Welt der Musik
Sonntag, 13. März 2022, 18:00 bis
19:00 Uhr
Für Frauen war Komponieren jahrhundertelang verpönt - höchstens im häuslichen Rahmen wurde ein wenig "liebhaberische Tonsetzerei" geduldet. An eine professionelle Ausübung war nicht zu denken. Doch: Immer wieder haben sich Frauen über solche Schranken hinweggesetzt, haben trotzdem komponiert, publiziert und schließlich auch die Kompositionsklassen an den Hochschulen erobert. Anlässlich des Internationalen Frauentags stellt die "Welt der Musik" drei dieser Pionierinnen vor - alle drei wirkten in Hamburg, allerdings zu verschiedenen Zeiten: Louise Reichardt komponierte während der Romantik, Ilse Fromm-Michaels startete im frühen 20. Jahrhundert, Felicitas Kukucks künstlerische Blüte lag in der Nachkriegszeit.
Lieder im Volkston: Louise Reichardt
Wieso man heute höchstens ihren Vater kennt, nicht aber sie? Schwer nachvollziehbar. Denn Louise Reichardt (1779-1826) komponierte mindestens so berührende Lieder wie Johann Friedrich Reichardt, einer der wichtigsten Vertreter der Berliner Liederschule. Schon als junge Frau beweist Louise Mut, indem sie ihre Lieder publiziert und somit dem Urteil der Rezensenten aussetzt. Unerschrocken ist sie aber auch in anderer Hinsicht: Als ihre Familie vor dem finanziellen Ruin steht, pfeift sie auf die biedermeierliche Konvention und beschließt, Geld zu verdienen. Alleine zieht sie von Halle nach Hamburg und gründet dort eine "Singschule" die erste ihrer Art in Hamburg. Sie wirkt als Gesangslehrerin, Chorleiterin, Komponistin und organisiert wegweisende Aufführungen von Händel-Oratorien im "Michel". Heute ist sie vergessen.
Ausgebremst: Ilse Fromm-Michaels
Die Hamburgerin Ilse Fromm-Michaels (1888-1986) wird rund 60 Jahre nach Louise Reichardts Tod geboren - doch auch in ihrer Zeit sind komponierende Frauen noch ungewöhnlich. Als sie sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Hans Pfitzners Kompositionsklasse an der Berliner Musikhochschule einschreibt, ist sie dort eine absolute Rarität. Sie brilliert nicht nur als Pianistin auf großen Konzertbühnen, sondern komponiert auch erfolgreich, zunächst für Klavier, dann für Orchester - bis die Nationalsozialisten ihre künstlerische Karriere ausbremsen. "1933 war sie gerade dabei, kompositorisch zu expandieren, auf die Orchestergröße zu gehen. Sie hatte damit sehr viel Erfolg, aber das kam komplett zum Erliegen", berichtet Babette Dorn, Pianistin und Fromm-Michaels-Forscherin. Zu ihren Lebzeiten gewann Fromm-Michaels mit ihren Kompositionen Internationale Wettbewerbe. Heute werden ihre Werke kaum gespielt.
Nicht für den Elfenbeinturm: Felicitas Kukuck
"Fachleute werden wissen, dass es meist kein Vergnügen ist, komponierende Damen auszubilden." So spöttelt Paul Hindemith im Abschlusszeugnis für seine Schülerin Felicitas Kukuck (1914-2001) - fügt aber hinzu, dass er sie sehr gerne unterrichtet habe. Auch Kukuck schätzt Hindemith, lässt sich sowohl von seinen musikpädagogischen als auch von seinen ästhetischen Ansätzen stark prägen. Auf keinen Fall will sie für den Elfenbeinturm komponieren, immer behält sie im Auge, für wen sie schreibt. Auch wenn Kukuck sich nie als Avantgardistin oder musikalische Bilderstürmerin verstanden hat - die unerschrockene Selbstverständlichkeit, mit der sie ihrer künstlerischen Tätigkeit nachging, fällt auf. Kukucks Tochter Margret Johannsen erzählt im Gespräch, wie ihre Mutter sich Freiräume für das Komponieren verschafft hat - auch im Adenauer-Deutschland der 1950er-Jahre, als für eine Frau eigentlich die Rolle der Hausfrau und Mutter vorgesehen war.
Eine Sendung von Sylvia Roth.
