadtvertreterin. Damals wurde der öffentliche Küstenwald handstreichartig zu einem Privatgrundstück und damit der internationale Wanderweg an der Steilküste gekappt. Was Heike Ohde noch heute ärgert: Die Politik griff nicht ein. Im Gegenteil, sie legalisierte nachträglich den Alleingang des Investors.

Der Zaun macht den Küstenwald rund um das Alexandrinen-Cottage zu abgeschlossenem Privatbesitz. Das gibt es in Mecklenburg-Vorpommern an keiner anderen Stelle, steigert aber den Wert der Immobilie ganz erheblich. Im Prospekt ist die Rede von einem der letzten echten Solitäre, der in Deutschland angeboten werde.

Platz für eigene Wünsche

Jagdfeld-Sprecher Plöger bestätigt die Verkaufsabsicht auf NDR Anfrage. In einer Erklärung heißt es: "Da Käufer in dieser Preiskategorie viele eigene Wünsche haben, ist es üblich, dass derartige Häuser unsaniert verkauft werden. Dies ist auch Voraussetzung für die Geltendmachung der Denkmalabschreibung für den Käufer."

Was es kosten wird, die 18 Zimmer nach 27 Jahren Leerstand denkmalgerecht zu sanieren, darüber lässt sich nur spekulieren. Sicher ist, leisten können sich das nur ganz wenige. Und die bevorzugen eher Privatsphäre und Anonymität. Attribute mit denen die Jagdfeld-Gruppe ihre Immobilien in Heiligendamm bewirbt. Wahrscheinlich wird das Alexandrinen-Cottage auch nach dem Verkauf ein exklusives Privatanwesen bleiben. Als solches war es 1841 vom Großherzog auch errichtet worden.

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Dieses Thema im Programm:

Nordmagazin | 07.12.2023 | 19:30 Uhr

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