Schloss Ludwigslust: Gelber Atlas für das Schlafgemach der Prinzessin

Stand: 10.09.2022 06:00 Uhr

Im Westflügel des Ludwigsluster Schlosses schreiten die Sanierungsarbeit voran. Seit gut fünf Jahren sind sie hier dabei, dem "Damenflügel" nach Jahren des Verfalls seine frühere Pracht zurückzugeben. Für das Schlafzimmer der Prinzessin steht nun fest, was die Wände verzieren wird.

von Ute Schlusinske

Es sind kaum auffindbare Stoff- oder Papierfetzen, die den Kunsthistorikerinnen und Restauratorinnen entscheidende Hinweise geben, wie es wohl um 1800 im Westflügel des Schlosses Ludwigslust ausgesehen haben muss. An abgenutzten Spannrahmen und unter alten Fußleisten wurden sie gefunden und verraten, dass hier in der Hochzeit des höfischen Lebens ein Feuerwerk der Farben herrschte. Und das soll es auch wieder, so zumindest lautet der Anspruch der aktuellen Sanierung im Westflügel des rund 250 Jahre alten barocken Prunkbaus. Dort, wo die Frauen des herzoglichen Hofstaates von Mecklenburg-Schwerin residierten, soll heute der Zustand von damals so originalgetreu wie möglich wieder hergestellt werden.

Hochwertige Decken und Böden restauriert

In vielen der 35 Räume sind inzwischen die vergoldeten Decken von Übermalungen befreit und restauriert worden, Kamine wurden vorsichtig ausgebessert und erste Türen samt Mahagoni-Optik wieder eingesetzt. In der zweiten Etage des Westflügels kümmern sich Restauratoren gerade um die Instandsetzung hochwertiger Maketerie-Böden mit Einlegearbeiten aus verschiedenen Holzarten, die zu einzigartigen Ornamenten zusammengesetzt werden. Sie bilden einen ganz besonderen Kontrast zu den eher schlichten Decken, der so nur hier in Ludwigslust zu finden ist, erklärt Steffi Dahl vom Staatlichen Betrieb für Bau und Liegenschaften in Mecklenburg-Vorpommern. Sie kümmert sich als Projektleiterin um alle Arbeiten, die im Zuge der Sanierung anfallen. Auch Tafelparkett und Dielenböden benötigen noch Überarbeitungen, bevor sie dann zum Schutz erst einmal wieder abgedeckt werden.

Wände in allen Farben

Einen besonderen Reiz werden nach der Restaurierung die Wände des Westflügels ausmachen. Noch ist nur das freigelegte Mauerwerk zu sehen. Aber schon bald explodieren hier wieder die Farben. Neben handgedruckten Papiertapeten werden vor allem die Stoffbespannungen dafür sorgen. Ein dunkles Blau in einem Salon, ein kräftiges Rot in dem anderen. So haben es an manchen Stellen kleinste Stofffasern verraten. An anderen Stellen mussten Briefe und Bilder aus der Zeit dabei helfen, eine Raumausstattung zu finden, die der originalen ganz nah kommt.

Sternstunden in Archiven

Dr. Dagmar Sommer und Dr. Jörg Meiner von den Staatlichen Schlössern, Gärten und Kunstsammlungen in Mecklenburg-Vorpommern sind diejenigen, die viele Stunden zwischen staubigen Buchdeckeln in Archiven verbracht und fast schon kriminalistisch, wie sie selbst sagen, nach Hinweisen auf das Früher gesucht haben. Anhand wertvoller Quellen sind sie in der Lage, den damaligen Zustand beispielsweise der Wände zu rekonstruieren. Sternstunden seien es, erklärt Sommer, wenn man aufgrund von Archivhinweisen sagen könne, so war es und so soll es wieder sein.

Bestellung des Hofarchitekten entdeckt

Einige solcher Sternstunden haben die Kunsthistoriker bei der Rekonstruktion des Schlafzimmers der preußischen Prinzessin Alexandrine, Tochter der legendären Königin Luise, in der zweiten Etage des Westflügels erlebt. Das Schlafzimmer ist Teil der sogenannten Barca-Wohnung, benannt nach dem Hofarchitekten Johann Georg Barca, der die Wohnung im Vorfeld der Hochzeit von Alexandrine mit Paul Friedrich von Mecklenburg-Schwerin entworfen hat. An den Wänden fanden sich bei ersten Sanierungsschritten winzige Hinweise auf die ursprüngliche Textilbespannung und im Archiv dann passend dazu eine Stoffbestellung des damaligen Architekten. Gelber Atlas-Stoff - heute eher als Satin bekannt - und grüner Rips - ein fester, eng gewebter Stoff - sollten es 1821 für Alexandrine sein. Diese Stoffe werden es auch jetzt wieder werden. Sogar zur Menge und über die Qualität habe die Archivquelle genaue Angaben gemacht, so Sommer. Zwei kleine Stoffproben seien außerdem gefunden worden.

