Emmanuel Tjeknavorian eröffnet Festspiele MV
Der junge Dirigent und Geiger Emmanuel Tjeknavorian ist in diesem Jahr Preisträger in Residence bei den Festspielen MV. Am 18. Juni spielt er in Neubrandenburg das Eröffnungskonzert.
In der Neubrandenburger Konzertkirche wird der 27-jährige gebürtige Wiener die Festspiel-Ouvertüre für Violine und Orchester "Arche Noah", Jean Sibelius' Violinkozert und Edward Elgar spielen. "Tjeknavorian zeigt Hexenkunst und Wiener Charme" - das hat die österreichische Zeitung "Die Presse" einmal über ihn geschrieben, der als Preisträger in Resicence bei zahlreichen Konzerten in Mecklenburg-Vorpommern auftreten wird.
Im vergangenen November wurde bekanntgegeben, dass Sie in diesem Jahr als Preisträger des Sommers die Festspiele Mecklenburg-Vorpommern prägen werden. Wie haben Sie reagiert?
Emmanuel Tjeknavorian: Das war in Rostock. Herr Dr. Markus Fein (der damalige Intendant, d.R.) hat mich vor einem Konzert in einem Hotel besucht. Wir saßen im Restaurant. Da sagte er ganz vorsichtig, es gebe im Sommer immer einen Künstler, der die Festspiele prägt. Da habe ich ihn angeschaut und gedacht, er wird nun sagen, ich werde Artist in Residence. Und dann war es tatsächlich so weit. Was will man mehr, als bei einem bedeutenden Festival Programme zu gestalten und großartige Auftrittsgelegenheiten zu haben.
Als Künstler kennen Sie zahlreiche Konzerthäuser und Bühnen dieser Welt. Nun warten in Mecklenburg-Vorpommern Orte wie das Kloster Rühn bei Bützow, das Schloss Hasenwinkel oder die Festspielscheune in Ulrichshusen. Brauchten Sie erst einmal einen Atlas, um zu wissen, wo Sie auftreten?
Emmanuel Tjeknavorian: Nein, denn ich habe in Mecklenburg-Vorpommern schon mehrmals in Scheunen und in Klöstern gespielt. Ich freue mich darauf, dort wieder zu spielen.
Bei den Festspielen Mecklenburg-Vorpommern waren Sie erstmals 2017 zu Gast, gemeinsam mit dem Pianisten Maximilian Kromer. Sie haben damals beide zusammen den Ensemble-Preis der Festspiele bekommen. War es eigentlich Liebe auf den ersten Blick zwischen Ihnen und den Festspielen?
Emmanuel Tjeknavorian: Von mir aus ja. Aber der erste Kontakt war im Jahr 2011. Da wurde ich vorgeschlagen für die Reihe "Junge Elite" und wurde nicht genommen. Ich war natürlich sehr traurig. Aber man muss Geduld haben. Ich war dann auch motiviert, da weiterzumachen und zu zeigen, dass ich doch ein würdiger Künstler für die Reihe "Junge Elite" wäre. Dann ist es mit einer sechsjährigen Verspätung dazu gekommen.
Was macht aus Ihrer Sicht dieses Festival hier in Mecklenburg-Vorpommern aus - worin unterscheiden sich die Festspiele eventuell von anderen Festivals?
Emmanuel Tjeknavorian: Ich mag das Familiäre sehr. Ich mag, dass es sehr herzlich zugeht in Mecklenburg-Vorpommern. Wenn man dort ist, dann ist der Kontakt zum Team, zur Intendanz ein sehr netter, ein sehr kollegialer und freundlicher. Ich habe das Gefühl, man wird selbst als junger Künstler genauso behandelt wie ein arrivierter Altstar. Wenn man sich wohlfühlt, dann kommen auch die besten künstlerischen Ergebnisse. Die Festspiele sind für mich eine künstlerische Familie.
Sie werden auch die Festspiele am 18. Juni in der Neubrandenburger Konzertkirche eröffnen - gemeinsam mit der NDR-Radiophilharmonie - unter anderem mit dem Violinkonzert von Jean Sibelius.
Emmanuel Tjeknavorian: Das war ein großer Wunsch von mir. Ich sagte, wenn ich schon die Gelegenheit habe, die Festspiele mit Orchester zu eröffnen, dann muss ich "mein Violinkonzert" spielen - und das ist jenes von Jean Sibelius. Mit diesem Konzert habe ich meine Laufbahn gestartet und habe es allein in den letzten fünf Jahren um die 70 Mal öffentlich gespielt. Dieses Stück ist eine große Herzensangelegenheit von mir. Ich bin froh, das jetzt mit meinem Kollegen Andrew Manze zu spielen, einem ehemaligen Geiger.
Seit einigen Jahren werden die Festspiele mit einer eigens neu komponierten Ouvertüre eröffnet. In diesem Jahr wird sie von Ihrem Vater komponiert - dem Dirigenten und Komponisten Loris Tjeknavorian. Konnten Sie schon reinhören?
