Tchibo - Kaffee, Kleinkram und Kleidung
Coffee-Shops? Non-Food-Produkte? Store-in-store-Konzept? Bei diesen Begriffen hätten die beiden Gründer Max Herz und Carl Tchilling-Hiryan sicherlich nur den Kopf schütteln können. Dabei hat das alles schon zum Tchibo-Konzept gehört, als Marketingexperten noch keine Namen dafür hatten. Heute ist Tchibo einer der größten Kaffeehersteller der Welt und weiterhin in Familienbesitz - trotz teilweise heftiger interner Streitigkeiten. Geld beschert den Nachkommen von Max Herz heute nicht nur der Kaffee, sondern auch eine Produktpalette vom Salzstreuer über Radios und Spitzenunterwäsche bis zur Kfz-Versicherung.
Schon die Gründer setzten auf Kombi-Angebote
Das Unternehmen beginnt als Gemeinschaftsprojekt der Kaufleute Max Herz und Carl Tchilling-Hiryan 1949 in Hamburg als Postversand für Tchilling Bohnenkaffee, und schon bald wird aus den Anfangsbuchstaben der Markenname Tchibo. In der Nachkriegszeit lockt Tchibo mit einem Kombi-Angebot - das Luxus-Produkt Kaffee wird als Bonus in Geschirr- oder Schnupftücher verpackt. Als das Wirtschaftswunder einsetzt, gibt's für die Kunden wiederverwendbare Dosen dazu. Seit 1972 bietet Tchibo eine breite Palette von Kleidung, Haushaltsartikeln und anderen Non-Food-Produkten unabhängig vom Kaffee an. Das Angebot wechselt wöchentlich.
Probier-Ausschank wird zum "Coffee-Shop"
Auch beim Vertrieb beschreitet Tchibo für die damalige Zeit neue Wege: 1955 eröffnet die erste Filiale, in der die Kunden auch Kaffee trinken und so vor dem Kauf probieren konnten. Seit 1963 setzt die Firma außerdem auf "Frische-Depots": Bäckereien und Konditoreien, die Tchibo-Kaffee verkaufen - das, was in der Marketing-Sprache heute "store-in-store"-Konzept heißt. Zudem bieten viele Filialen als "Coffee-Shops" nach US-Vorbild ein erweitertes Angebot an klassischen und neuen Kaffee-Spezialitäten vom Espresso bis zum Freddocino. Auch der Versandhandel ist in modernisierter Form zurück: Tchibo gehört zu den größten deutschen Internet-Händlern.
Beteiligungen und Expansion in Europa
Nachdem Tchibo 1977 Anteile am Hamburger Kosmetikkonzern Beiersdorf und 1980 an der Reemtsma Cigarettenfabriken GmbH - ebenfalls aus Hamburg - erwirbt, wird die alte Tchibo Frisch-Röst-Kaffee AG für die weitere Expansion zur Tchibo Holding AG. Eine Tochterfirma übernimmt das Kaffeegeschäft, eine weitere soll das Ausland erschließen. Seit 1991 hat Tchibo Vertriebsgesellschaften und Röstereien in Polen, Ungarn, Tschechien, der Slowakei, Russland, Rumänien und der Ukraine eingerichtet. In Großbritannien, Österreich und der Schweiz ist Tchibo zusätzlich mit eigenen Filialen und als Versandhändler aktiv. 1997 übernimmt Tchibo seinen schärfsten Konkurrenten Eduscho.
Radikaler Wechsel bei den Gesellschaftern
Für den Ausbau des Unternehmens ist Günter Herz verantwortlich, 35 Jahre lang Vorstandschef. Nach dem überraschenden Tod seines Vaters Max Herz 1965 übernimmt er die Führung, seine jüngeren Geschwister Joachim, Michael, Wolfgang und Daniela sowie Mutter Ingeburg halten weitere Anteile. Anfang 2001 muss Günter Herz nach familieninternen Streitigkeiten über seinen Führungsstil zurücktreten. Über Monate lähmt der Streit das Unternehmen und die anvisierte Übernahme einer Mehrheitsbeteiligung beim Kosmetikkonzern Beiersdorf. Mit dem Geld aus dem Verkauf der Tchibo-Anteile am Zigarettenkonzern Reemtsma werden der Ex-Chef und seine Schwester Daniela mit rund vier Milliarden Euro schließlich ausbezahlt.
Gelenkt wird das Firmenimperium der Hertz-Familie heute von der maxingvest AG. Sie hält 100 Prozent der Tchibo-Holding und mehr als 50 Prozent von Beiersdorf.
Weniger Filialen, mehr "Einkaufserlebnis"
Mit der Mehrheitsübernahme bei Beiersdorf und der Klärung der Gesellschafterstruktur hat Tchibo die quälenden Unsicherheiten der vergangenen Jahre hinter sich gelassen. Familienintern sorgt aber der Streit der Brüder Joachim und Michael Herz über den weiteren Firmenkurs für Unruhe - zumal die Gewinne nicht mehr so üppig sprudeln wie noch vor Jahren. Im Juni 2008 kommt Joachim Herz bei einem Badeunfall in den USA ums Leben.
Im März 2008 kündigt Tchibo an, sich von kleineren Filialen zu trennen. In Zukunft solle es in jedem Shop ein Angebot an hochwertigen Produkten geben, einen Kaffeeausschank, eine Umkleidekabine und eine "gemütliche Sitzecke". Mit dem neuen Konzept und einer neuen Optik will Tchibo stärker als bisher seine "Kernzielgruppe Frauen" ansprechen, wie das Unternehmen mitteilt.