Kommentar: Hafen-Deal mit MSC ist eine Wette auf die Zukunft

Stand: 16.12.2023 08:40 Uhr

Es ist die vielleicht größte Umwälzung im Hamburger Hafen seit Jahrzehnten: Die Schweizer Reederei MSC steigt mit knapp der Hälfte beim größten Hafenbetreiber, der HHLA ein. In dieser Woche haben Stadt und MSC bekanntgegeben, dass sie mehr als 90 Prozent der Aktien zusammen haben. Das ist die Voraussetzung dafür, dass die übrigen Aktionäre herausgedrängt werden können. Gleichzeitig wird die Kritik an dem Deal nochmal lauter. Jetzt wäre es aber eigentlich an der Zeit, die Wogen zu glätten, findet Dietrich Lehmann im Hamburg-Kommentar.

von Dietrich Lehmann

Man kann nicht anders als Melanie Leonhard ein Stück weit zu bewundern. Für ihren Mut, sich mitten in der mitunter hitzigen Debatte über Sinn und Preis des Geschäfts mit der Schweizer Reederei MSC in die Höhle des Löwen zu begeben. Am Mittwochabend stand die sozialdemokratische Wirtschaftssenatorin im gediegenen Hafen-Klub, vor sich rund 100 Vertreterinnen und Vertreter der Hafenwirtschaft. Darunter nicht wenige, die offen oder verdeckt verstimmt sind wegen des Deals, den Leonhard abgeschlossen hat.

Zeit, etwas zu ändern

Künftig will die Stadt - zusammen mit der weltgrößten Reederei MSC - die Hamburger Hafen- und Logistik AG allein kontrollieren. Wieder aktiver das Ruder übernehmen, das seit dem Börsengang unter dem damaligen Bürgermeister Ole von Beust (CDU) zumindest nicht in der Hand des Senats lag.

Während andere Häfen kräftig gewachsen sind, dümpelt Hamburg vor sich hin, und das liegt auch und vor allem mit an der HHLA. Leonhard und auch Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) und Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) haben das erkannt und eine Entscheidung getroffen.

Zweifel am HHLA-Verkauf sind berechtigt

Die kann man finden, wie man will. Und auch die Fragen sind berechtigt: Ob die HHLA-Anteile zu günstig verkauft wurden, ob die verschlossene Auster MSC wirklich der beste Partner für die Stadt ist, ob die Hafenarbeiter und Hafenarbeiterinnen nicht doch um Jobs bangen müssen, und ob die Schweizer am Ende tatsächlich mehr Ladung in den Hafen bringen werden? Wichtig ist aber erst einmal, dass sich überhaupt etwas ändert. Denn so wie es die letzten zehn bis zwölf Jahre war, taten sich kaum neue Perspektiven auf.

Stadt und MSC müssen sich erklären

Das ist jetzt anders. Ein neuer Kurs ist angelegt. Aufhalten können den Hafendeal höchstens noch die Kartellbehörden - oder zu viele Abweichende bei Rot-Grün in der Bürgerschaft. Es ist aber auch an der Zeit, dass die Stadt und MSC den Kritikerinnen und Kritikern entgegenkommen. Aufzeigen, wie sie den Hafen konkret aus der Flaute holen wollen. Noch ist insbesondere die Stimmung bei vielen Arbeiterinnen und Arbeitern vergiftet wegen des Alleingangs von Leonhard und Co.

Was ist, wenn die Rechnung aufgeht?

Öffnen muss sich vor allem auch MSC. Die weltgrößte Reederei ist vielen in der Branche ein Mysterium; ein Familienunternehmen, das aber etwa ein Fünftel der globalen Warenströme kontrolliert. Amazon ist ein Krämerladen dagegen. Für die Stadt, für Hamburg ist der Hafendeal mit MSC eine Wette auf die Zukunft. Falls die aufgeht, dann hat Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard ihr Meisterstück abgeliefert, wenn nicht gar ihr Bürgermeisterstück.

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Dieses Thema im Programm:

NDR 90,3 | Der Hamburg-Kommentar | 16.12.2023 | 08:40 Uhr

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