Kommentar: Eingriff der Stadt in den Wohnungsmarkt ist alternativlos
Das krempelt die Wohnungspolitik in Hamburg um: Der rot-grüne Senat will künftig städtische Grundstücke nicht mehr verkaufen, sondern in Erbpacht vergeben. Und er will für 1.000 neue Wohnungen jährlich eine 100-jährige Preisbremse einführen. Das alles ab 2024, doch kann das funktionieren? Ein Kommentar von Andreas Gaertner.
Zurück geht das auf einen Kompromiss mit zwei Volksinitiativen. Und abgesichert werden soll die neue Wohnungspolitik durch eine Änderung in der Hamburgischen Verfassung.
Hohe Mieten und Energiekosten machen Mietern Probleme
Eins ist klar: Beim Thema Wohnen versagt der vielgepriesene freie Markt. Man muss nur auf das Ergebnis einer Haspa-Umfrage aus dieser Woche schauen: "Fast jeder zweite Mieter bangt um seine Wohnung", war dort ein Ergebnis. Viele Hamburgerinnen und Hamburger müssen inzwischen bis zur Hälfte ihres Budgets fürs Wohnen ausgeben. Die rasant steigenden Energiekosten vergrößern das Problem noch - mit den Nebenkosten quasi als zweite Miete. In eine größere Wohnung umziehen - kaum mehr finanzierbar. Der Traum vom Eigenheim - für die Mehrzahl der Menschen ausgeträumt.
Wohnen: Volksinitiativen tragen zum Umsteuern bei
Denn zu viele wollen mit Wohnungen und Grundstücken Geld verdienen - möglichst viel Geld - durch den Verkauf ehemals günstiger Wohnungen als Eigentum. Und durch Spekulationen mit den immer knapper werdenden Bauplätzen. "Keine Profite mit Boden und Miete" war daher das Motto der beiden Volksinitiativen, die jetzt erfolgreich zu einem Umsteuern in Hamburg beigetragen haben.
Wohnen ist ein Menschenrecht
"Keine Profite": Uhhh - das hört sich böse an, klingt nach Klassenkampf und alten Zeiten. Genau dieses Gespenst hat die Opposition in der Bürgerschaft heraufbeschworen, als es dort um die Senatspläne ging. Die CDU sprach von wohnungspolitischem Kommunismus, die AfD fühlte sich an die DDR erinnert. Ich meine, dass die Stadt in den Wohnungsmarkt eingreift, ist alternativlos - Wohnen ist ein Menschenrecht. Und dass der Senat auf Jahrzehnte den Menschen hier bezahlbare Wohnungen sichern will, ist vernünftig. Die große Frage ist aber: Wird das so funktionieren, wie sich das der Senat und die Volksinitiativen das vorstellen?
Wohnungsunternehmen sehen dramatische Fehlentscheidung
Die Wohnungsunternehmen haben erstmal die rote Karte gezeigt, sprechen von einer dramatischen Fehlentscheidung. Sie werde nicht zu mehr Wohnraum führen. Zuletzt hatte der Senat das selbstgesteckte Ziel sogar verfehlt, jährlich 10.000 neue Wohnungen in Hamburg zu schaffen. Das künftig zu erreichen, ist jetzt wahrscheinlich schwieriger geworden. Viel Überzeugungsarbeit und noch mehr Fördergeld aus Steuermitteln wird nötig sein, damit aus der Revolution in der Hamburger Wohnungspolitik kein Papiertiger wird.