Schüsse in Tonndorf - Drogenkrieg auf Hamburgs Straßen?

Stand: 12.01.2023 17:41 Uhr

Rund zehn Schießereien im Drogenmilieu hat es im vergangenen Jahr in Hamburg gegeben - die letzte vor wenigen Tagen in Tonndorf. Der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) spricht jetzt von einem neuen Drogenkrieg und erhebt schwere Vorwürfe.

"Wir haben es mit einer neuen Generation von Tätern im Rauschgiftmilieu zu tun, die nicht davor zurückschrecken, ihre Kontrahenten einfach zu erschießen", sagt Jan Reinecke, Landesvorsitzender des BDK Hamburg. Diese Entwicklung sei brandgefährlich, "wir haben wieder Tote auf Hamburgs Straßen", so Reinecke im Interview mit NDR 90,3. Die Schießereien der vergangenen Monate seien das Dunkelfeld der organisierten Kriminalität, das jetzt sichtbar werde.

Hamburger Polizei zu schlecht ausgestattet?

Ein Auto mit mehreren Einschüssen steht im  Hamburger Stadtteil Tonndorf. © HamburgNews Foto: Christoph Seemann
In Tonndorf steht ein Audi mit mehreren Einschusslöchern am Straßenrand. Die Polizei ermittelt.

Reinecke forderte deutlich mehr Personal für die Bekämpfung der organisierten Kriminalität. Stand jetzt sei es so, dass die Kriminalpolizei es nicht einmal schaffe, die Fälle abzuarbeiten, die angezeigt werden. Außerdem sei die IT-Ausstattung der Kriminalpolizei schlecht und der Datenschutz setze den Beamten unüberwindbare Grenzen. Auch die Erfolge im Zuge der Encrochat-Ermittlungen seien nur aufgrund von Hinweisen aus Belgien und Frankreich möglich gewesen.

Der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft Hamburg, Thomas Jungfer, sagte: "Wir sprechen von einer Dealerszene 4.0." Die Täter würden der Polizei auf der Nase herumtanzen. Sie handelten anders als früher, kommunizierten verschlüsselt über digitale Kanäle und lieferten per Drogentaxi. Im Kampf gegen organisierte Kriminalität forderte auch er mehr fachkundiges Personal.

Jan Reinecke, Hamburger Landeschef des Bundes der deutschen Kriminalbeamten (BDK). © NDR
AUDIO: Schüsse in Tonndorf - Drogenkrieg auf Hamburgs Straßen? (1 Min)

CDU: Problem muss anerkannt werden

Nach Auffassung von Dennis Gladiator, innenpolitischer Sprecher der CDU in der Hamburgischen Bürgerschaft, sei der erste Schritt, es anzuerkennen, dass es ein Problem mit organisierter Kriminalität in Hamburg gibt. Gerade Hamburg sei mit dem Hafen ein Einfallstor für Drogenkriminalität. Die Entwicklung der Clan-Kriminalität in Berlin und Nordrhein-Westfalen habe gezeigt, dass man das Problem erkennen müsse, bevor es sich verfestigt. Im zweiten Schritt müsse dann konsequent gegen die Strukturen vorgegangen werden - beispielsweise mit gemeinsamen Einsätzen von Finanz- und Bezirksämtern und der Polizei.

Deniz Celik (Linke) sprach von einer neuen Qualität. Er regte an, nun über die Legalisierung anderer Substanzen als Marihuana zu sprechen, um die Schwarzmärkte auszutrocknen. AfD-Fraktionschef Dirk Nockemann sagte, wir würden einen Kontrollverlust der inneren Sicherheit erleben. Was vor wenigen Jahren undenkbar gewesen wäre, sei nun bittere Realität.

Innenbehörde widerspricht: Budget auf Milliarden-Niveau

Die Innenbehörde wies die Vorwürfe zurück. Sprecher Daniel Schaefer sagte, in den vergangenen Jahren seien rund 40 neue Stellen in der Bekämpfung der organisierten Kriminalität geschaffen worden. Das Gesamtbudget der Polizei sei in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen und werde im kommenden Haushalt erstmals oberhalb von einer Milliarde Euro liegen. Von diesem Zuwachs habe zuletzt auch das Landeskriminalamt (LKA) profitiert, insbesondere im Bereich der Bekämpfung der organisierten Kriminalität.

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Mehrere Schusslöcher in den Scheiben eines Autos. © TV- NEWS KONTOR

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Dieses Thema im Programm:

NDR 90,3 | Hamburg Journal | 12.01.2023 | 19:30 Uhr

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