Stand: 10.02.2015 18:28 Uhr

Weltweite Recherche: Die Anfänge von Swissleaks

Anfang 2014: Gérard Davet und Fabrice Lhomme sitzen abends in ihrem Büro. Seit Monaten berichten die beiden Journalisten der französischen Zeitung "Le Monde" über den größten Daten-Bankraub der Geschichte. Der ehemalige Mitarbeiter der Schweizer Filiale der britischen Bank HSBC, Hervé Falciani, hatte Daten von 106.000 Bankkunden der HSBC gestohlen, war damit nach Frankreich geflohen und hatte sie 2008 den französischen Ermittlungsbehörden übergeben.

Systematischer Steuerbetrug

Die Brisanz: Die Daten belegen erstmals, dass eine Bank massiv und systematisch bei Steuerbetrug geholfen hat. Bei der Wahl der Kunden war HSBC dabei wenig zimperlich: Laut den Unterlagen waren darunter zahlreiche Waffendealer, korrupte Politiker, Händler von Blutdiamanten, sogar einige der mutmaßlichen Financiers der Anschläge vom 11. September 2001.

Mehr als 100.000 Namen

Der französische "Le Monde"-Journalist Gérard Davet.
Wurde von der Datenflut überrascht: Gérard Davet.

Zwar waren einzelne Namen der Liste schon bekannt, doch bis dahin wusste kein Journalist genau, welche Namen und Fakten in den Datensätzen genau stehen. Bis sich die anonyme Quelle plötzlich bei Gérard Davet und Fabrice Lhomme meldet: "Eines Abends hat uns jemand digitale Unterlagen vorbei gebracht“, erzählt Gérard Davet. "Wir haben sie im Computer geöffnet, haben uns das angesehen und uns gefragt: Was ist denn das? Das waren hundertausende Namen nach Ländern geordnet. Ich weiß nicht mehr, wie viele Länder das waren. Das war einfach nur verblüffend."

Internationale Hilfe bei der Recherche

Davet und Lhomme sind keine Datenjournalisten, arbeiten sozusagen mit Block und Bleistift. Die Brisanz der digitalen Unterlagen aus Konten und Vermögenswerten war ihnen schnell klar, alleine entschlüsseln konnten sie sie allerdings nicht: "Sowas hatten wir einfach noch nie bekommen", berichtet Fabrice Lhomme, "in unserer ganzen Karriere nicht. Wir wollen uns als Journalisten jetzt nicht beschweren, dass wir zu viele Informationen haben, aber das war so ein wenig der Gedanke: Wo sollen wir anfangen? Wie sollen wir das machen?“

Die "Le Monde"-Redaktion hätte vielleicht ein paar tausend französischen Namen auswerten können, aber nicht rund 100.000 internationale Kunden der Bank. Deshalb baten sie den weltweiten Rechercheverbund "International Consortium of Investigative Journalists" (ICIJ) um Hilfe. 140 Reporter aus 45 Ländern, darunter auch investigative Journalisten von NDR, WDR und “Süddeutscher Zeitung” werteten die Unterlagen dann sieben Monate lang aus, bevor die Ergebnisse im Februar 2015 veröffentlicht wurden.

Nur die Spitze des Eisbergs

Der französische "Le Monde"-Journalist Fabrice Lhomme.
Empört sich über das Verhalten der Bankiers und ihrer Kunden: Fabrice Lhomme.

Fabrice Lhomme war erstaunt und verärgert über die Dimensionen: "Was uns sehr überrascht und schockiert hat, das war die Idee, dass wir ja nur eine Ecke des Schleiers gelüftet hatten, dass wir nur den sichtbaren Teil des Eisbergs sahen. Es war nur ein Schnappschuss von einer Bank in einem bestimmten Moment. Wir haben uns also vorgestellt, was wir noch alles entdecken könnten - und da dachten wir nur, dass das der Wahnsinn ist: Astronomische, unfassbare Summen, die letztlich den Steuern entzogen werden, die eigentlich dem Gemeinwohl dienen sollten, die aber zweckentfremdet werden. Es geht um Milliarden und Milliarden, die beiseite geschafft oder der Realwirtschaft entzogen werden."

Dossier
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Dieses Thema im Programm:

Panorama 3 | 11.02.2015 | 23:35 Uhr

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