Stand: 30.10.2012 17:29 Uhr

Impfstoff: Debakel mit Exklusiv-Verträgen

von Mareike Burgschat, Melanie Thölke, Jenny Witte

Stephan Hofmeister ist ratlos. Der Hamburger Allgemeinmediziner steht vor seinem leergefegten Medizinschrank. Einige Impfampullen hat er noch dort stehen, doch das reicht lange nicht für alle Patienten, die sich eigentlich dieser Tage bei ihm gegen Grippe impfen lassen wollen. Gerade hat er noch weitere 60 Impfdosen aussortieren müssen. Sie gehören zu den Chargen, die die Behörde zurückgerufen hat - aus Sicherheitsgründen.

VIDEO: Impfstoff: Debakel mit Exklusiv-Verträgen (6 Min)

Hersteller des Impfstoffes ist der Pharmariese Novartis, einer der größten Erzeuger von Influenza-Vakzinen. In den vergangenen Wochen musste der Konzern Lieferschwierigkeiten einräumen, dann flockte Impfstoff aus und wurde daraufhin teilweise wieder vom Markt genommen. Zu groß war die Sorge, dass die Ausflockungen zu unvorhergesehenen Nebenwirkungen führen könnten.

Auch Krankenkassen tragen Schuld am Lieferchaos

Doch nicht nur das Lieferchaos bei Novartis bescherte den Ärzten leere Medikamentenschränke: Aus Kostengründen hatten die Krankenkassen unter Federführung der AOK Nordwest nämlich im Juni einen Exklusivvertrag mit Novartis abgeschlossen. Dadurch wurde der Pharmariese zum einzigen Lieferanten von Grippeimpfstoff für Hamburg, Schleswig-Holstein und Bayern. In der Theorie sollte dieser Schachzug den Kassen geringere Kosten und Novartis Planungssicherheit bringen.

Doch das Verfahren geht nur gut, solange nichts Unvorhergesehenes passiert: Ein 'Plan B' ist in dem Vertrag nicht eingebaut. Wenn Novartis nicht liefern kann, dürfen die Ärzte so lange nicht auf alternative Anbieter zurückgreifen, bis die Kassen diesen Vertrag aussetzen. Und dafür hat die AOK Nordwest sechs Wochen gebraucht - viel zu lange. Der freie Impfstoff ist inzwischen längst an andere Bundesländer verkauft, die ebenfalls mit dem Lieferengpass zu kämpfen hatten.

Das Kostenkalkül geht nicht auf

Grippeimpfstoffe in Ampullen  Foto: SH Magazin
Dieser Tage ein begehrtes Gut: Grippeimpfstoffe in Ampullen.

Auch für Nachbestellungen ist es zu spät. Impfstoff herzustellen ist ein langwieriger und nie genau vorhersehbarer Prozess. Dabei werden Grippeviren auf Hühnereiern oder speziellen Zellen erst vermehrt, dann mit weiteren Stoffen zum Endprodukt verarbeitet. Kritiker sind sich längst einig: Grippeimpfstoff ist kein geeigneter Stoff für Exklusivverträge. Jetzt beginnt die Jagd auf überschüssige Impfdosen auf dem Markt - das Kostenkalkül der Krankenkassen ist nicht aufgegangen. Und Leidtragende sind mal wieder die Patienten, von denen manch einer wohl ohne eine Grippeschutzimpfung durch den Winter kommen muss.

Dieses Thema im Programm:

Panorama 3 | 30.10.2012 | 21:15 Uhr

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