Rekonstruktion anhand von Vorbildern

Dass aus den Hinweisen und Befunden stimmige Farben und Farbkombination in den Räumen werden, darum kümmert sich die Textilrestauratorin Ines Zimmermann. Sie sucht zusätzlich zu den Kunsthistorikern in Schlössern im In- und Ausland nach sogenannten Analogie, also Ähnlichkeiten, um sich dem Früher so dicht wie möglich zu nähren und darüber im Heute die Räume so prächtig wie damals gestalten zu können. Auch in früheren Zeiten habe es ähnliche Geschmäcker gegeben. Innerhalb einer Familie wurde sich an der Einrichtung des anderen orientiert. Das helfe ihr heute bei der Rekonstruktion, so Zimmermann. Auch das Schlafzimmer der Prinzessin hatte ein Vorbild, an dem der Hofarchitekt sich orientierte. Es glich nachweislich dem ihrer Mutter Königin Luise in Berlin.

Stoffe aus Spezialwerkstätten

Ines Zimmermann ist auch diejenige, die den langen Entwicklungsprozess der Webstoffe in den Spezialwerkstätten begleitet. Viele Farb- und Textilproben sind nötig, bis das richtige Gewebe im passenden Ton gefunden ist. Die Stoffe für das Schlafzimmer von Alexandrine werden in der letzten Seidenmanufaktur Deutschlands in Crimmitschau in Sachen gewebt. Aber auch in Wien, Italien und Frankreich werden für den Westflügel Stoffe und Posamente, also "Dieschen und Daschen", wie es die Textilrestauratorin liebevoll nennt, hergestellt. Ein Bild vom fertigen Schlafzimmer hat Ines Zimmermann schon vor Augen: Zum Gelb und Grün kommen musterintensive Teppiche und Bordüren in Weiß und Rosa.

Originalbett der Prinzessin erhalten

Aus den Entwürfen der Textilrestauratorin wird auch das Bettzeug stammen, dass das Innenleben des original erhaltenen Wandbettes der preußischen Prinzessin bekleiden soll. Noch befindet sich der sogenannte Alkoven im Depot. Dort stand er viele Jahre unerkannt. Heute ist klar, welcher seltene Schatz in Schwerin schlummerte - und zu lange ohne Pflege auskommen musst. Entsprechend benötigt der Alkoven mit dem zweistufigen Bettpodest noch einiger Überarbeitung, bis er dann wieder in seine Wandnische im Westflügel zurückkehrt.

Schloss als Gesamtkunstwerk

Für den Kunsthistoriker Dr. Jörg Meiner war das erhaltene Bett ein entscheidender Grund für die aufwendige Wiederherstellung des Schlafzimmers. Anhand solcher Exponate und der originalgetreuen Rekonstruktion des Drumherum könne Besuchern authentisch nahegebracht werden, wie die Zeit damals war. Zusammen mit Dagmar Sommer, die auch die Kuratorin der künftigen Ausstellung ist, plant er, das Schloss wieder als ein Gesamtkunstwerk zu zeigen. In der ersten Etage werde man sich auf die lange Geschichte des Schloss von der Residenz der Herzöge bis hin zum Kreisverwaltungssitz der DDR konzentrieren, so Meiner. Die zweite Etage soll die Besucher dann in das höfische Leben des 18. und 19 Jahrhunderts mitnehmen.

Moderne Ausstellung ab 2024

Statt mit verstaubten Museumstafeln soll hier aber durch moderner Ausstellungstechnik die Zeitgeschichte vermittelt werden. Dafür mussten gerade in kunsthistorischer und denkmalpflegerischer Hinsicht Kompromisse gefunden werden. Doch alle notwendigen technischen Einbauten verschwinden in den Böden und hinter Wänden. Die Besucher, das sagt auch die Projektleiterin, werden nur die schöne Oberfläche sehen. Steffi Dahl geht davon aus, dass in gut einem Jahr die sanierten Räume für die Ausstellungsgestaltung übergeben werden. Dann dauert es noch einmal ein gutes Jahr bis zur Wiedereröffnung des Westflügels.

Rund 16 Millionen Euro sind für die Sanierung vorgesehen. Drei Viertel zahlt die EU, der Rest kommt vom Land Mecklenburg-Vorpommern.

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Radio MV | Nachrichten aus Mecklenburg-Vorpommern | 29.09.2022 | 19:30 Uhr

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