Emmanuel Tjeknavorian: Die Ouvertüre heißt "Arche Noah". Es ist ja überliefert, dass die Arche Noah am Berg Ararat gestrandet ist. Der Berg Ararat ist ein Heiligtum für alle armenischstämmigen Menschen wie meinen Vater. Insofern hat er diese Festivität, die Strandung am Berg Ararat vertont. Eine wunderbare Ouvertüre, sehr virtuos für die Violine.
Sie selbst sind in Wien geboren, aber auch in Armenien aufgewachsen. Wo finden Sie sich mehr wieder - als armenischer Österreicher oder als österreichischer Armenier?
Emmanuel Tjeknavorian: Ich bin ein Wiener mit armenischen Wurzeln. Ich habe vier Jahre lang die Volksschule in Armenien besucht, um die Sprache zu lernen, um der Kultur näher zu kommen. Dennoch, das ist glaube ich verständlich, wenn ich in Wien lande mit dem Flieger, dann habe ich das Gefühl, wieder zuhause zu sein.
Warum die Geige? Kam die Geige zu ihnen?
Emmanuel Tjeknavorian: Die Eltern waren es nicht. Mein Vater hat es natürlich sehr witzig gefunden, dass ich seine Proben besucht habe und heftig versucht habe, ihn nachzumachen und dirigiert habe. Er hat mir dann ein Kinderpodest geschenkt, einen Kindertaktstock und so weiter. Aber das war alles mehr fürs Amüsement.
Ich habe dann irgendwann mit meinem Vater telefoniert. Der war auf Tournee. Ich habe eine Schwester, die ist 15 Monate älter. Was sollte er uns mitbringen? Meine Schwester wollte Spielzeuge, Puppen. Ich sagte, lieber Vater, bringt mir doch eine echte Geige mit. Meine Mutter hat den Hörer genommen und sagte: Nein, auf gar keinen Fall. Aber mein Vater hat nicht auf meine Mutter gehört.
Inzwischen sind Sie nicht nur als Violinist unterwegs, sondern auch als Dirigent - wann kam zum Bogen auch vermehrt der Taktstock hinzu?
Emmanuel Tjeknavorian: Ich habe nichts anderes in meiner Kindheit gekannt, als was mein Vater getan hat, nämlich dirigieren. Er hat mir auch sehr früh das Partiturlesen beigebracht. Es war immer schon für mich klar, dass ich Dirigent werde. Als ich dann 18 war, habe ich zu meinem Vater gesagt, das möchte ich jetzt ernsthaft machen. In diesen Jahren, das war im Jahr 2013/14, habe ich dann deutlich weniger Geige gespielt. Er hat mit mir am Handwerk gearbeitet. Da habe ich auch begonnen, Jugendorchester und Amateurorchester zu dirigieren. Aber ich bin sehr froh, dass ich dann eine wirklich beglückende Laufbahn als Violinist gemacht habe und diese noch habe. Dennoch, die Gefühle in mir für das Dirigieren sind viel zu stark, um diese zu ignorieren. Insofern werde ich mich ab der Saison 2022/23 sehr auf das Dirigieren fokussieren und nur in Ausnahmefällen als Violinist erscheinen.
Insofern haben wir in diesem Sommer bei den Festspielen nochmal die Gelegenheit, Emmanuel Tjeknavorian in der ganzen Bandbreite als Violinist zu erleben. Das ist zwar ein kleiner Abschluss, aber Sie haben selbst gesagt, die Geige wird nicht ganz beiseite gelegt.
Emmanuel Tjeknavorian: Ab der Saison 2022/23 werde ich mich sehr auf das Dirigieren fokussieren. Ich würde es aber niemals schaffen, die Geige ganz beiseite zu legen. Mir ist das Dirigieren sehr wichtig und ich habe diese eher drastische Entscheidung getroffen. Ich hoffe sehr, dass, wenn ich mal so etwas erlebe wie eine Etablierung als Dirigent, dass ich dann auch wieder etwas mehr auch als Geiger auftreten werde.
Sie werden im Juli in Ulrichshusen rund um den begnadeten Komponisten Wolfgang Amadeus Mozart und sein Instrument Konzerte geben. Ich habe gesehen, dass Sie haben schon mehrfach auf der Mozart-Geige gespielt haben. Was unterscheidet diese Geige von ihrer eigenen – einer Stradivari – und warum ist die Mozart-Geige für Sie so besonders?
Emmanuel Tjeknavorian: Die Antwort liegt schon in der Frage: Es ist Mozarts Geige. Für mich ist Mozart DER göttliche Komponist und ihn durch die Geige zu berühren ist unvorstellbar. Aber ich muss auch sagen, die Geige ist einfach fantastisch. Seine Musik auf diesem Instrument zu spielen - etwas Schöneres kann man sich als Geiger nicht vorstellen.
Das Gespräch führte Axel Seitz.